Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2014 - 4 StR 371/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin geändert und klarstellend neu gefasst , dass die Angeklagte der Beihilfe zur Untreue in 141 tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Untreue in 27 Fällen schuldig ist,
b) aufgehoben, aa) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II. 1 bis 141 der Urteilsgründe (Taten zum Nachteil der Geschädigten B. ) sowie bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision der Angeklagten E. R. und die Revision des Angeklagten G. R. werden verworfen.
3. Der Angeklagte G. R. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten G. R. der Untreue in 141 Fällen und die Angeklagte E. R. der Beihilfe zur Untreue in 141 Fällen in Tatmehrheit mit Untreue in 27 Fällen schuldig gesprochen. Es hat beide Angeklagten jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und ausgesprochen, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe jeweils drei Monate als Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt zu gelten haben.
- 2
- Beide Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung jeweils mit der Sachrüge. Während die Revision des Angeklagten G. R. insgesamt erfolglos bleibt, hat das Rechtsmittel der Angeklagten E. R. den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
I.
- 3
- Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat hinsichtlich des Angeklagten G. R. keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. September 2014 Bezug genommen.
II.
- 4
- Hingegen hat das Rechtsmittel der Angeklagten E. R. mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
- 5
- Während die Verurteilung der Angeklagten wegen Untreue in 27 Fällen rechtlicher Nachprüfung in vollem Umfang standhält (§ 349 Abs. 2 StPO), führt das Rechtsmittel, soweit das Landgericht die Angeklagte wegen Beihilfe zur Untreue in 141 Fällen verurteilt hat, zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafaussprüche. Insoweit und hinsichtlich des Ausspruchs über die Gesamtstrafe bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
- 6
- 1. Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte G. R. zwischen Februar 2007 und Februar 2009 zahlreiche Vermögensverfügungen zu Lasten der im Jahre 1928 geborenen Geschädigten B. vor, die ihm auf sein Drängen zuvor eine Generalvollmacht erteilt hatte. Die dadurch erlangten Gelder verwendete der Angeklagte ausschließlich im eigenen Interesse und in dem seiner Ehefrau, der Mitangeklagten E. R. , wodurch sich beide im Tatzeitraum fortlaufende Einnahmen in großem Umfang verschafften. B. , die von den Verfügungen keine Kenntnis hatte, entstand ein Schaden in Höhe von insgesamt 336.027,75 €.
- 7
- Die Mitangeklagte E. R. habe, so die weiteren Feststellungen der Strafkammer, den Kontakt zwischen der Geschädigten und dem Mitangeklagten G. R. hergestellt, die von der Geschädigten B. unterschriebene Generalvollmacht verfasst und an dem durch die treuwidrigen Verfügungen ihres Ehemannes erlangten Geld partizipiert. Sie habe über eine eigene Bankkarte für eines der Konten der Geschädigten verfügt und jederzeit als gleichberechtigte Partnerin mit eigenem Tatinteresse und eigener Tatherrschaft agiert. Lediglich wegen des in ihrer Person fehlenden besonderen persönlichen Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht (§ 28 Abs. 1 StGB) sei sie als Teilnehmerin anzusehen und habe sich daher nur wegen Beihilfe zur Untreue in 141 Fällen strafbar gemacht.
- 8
- 2. Damit hat die Strafkammer das Konkurrenzverhältnis der der Angeklagten E. R. zuzurechnenden Beihilfehandlungen rechtlich unzutreffend beurteilt.
- 9
- a) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 – 3 StR 52/01, StV 2002, 73; Beschluss vom 24. Juli 2008 – 3 StR 243/08, StV 2009, 130). Hat ein Gehilfe, der an der unmittelbaren Tatausführung nicht beteiligt war, einen mehrere Einzeldelikte fördernden einheitlichen Tatbeitrag erbracht, werden ihm insoweit die jeweiligen Taten des Haupttäters nur als tateinheitlich begangen zugerechnet , weil sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob der Haupttäter die ihm zurechenbaren Taten tatmehrheitlich begangen hat, ist demgegenüber ohne Belang (BGH, jeweils aaO; SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl., § 52 Rn. 32 mwN).
- 10
- b) Gemessen daran sind die festgestellten Beiträge der Angeklagten zu den Taten ihres Ehemannes, des Mitangeklagten G. R. , zu einer Bei- hilfehandlung in 141 tateinheitlichen Fällen zusammenzufassen. Denn ihr Tatbeitrag , der sich in der Herstellung des Kontakts zwischen der Geschädigten und ihrem Ehemann, der Abfassung der Generalvollmacht und der Partizipation an den treuwidrig erlangten Geldern der Geschädigten B. erschöpfte, hat sich als einheitliche Beihilfehandlung zu den einzelnen Untreuehandlungen des Mitangeklagten G. R. ausgewirkt.
- 11
- 3. Da auszuschließen ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Taten führen, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil ausgeschlossen werden kann, dass sich die Angeklagte anders als geschehen verteidigt hätte.
- 12
- 4. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der für sich genommen rechtsfehlerfrei und schuldangemessen festgesetzten Einzelstrafen in den Fällen II. 1 bis 141 sowie der Gesamtstrafe. Die Feststellungen zu diesen Strafaussprüchen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
III.
- 13
- Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung der Strafaussprüche auf eine allein vom Angeklagten eingelegte Revision den Ausspruch über den Ausgleich einer bis dahin eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht erfasst; vielmehr bleibt es zu Gunsten des Angeklagten bei der vom Landgericht getroffe- nen Anordnung (BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 138).
Franke Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.