Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Sept. 2015 - 4 StR 364/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Die Angeklagte wurde am 6. März 2015 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Sie und ihr Verteidiger verzichteten ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nach Verkündung des Urteils auf eine Rechtsmittelbelehrung.
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- 1. Die Revision der Angeklagten gegen dieses Urteil ist unzulässig, weil sie erst am 23. März 2015 und damit verspätet eingelegt wurde (§ 341 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO).
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- 2. Ihr – rechtzeitiges – Wiedereinsetzungsgesuch hat keinen Erfolg, weil die Angeklagte nicht ohne eigenes Verschulden an der Fristwahrung gehindert war (§ 44 StPO).
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- a) Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Angeklagte in einer „Eidesstattlichen Versicherung“ vorgetragen, sie habe ihren Pflichtver- teidiger in Anwesenheit der Dolmetscherin mündlich unmittelbar nach Urteils- verkündung „angewiesen“, ein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil ein- zulegen; ihr Verteidiger habe diese eindeutige Weisung missachtet. Abgesehen davon, dass, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorhebt, die eigene eidesstattliche Versicherung eines Angeklagten kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung ist (SSW-StPO/Tsambikakis, § 45 Rn. 17 mwN), ist die in dieser Erklärung enthaltene Behauptung, auf die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags Bezug genommen wird, schon nach dem Inhalt der weiteren Unterlagen, die zur Glaubhaftmachung vorgelegt werden, als widerlegt anzusehen. Ausweislich der Erklärung der bei dem Gespräch zwischen der Angeklagten und ihrem Verteidiger anwesenden Dolmetscherin hat die Angeklagte diesem lediglich mitgeteilt, sie wolle „Berufung“ einlegen und einen „neuen Versuch starten“. Daraufhin habe ihr Verteidiger darauf hingewie- sen, man habe für die Entscheidung über die Einlegung der Revision noch ein paar Tage Zeit, sie könne es sich – auch vor dem Hintergrund der am selben Tag eingegangenen Nachricht vom Tode ihres Bruders – daher in Ruhe überlegen und ihn dann anrufen, um ihm ihre endgültige Entscheidung mitzuteilen. Die Angeklagte habe dies bestätigt und ergänzend um einen Rückruf des Verteidigers gebeten, sollte sie sich selbst – möglicherweise wegen der Notwendigkeit , sich wegen des Todesfalles vorrangig um ihre familiären Angelegenheiten zu kümmern – nicht am letzten oder vorletzten Tag der Einlegungsfrist bei ihm gemeldet haben. Bestätigt wird die sachliche Richtigkeit dieser Erklärung, die auch von der Angeklagten nicht in Frage gestellt wird, durch den Inhalt des ebenfalls vorgelegten Schreibens des Verteidigers an die Postanschrift der Angeklagten am Tag vor Fristablauf, in dem er u.a. darlegt, er habe mehrfach, letztmalig am selben Tage, vergeblich versucht, diese telefonisch zu erreichen, um – absprachegemäß – ihre Entscheidung über die Rechtsmitteleinlegung zu erfahren.
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- Danach kann keine Rede davon sein, dass die Frage der Einlegung eines Rechtsmittels unmittelbar nach der Urteilsverkündung verbindlich durch eine dahingehende Weisung der Angeklagten entschieden worden und ihr Pflichtverteidiger in der Folgezeit dieser Weisung abredewidrig nicht nachgekommen wäre. Vielmehr war die endgültige Entscheidung noch von einer entsprechenden Willensäußerung der Angeklagten abhängig.
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- b) Im Übrigen bewertet auch die neue Wahlverteidigerin der Angeklagten in ihrer Stellungnahme zu dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts das Ergebnis des Gesprächs unmittelbar nach Urteilsverkündung dahin, der Pflichtverteidiger habe auf den Wunsch der Angeklagten nach Einlegung der Revision „ausweichend“ geantwortet. Ein Angeklagter, der die definitive Zusage seines Verteidigers, ein Rechtsmittel einzulegen, noch nicht erhalten hat, kann aber während des Laufs der Einlegungsfrist nicht darauf vertrauen, dass dies gleichwohl geschieht (BGH, Beschluss vom 6. August 2009 – 3 StR 319/08, NStZ-RR 2009, 375; Tsambikakis aaO, § 44 Rn. 41).
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- c) Vor diesem Hintergrund geht auch die Auffassung der neuen Wahlverteidigerin der Angeklagten fehl, ihr damaliger Pflichtverteidiger hätte rein vorsorglich Revision einlegen müssen, da mangels telefonischer Erreichbarkeit der Angeklagten eine definitive Klärung über die Rechtsmitteleinlegung innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht erfolgen konnte. Gerade weil die Frage der Revisionseinlegung noch offen war, war es Sache der Angeklagten, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Verteidiger sie für eine Rücksprache erreichen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 1996 – 2 StR 426/96, NStZ 1997, 95). Dass die Angeklagte, der die Wochenfrist zur Einlegung der Revision ausweislich ihrer eigenen Erklärung bekannt war, angenommen haben könnte, diese Frist sei eine reine Bedenkzeit und umfasse nicht zugleich die für den rein technischen Vorgang der Einlegung des Rechtsmittels erforderliche Zeitspanne, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar war die Absendung des unter dem 12. März 2015 abgefassten, an die Postanschrift der Angeklagten in den Niederlanden gerichteten Schreibens ihres Pflichtverteidigers mit der Aufforderung, sich zur Frage der Einlegung der Revision nunmehr zu erklären, im Hinblick auf die am nächsten Tag ablaufende Frist ersichtlich verspätet und deshalb wenig sachdienlich. Das eigene Verschulden der Angeklagten wird dadurch aber nicht beseitigt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 299/12).
Bender Quentin
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(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.
(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.