Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2008 - 4 StR 353/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten Darius R. und seinen jüngeren Bruder, den Mitangeklagten Mindaugas R. , jeweils des gemeinschaftlich begangenen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der gemeinschaftlich begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig befunden und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und den Mitangeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Während der Senat die Revision des Mitangeklagten durch Beschluss vom heutigen Tage als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat, hat die Revision des Angeklagten Darius R. mit einer Verfahrensrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
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- 1. Die Revision beanstandet zu Recht die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Prozessverschleppung. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
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- Zu Beginn der Hauptverhandlung kam es auf Betreiben des Verteidigers des Mitangeklagten Mindaugas R. zu einem Verständigungsgespräch, in dessen Folge dieser Angeklagte über seinen Verteidiger ein Geständnis ablegte. Demgegenüber gab der Beschwerdeführer bis zum Schluss der Hauptverhandlung keine Erklärung ab und äußerte sich auch nicht zur Sache. Mit mehreren Beweisanträgen, die im Wesentlichen auf die Vernehmung von sogenannten Auslandszeugen gerichtet waren, versuchte die Verteidigung den Nachweis zu führen, dass sich der Angeklagte zur Tatzeit in Litauen aufgehalten habe. Nachdem sämtliche Beweisanträge von der Strafkammer zurückgewiesen worden waren, stellte der Verteidiger am letzten Hauptverhandlungstag den weiteren Beweisantrag, Lena F. , wohnhaft in G. , eine frühere Bekannte des Angeklagten, als Zeugin zum Beweis der Tatsache zu vernehmen , dass der Angeklagte am 21. März 2007 [Tatzeit hier war der Nachmittag des 20. März 2007] gemeinsam mit ihr mit einem Bus von Litauen nach Deutschland zurückgefahren sei. Diesen Antrag lehnte die Strafkammer mit folgender Begründung gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO wegen Prozessverschleppungsabsicht ab: "Nachdem der Angeklagte seit Mai 2007 in U-Haft sitzt, hat er am fünften Verhandlungstag durch Benennung eines Zeugen aus Litauen versucht, seine Anwesenheit in Litauen zum Tatzeitpunkt zu belegen. Heute hat er dazu zunächst einen weite- ren Zeugen aus Litauen benannt. Es ist nicht ersichtlich, warum erst am letzten Verhandlungstag um 17.10 Uhr nunmehr zu diesem Beweisthema eine Zeugin aus G. benannt wird und dies nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt ist, zumal es sich bei Frau F. um die Mittäterin des Angeklagten Darius R. aus seiner Vorstrafe wegen räuberischen Diebstahls handelt. Die Vernehmung der Frau F. würde zu einer nicht unerheblichen Verfahrensverzögerung führen, weil zumindest ein zusätzlicher Verhandlungstag anberaumt werden müsste".
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- Diese Begründung trägt die Ablehnung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO in objektiver Hinsicht zwei Voraussetzungen: Die verlangte Beweiserhebung kann nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen; darüber hinaus muss sie geeignet sein, den Abschluss des Verfahrens wesentlich hinauszuzögern; in subjektiver Hinsicht muss sich der Antragsteller der Nutzlosigkeit der Beweiserhebung bewusst sein und mit dem Antrag ausschließlich die Verzögerung des Verfahrensabschlusses bezwecken (vgl. BGHSt 51, 333, 336). Insoweit fehlt es in dem beanstandeten Beschluss aber bereits an jeglicher Darlegung, weshalb der Beweis nichts Entlastendes für den Beschwerdeführer erbringen könnte. Ebenso wenig ist dargetan, dass der Antragsteller - hier also der Verteidiger - sich der Nutzlosigkeit der Beweiserhebung bewusst war. Der späte Zeitpunkt der Antragstellung ist für sich allein kein ausreichendes Anzeichen für ein solches Bewusstsein (BGHSt aaO). Dies gilt schon deshalb, weil der Gesetzgeber ungeachtet der grundlegenden Bedeutung desBeschleunigungsgebots die Vorschrift des § 246 Abs. 1 StPO, nach der eine Beweiserhebung nicht deshalb abgelehnt werden darf, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei, nicht geändert hat. Das Bewusstsein der Nutzlosigkeit der beantragten Beweiserhebung folgt auch nicht ohne Weiteres aus dem "eher pauschalen" Geständnis des Anklagesachverhalts durch den Mitangeklagten Mindaugas R. und der Tatsache, dass in dem Pkw des Geschädigten S. eine Wollmütze gefunden wurde, die ausschließlich DNA des Beschwerdeführers aufwies. Denn der Beweisantrag diente gerade dazu, diese Beweisgrundlagen zu erschüttern.
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- Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht die Verurteilung des Beschwerdeführers. Denn trotz der gewichtigen für seine Tatbeteiligung sprechenden Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer insoweit Zweifel gehabt hätte, wenn die benannte Zeugin die Beweisbehauptung bestätigt hätte.
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- 2. Der Senat hebt deshalb das Urteil mit den Feststellungen auf, soweit es festgestellt hat, dass es sich bei dem Mittäter des Mitangeklagten Mindaugas R. um den Beschwerdeführer gehandelt hat. Nur insoweit sind die Feststellungen des angefochtenen Urteils durch die fehlerhafte Zurückweisung des Beweisantrags betroffen (§ 353 Abs. 2 2. Halbs. StPO). Die übrigen Feststellungen zum Tatgeschehen einschließlich der Rollenverteilung der beiden Täter bei den Taten beruhen dagegen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und können deshalb bestehen bleiben.
Athing Solin-Stojanović
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
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eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei.
(2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des Antragstellers so spät namhaft gemacht oder eine zu beweisende Tatsache so spät vorgebracht worden, daß es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen erforderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum Schluß der Beweisaufnahme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zweck der Erkundigung beantragen.
(3) Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte bei den auf Anordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen.
(4) Über die Anträge entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen.