Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2019 - 4 StR 34/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2 auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 17. Oktober 2018 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Damit ist die gegen die Kostenentscheidung des vorbezeichneten Urteils gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten gegenstandslos.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung vorbehalten.
- 2
- Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet; Schuld- und Strafausspruch sowie die Einziehungsentscheidung halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
- 3
- Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte am Tattag zur Filiale seiner Bank, weil es ihm am Vortag trotz Guthabens nicht gelungen war, an einem Geldautomaten Bargeld für einen Lebensmitteleinkauf abzuheben. Dabei führte er in seinem Rucksack ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 13 Zentimetern mit sich, mit dem er dafür Sorge tragen wollte, dass man „ihn in jedem Fall ernst“ nehme. Nachdem eine Mitarbeiterin festgestellt hatte, dass die gewünschte Abhebung infolge einer durch die Staatsanwaltschaft veranlassten Kontopfändung nicht möglich sei, beschwerte der Angeklagte sich lautstark und forderte wiederholt die sofortige Auszahlung von Bargeld. Er fühlte sich infolge des Verhaltens der Mitarbeiterin nicht ernst genommen, wurde zunehmend aggressiv , fluchte laut und stieß Drohungen aus. Die von der Angestellten unternommenen Versuche, den Angeklagten zu beruhigen, blieben ebenso erfolglos wie die Versuche des von ihr hinzugerufenen Filialleiters, die Situation zu befrieden. Die schließlich vom Filialleiter ausgesprochene Aufforderung, die Bankfiliale zu verlassen, da anderenfalls die Polizei gerufen werde, steigerte die Verärgerung des Angeklagten. Er holte schließlich das mitgeführte Küchenmesser aus seinem Rucksack hervor, hob dieses mit dem Griff nach oben drohend in die Höhe und erklärte, er werden den ersten Polizisten, der die Filiale betrete „abstechen“. Das Verlassen des Gebäudes durch den Filialleiter deutete der Angeklagte dahin, dass dieser Kunden und Angestellte in der Filiale zurück- lassen und sich selbst in Sicherheit bringen wolle, und er entschloss sich, „ein Zeichen zu setzen“. Der Angeklagte verließ die Filiale und lief – das Messer nunmehr am Griff in der rechten Hand haltend – auf den Filialleiter zu, um ihm damit in den Kopf- bzw. Halsbereich zu stechen. In Umsetzung dieses Tatentschlusses stach der Angeklagte aus dem Lauf heraus mit dem Messer in Richtung des Kopfes bzw. Halses des Geschädigten, der dem Stich durch eine seitliche Bewegung ausweichen konnte. Sodann schlug der Angeklagte den Geschädigten , wodurch dieser benommen zu Boden sank, sich jedoch rasch wieder erheben konnte. Nunmehr führte der Angeklagte erneut mit dem Messer eine Stichbewegung in Richtung des Kopfes bzw. Halses des Geschädigten aus und traf ihn an der linken Schläfe; dabei war ihm bewusst, dass er schwere, gegebenenfalls auch lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen könne; dies nahm er billigend in Kauf. Der Geschädigte erlitt hierdurch eine rund eineinhalb Zentimeter messende, oberflächliche Stichverletzung im Bereich der linken Gesichtshälfte sowie eine Jochbeinprellung. Dabei brach die Klinge des Messers ab, so dass der Angeklagte keine Möglichkeit mehr sah, sein Vorhaben zu verwirklichen.
- 4
- Der Aufforderung zweier Polizeibeamter, die den Angriff des Angeklagten auf den Filialleiter beobachtet hatten, das Messer wegzuwerfen, kam der Angeklagte nicht nach, sondern bewegte sich auf die Polizeibeamten zu. Daraufhin gab die Polizeibeamtin einen Schuss auf den Angeklagten ab und traf ihn ins Bein, wodurch der Angeklagte zu Boden fiel. Er konnte daraufhin festgenommen werden.
II.
- 5
- Die auf § 66a Abs. 2 StGB gestützte Maßregelanordnung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 6
- Zwar liegen – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – die formellen Voraussetzungen für die Anordnung des Vorbehalts der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung (§ 66a Abs. 2 Nr. 1 StGB) vor. Der Angeklagte ist wegen der verfahrensgegenständlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Jedoch halten die Erwägungen , mit denen das Landgericht die Wahrscheinlichkeit einer Hangtäterschaft (vgl. § 66a Abs. 2 Nr. 3 StGB) begründet hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 7
- 1. Das – wahrscheinliche – Vorliegen eines Hangs im Sinne eines gegenwärtigen Zustands ist vom Tatgericht auf der Grundlage einer umfassenden Vergangenheitsbetrachtung in eigener Verantwortung wertend festzustellen und in den Urteilsgründen nachvollziehbar darzulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2019 – 5 StR 476/18, juris Rn. 5 und vom 24. Mai 2017 – 1 StR598/16, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 5; Urteile vom 26. April 2017 – 5 StR572/16 Rn. 9, insoweit nicht abgedruckt in StraFo 2017, 246 und vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271; Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, NStZ-RR 2011, 272, 273). In diese umfassende Vergangenheitsbetrachtung sind alle bedeutsamen, für und gegen eine wahrscheinliche Hangtäterschaft sprechenden Umstände einzubeziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2017 – 4 StR 245/17, BGHR StGB § 66a Abs. 1 Nr. 3 nF Voraussetzungen
1).
- 8
- 2. An der erforderlichen umfassenden Vergangenheitsbetrachtung und einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren und lückenlosen Darlegung der für und gegen eine wahrscheinliche Hangtäterschaft sprechenden Umstände fehlt es.
- 9
- a) Das sachverständig beratene Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte – wahrscheinlich – einen Hang zur Begehung der Anlassverurteilung vergleichbarer, gegen Leib und Leben anderer gerichteter Taten habe, auf die Persönlichkeit des Angeklagten und – maßgeblich – auf den Umstand gestützt, dass er bereits im Jahr 2002 eine vergleichbare Straftat begangen hat. Im Hinblick auf seine Persönlichkeit hat es – dem Sachverständigen folgend – angenommen, dass es sich bei dem Angeklagten um einen „unkooperativen , wenig verträglichen, seiner Umwelt feindselig und misstrauisch entge- gentretenden Menschen“ handele, „der seine Meinung hartnäckig vertrete“, oh- ne diese kritisch zu hinterfragen. Darüber hinaus habe er bereits im Jahr 2002 einen Finanzbeamten körperlich angegriffen, nachdem dieser sich einer Forderung des Angeklagten widersetzt habe. Auch damals sei der Angeklagte zu- nächst „verbal ausgerastet“ undhabe sodann körperliche Gewalt angewendet, um seinem Willen Nachdruck zu verleihen.
- 10
- b) Diese Erwägungen sind lückenhaft. Das Landgericht hat nicht erkennbar bedacht, dass die zum Nachteil eines Finanzbeamten begangene und als symptomatisch angesehene Tat nunmehr bereits 16 Jahre zurückliegt. Dass der Angeklagte seither mit motivatorisch vergleichbaren Handlungen auffällig geworden ist, ist nicht ersichtlich.
- 11
- c) Darüber hinaus hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Hangprüfung eingestellt, dass der im Jahr 2007 aus dem Strafvollzug entlassene Angeklagte letztmals im Jahr 2011 wegen Körperverletzung straffällig geworden und deshalb zu einer Geldstrafe (40 Tagessätze zu je 10 EUR) verurteilt worden ist. Seither ist er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten.
- 12
- d) Schließlich hat das Landgericht nicht erkennbar in den Blick genommen , dass der seit seiner letzten Haftentlassung im Jahr 2007 in einer Obdach- losenunterkunft wohnende Angeklagte nach den Feststellungen ein „weitestge- hend unauffälliges, […] sehr geordnetes und nach seinen festen Regeln be- stimmtes Leben“ führte und sich – wie das Landgericht dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zugutegehalten hat – aufgrund der durch die Staatsanwaltschaft veranlassten Kontopfändung zur Tatzeit in einer „finanziellen Notlage“ befand. Diese Umstände hätten in die Hangprüfung ein- gestellt und Anlass zur Prüfung der Frage geben müssen, ob die Anlasstat Ausnahmecharakter trägt. Hierzu hätte nicht zuletzt auch deshalb Anlass bestanden , weil der von der Strafkammer hinzugezogene Sachverständige im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose ausgeführt hat, dass „gewalttätiges Ver- halten […] kein habituell in seiner Persönlichkeit verankertes Mittel zur Durch- setzung des eigenen Willens“ darstelle.
- 13
- Ungeachtet des von der Kammer gezeichneten Persönlichkeitsbildes und der Äußerungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung, jederzeit wieder so handeln zu wollen, führen die aufgezeigten Erörterungsmängel zur Aufhebung des Maßregelausspruchs mit den zugrundeliegenden Feststellungen.
- 14
- Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
RiBGH Dr. Feilcke Bartel ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn
- 1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird, - 2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und - 3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.
(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn
- 1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird, - 2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und - 3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.
(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn
- 1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die - a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet, - b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder - c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und - 4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.
(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.
(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.
(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn
- 1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird, - 2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und - 3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.
(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn
- 1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird, - 2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und - 3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.
(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.