Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2008 - 4 StR 246/08

published on 25/06/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2008 - 4 StR 246/08
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 246/08
vom
25. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Juni 2008 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 24. September 2007 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten in dessen Anwesenheit am 24. September 2007 wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung sowie ferner wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Im Anschluss an die Urteilsverkündung erklärte der Angeklagte nach Rechtsmittelbelehrung, dass er auf Rechtsmittel gegen das soeben verkündete Urteil verzichte. Die Erklärung wurde vorgelesen und genehmigt. Die Verteidiger des Angeklagten und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten ebenfalls Rechtsmittelverzicht.
2
Nunmehr hat der Angeklagte mit persönlichem Schreiben vom 31. März 2008 entsprechend seiner dem Schreiben beigefügten "Eidesstattlichen Versicherung" den Rechtsmittelverzicht widerrufen und zur Begründung ausgeführt, seine Anwälte hätten den Rechtsmittelverzicht sowie sein angebliches Geständnis "durch Erpressung, Nötigung, Mobbing u.a." ohne seine Zustimmung für ihn abgegeben.
3
Der Senat wertet das Schreiben des Angeklagten vom 31. März 2008 als Revisionseinlegung. Das Rechtsmittel erweist sich indes als unzulässig.
4
Die Unzulässigkeit folgt allerdings nicht bereits aus dem vom Angeklagten im Anschluss an die Urteilsverkündung erklärten Rechtsmittelverzicht. Denn dieser Rechtsmittelverzicht war nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht wirksam, da dem Urteil eine Urteilsabsprache zu Grunde lag, ausweislich des Sitzungsprotokolls aber die erforderliche qualifizierte Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist (BGHSt - GS - 50, 40 f.). Die Revision ist jedoch unzulässig, da sie verspätet, nämlich nach Ablauf der Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO eingelegt wurde. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt : "Ist eine gebotene qualifizierte Belehrung unterblieben und deshalb der Rechtsmittelverzicht des Verurteilten nicht wirksam erfolgt, kann er zwar noch Rechtsmittel einlegen, allerdings nur innerhalb der Rechtsmitteleinlegungsfrist (BGH, Beschluss vom 12.07.2006 - 1 StR 158/06; BGH, Beschluss vom 26.10.2005 - 1 StR 435/05; BGH, Beschluss vom [19.]04.2005 - 5 StR 586/04; BGH, Beschluss vom 11.05.2005 - 5 StR 124/05). Einer unbefristeten Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen , steht entgegen, dass die Frage der Rechtskraft durch eine klare Fristenregelung eindeutig geklärt sein muss und durch die Rechtsmitteleinlegungsfrist geklärt ist. Der Rechtsmittelberechtigte , der einen Rechtsmittelverzicht erklärt, nachdem ihm die Rechtsmittelbelehrung ohne qualifizierte Belehrung erteilt wurde, darf nicht besser stehen, als derjenige, der keinen Rechtsmittelverzicht erklärt hat (BGHSt 50, 40, 62). Verspätungsgründe, die eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ermöglichen könnten, sind nicht gegeben. Auch käme ei- ne Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Rechtsmitteleinlegung gemäß § 44 Satz 1 StPO - die hier nicht beantragt wurde - deshalb nicht in Betracht, weil einerseits die gesetzliche Vermutung des § 44 Satz 2 StPO für die unterbliebene qualifizierte Belehrung nicht zur Anwendung kommt (BGH, Beschluss vom 20.09.2005 - 5 StR 354/05). Andererseits konnte der Angeklagte nicht glaubhaft machen (§ 45 Abs. 2 StPO), dass er aufgrund unstatthafter Einwirkungen auf Rechtsmittel verzichtet und ein solches daher nicht fristgerecht eingelegt hat, weil er sich unverschuldet zu Unrecht daran gebunden hielt. Die Richtigkeit des Vorbringens des Angeklagten zum Zustandekommen des Rechtsmittelverzichts ergibt sich weder aus dem Urteil noch aus dem Hauptverhandlungsprotokoll. Der Vorsitzende Richter und der beteiligte Staatsanwalt sind den Behauptungen des Verurteilten ausdrücklich entgegengetreten. Die als Anlage zum Schreiben vom 31.03.2008 vorgelegte eidesstattliche Versicherung belegt den beanstandeten Vorgang ebenfalls nicht (vgl. dazu Meyer-Goßner, [StPO 51. Aufl.], § 45 Rdnr. 8/9)".
5
Dem stimmt der Senat zu (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. Juni 2008 - 4 StR 207/08).
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.