Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2017 - 4 StR 128/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 7 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 15. Mai 2017 im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, wird die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe in diesen Fällen als Täter und nicht nur als Gehilfe gehandelt, von den dazu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen.
II.
- 3
- Indes begegnet die Verurteilung des Angeklagten als Täter des unerlaubten Handeltreibens im Fall II. 8 der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 4
- 1. a) Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich danach, wie im vorliegenden Fall, die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375 mwN). Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, bedarf es für die Annahme von Täterschaft regelmäßig der Feststellung weiterer Umstände, beispielsweise erheb- licher, über den reinen Transport hinausgehender Tätigkeiten, unmittelbarer Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgifts oder eines eigenen wirtschaftlichen Interesses am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts (Senatsbeschluss aaO). Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts kann für die Annahme von Mittäterschaft sprechen, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, des Kaufgeldes oder des Verkaufserlöses beschränkt ist. Entsprechendes gilt für eine anderweitige, über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 223 f.; Senatsbeschluss aaO, jeweils mwN).
- 5
- b) Gemessen daran ist im Fall II. 8 der Urteilsgründe eine täterschaftliche Begehungsweise des Angeklagten nicht festgestellt. Der Tatbeitrag des Angeklagten beschränkte sich vielmehr darauf, im Auftrag seines Bruders eine von dem gesondert verfolgten E. vorbestellte Menge von 9,807 GrammKokain mit einem Wirkstoffanteil von 99,4 % gegen Zahlung einer Provision in unbekannt gebliebener Höhe auszuliefern. Der Transport des Rauschgifts erfolgte aus der vom Angeklagten und seinem Bruder genutzten Wohnung in der Innenstadt von D. zu einem vorher vereinbarten Treffpunkt in deren Nähe. Weitere Feststellungen zur Einbindung des Angeklagten in dieses Drogengeschäft und zu ihm möglicherweise verbliebenen Handlungsspielräumen bei dessen Durchführung sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.
- 6
- 2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Tateinheitlich zur Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat der Angeklagte den Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der umfassend geständige Angeklagte anders als geschehen verteidigt hätte.
- 7
- 3. Vor dem Hintergrund der vom Landgericht festgestellten Tatserie und mit Blick auf die im Fall II. 8 der Urteilsgründe verhängte Mindeststrafe von einem Jahr kann der Senat ferner ausschließen, dass der geänderte Schuldspruch eine Auswirkung auf die Bemessung der Rechtsfolgen gehabt hätte.
Quentin Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.