Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2012 - 4 StR 272/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Entgegen der Annahme des Landgerichts hat sich der Angeklagte durch sein Verhalten nur der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig gemacht.
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- a) Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 445/10, StV 2012, 287, 288; Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 ff.; Beschluss vom 7. August 2007 – 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Urteil vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NJW 2008, 1460; Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 5 StR 345/08, NStZ 2009, 392). Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Trans- port von Betäubungsmitteln, besteht in der Regel auch dann keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit, wenn Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben, sodass von einer Beihilfe auszugehen ist (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 223; Beschluss vom 30. März 2007 – 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246, 247; Beschluss vom 21. November 2007 – 2 StR 468/07, NStZ 2008, 285). Anderes kann gelten , wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in die- sem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Betäubungsmittel sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 – 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219; Beschluss vom 30. März 2007 – 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324; Beschluss vom 7. August 2007 – 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40).
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- b) Danach wird eine täterschaftliche Begehungsweise von den Feststellungen nicht belegt. Die Tätigkeit des Angeklagten war darauf beschränkt, auf Anweisung seiner Hinterleute der von ihm angeworbenen Kurierfahrerin den Auftrag zu erteilen, nach Spanien zu fahren und dort Kokain aufzunehmen. Dabei stellte er das Geld für die Anmietung des Transportfahrzeuges aus Mitteln bereit, die er zuvor zu diesem Zweck von seinen Auftraggebern erhalten hatte. Während der Fahrt nach Spanien war der Angeklagte für die Kurierfahrerin stets telefonisch erreichbar. Nach ihrer Ankunft in Madrid benachrichtigte er die Betäubungsmittellieferanten, die daraufhin Kontakt zu der Kurierfahrerin aufnahmen. Nach der Übernahme der zu transportierenden Betäubungsmittel dirigierte er die Kurierfahrerin zu den Zielorten in England oder Italien und stellte auch dort den Kontakt zu den Abnehmern her. Im Anschluss an die Übergabe der transportierten Betäubungsmittel kehrte die Kurierfahrerin zu dem Angeklagten zurück und überbrachte ihm die für ihn bestimmte "Entlohnung". Aus dem dargestellten Ablauf ergibt sich, dass der Angeklagte keinen Einfluss auf Art und Menge der zu transportierenden Betäubungsmittel hatte und auch nicht bestimmen konnte, ob und wann ein Transport stattfindet. An der Preisgestal- tung und den Zahlungsströmen war er offenkundig nicht beteiligt. Für entstehende Kosten verwendete er zweckgebunden überlassene Mittel seiner Auftraggeber. Die ihm verbleibenden Handlungsspielräume bei der Auswahl der Kurierfahrerin sowie ihrer Anleitung und Überwachung waren auf den Transportvorgang beschränkt.
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- 2. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen verteidigen konnte.
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- 3. Der Senat kann ausschließen, dass die Schuldspruchänderung eine Auswirkung auf die am Erziehungsgedanken orientierte Bemessung der sehr maßvollen Jugendstrafe gehabt hätte.
Quentin Reiter
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
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sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.