Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2000 - 3 StR 84/00

published on 07/06/2000 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2000 - 3 StR 84/00
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 84/00
vom
7. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. Juni 2000 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. August 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und ein sichergestelltes Handy eingezogen. Mit der Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.
I. Nach den Feststellungen gehörte der Angeklagte zu den Hintermännern eines gescheiterten Rauschgiftgeschäftes, bei dem 30 kg Heroin und 1 kg Kokain für 670.000 DM an die polizeiliche Vertrauensperson B. v erkauft werden sollten. Nach deren Angaben kam es zu zahlreichen Treffen, bei denen für die Verkäuferseite unterschiedliche Personen tätig wurden. Der Angeklagte soll an fünf solcher Treffen teilgenommen und dabei neben weiteren im einzelnen dargestellten Handlungen die Vertrauenswürdigkeit des Scheinaufkäufers
B. überprüft und seine Beteiligung an dem geplanten Geschäft mit zunächst 10 bis 12 kg, dann mit 8 kg Heroin angegeben haben.
II. Die Beweiswürdigung unterliegt durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des nicht vorbestraften , die Tat bestreitenden Angeklagten auf die Angaben der Vertrauensperson , die diese gegenüber ihrem Führungsbeamten KHK E. in einer Vernehmung zwei Monate nach der Tat und in vier weiteren Nachvernehmungen während der Zeit der Hauptverhandlung gemacht und die dieser als Zeuge in der Hauptverhandlung wiedergegeben hat. Von der Glaubwürdigkeit der Vertrauensperson konnte sich die Strafkammer nicht unmittelbar selbst überzeugen , weil der zuständige Innenminister eine Sperrerklärung abgegeben hatte.
Das Urteil muß schon deshalb aufgehoben werden, weil der Tatrichter bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Vertrauensperson einen rechtlich fehlerhaften Maßstab angelegt hat. Die Strafkammer hat die bestreitende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen durch die Angaben der Vertrauensperson , die durch eine "Vielzahl von Kriterien" gestützt würden und bei denen "sich im Laufe der Hauptverhandlung in keinem einzigen Punkt das Gegenteil zu der Darstellung der Vertrauensperson herausgestellt" habe (UA S. 22). In den im Laufe der Hauptverhandlung erforderlich gewordenen Nachvernehmungen , die "zu Modifikationen der Schilderung und ihrer Ergänzung durch zahlreiche Details geführt" habe, sei die Vertrauensperson "in keinem Punkt völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt" (UA S. 19). Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Angaben der Vertrauensperson "nicht durch andere Beweismittel widerlegt worden" seien (u.a. UA S. 23, 25), andere
Beweismittel diesen ihren Angaben nicht entgegenstehen (UA S. 26, 27) oder ihre Richtigkeit in Frage stellten (UA S. 32). Damit ist den Anforderungen der Rechtsprechung an die Glaubwürdigkeitsüberprüfung einer Vertrauensperson nicht Genüge getan.
1. Zwar werden die Angaben der Vertrauensperson teilweise durch andere Beweismittel gestützt. Diese anderen Beweismittel betreffen jedoch nicht die Tatbeteiligung des Angeklagten, sondern Mitangeklagte und andere anderweitig verfolgte Tatverdächtige, die, so die früheren Mitangeklagten H. und Ha. , in Abrede gestellt haben, den Angeklagten zu kennen, oder bei denen dahinstehen könne (UA S. 31), ob sie den Angeklagten persönlich kennengelernt hätten.
Damit fehlt es an Beweismitteln, die die Aussage der Vertrauensperson einerseits in bezug auf seine Wahrnehmungen von der Tatbeteiligung des Angeklagten , andererseits von der Zugehörigkeit des Angeklagten zur Personengruppe der Verkäuferseite bestätigen.
2. In dieser besonderen Beweissituation darf die Strafkammer sich bei der Bildung ihrer Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten nicht darauf beschränken, festzustellen und im einzelnen zu begründen, daß und warum sie die Angaben der Vertrauensperson durch die Beweisaufnahme nicht für widerlegt erachtet. Vielmehr muß sie nachprüfbar darlegen, daß die nach ihrer Beurteilung glaubwürdigen Angaben der Vertrauensperson durch ein oder mehrere andere Beweismittel, die auf eine Tatbeteiligung des Angeklagten hinweisen, ihre Bestätigung finden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen
besondere Vorsicht geboten. Handelt es sich bei den von dem Vetrauensperson -Führer bezeugten Angaben um diejenigen eines anonymen Gewährsmanns , so darf darauf eine Feststellung regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn diese Angaben durch andere wichtige Beweisanzeichen bestätigt worden sind (BGHSt 42, 15, 25; 39, 141, 145 f.; 36, 159, 166 ff.; BVerfG NStZ 1995, 600 - jew. m. w. Nachw.).
III. Darüber hinaus leidet das Urteil an einem durchgreifenden Darstellungsmangel.
Das Urteil teilt nachvollziehbar mit, daß im Laufe der Hauptverhandlung Nachvernehmungen der Vertrauensperson erfolgen mußten, weil die Vertrauensperson bei ihrer Ursprungsvernehmung nicht wissen konnte, welche Punkte des sehr umfangreichen Sachverhalts, den sie schilderte, besondere Wichtigkeit erlangen könnten (UA S. 18). Im Anschluß daran heißt es: "Dies hat zu Modifikationen der Schilderung und ihrer Ergänzung durch zahlreiche weitere Details geführt, jedenfalls ist die Vertrauensperson in keinem Punkt völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt" (UA S. 19). Sodann nimmt das Landgericht eine umfangreiche Beweiswürdigung vor, ohne indes deutlich zu machen , inwieweit es sich dabei um Modifikationen oder Ergänzungen handelte und welche Beweistatsache gemeint war, bei der die Vertrauensperson nicht völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt ist. In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf die in BGHSt 36, 159, 166, 167 niedergelegten Grundsätze. Angesichts der dargelegten Besonderheit der Beweisaufnahme kann das Revisionsgericht nicht nachprüfen, ob das Landgericht die Beweise rechtsfehlerfrei gewürdigt hat.
IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Die Revision rügt einen Verstoß gegen §§ 249, 251 und 244 Abs. 2 StPO, weil der Vorsitzende die Einführung von Teilen der Vernehmung der Vertrauensperson im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO angeordnet hat, ohne - was sich aus der Sitzungsniederschrift auch nicht ergibt - zu kontrollieren , ob die Schöffen von dem Inhalt dieser Vernehmungsprotokolle auch tatsächlich Kenntnis genommen haben. Damit liegt ein Verstoß gegen § 249 Abs. 2 StPO vor, weil der Vorsitzende feststellen muß, daß die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Schriftstücke Kenntnis genommen haben. Diese Feststellung ist gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO im Protokoll zu vermerken. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO. Da schon die Sachrüge durchgreift, kann der Senat die Frage offen lassen , ob auf diesem Verfahrensverstoß das Urteil beruht.
2. Das Landgericht hat das Beweisbegehren auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, daß es unmöglich ist, zwischen 21.07 Uhr und 23.58 Uhr am gleichen Abend die Strecke Neuss, Further Straße und Frankfurt-Innenstadt und zurück mit einem schnellen Auto unter optimalen Verkehrsbedingungen zurückzulegen, als Beweisantrag behandelt und diesen als ohne Bedeutung zurückgewiesen, da keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß das von der Vertrauensperson geschilderte Treffen in Frankfurt Innenstadt stattgefunden habe (Verfahrensrüge Nr. 17). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift fehlt es bei diesem Antrag nicht schon an der erforderlichen Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung (vgl. dazu BGHSt 43, 321, 329 f. m.w.Nachw.), da dem Antrag entnommen werden kann, daß durch das Be-
weismittel bewiesen werden sollte, daß der Angeklagte in dem angegebenen Zeitraum nicht an einem Treffen in Frankfurt teilgenommen haben konnte.
Entsprechendes gilt für die Verfahrensrügen Nr. 18 und 19.
3. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Generalbundesanwalts, daß die Verfahrensrügen Nr. 24 bis 29 - in denen die Nichtverwertung aufgezeichneter und in der Hauptverhandlung abgehörter Telefongespräche zwischen dem Angeklagten und der Vertrauensperson, aufgezeichnete und als Urkunden verlesene Telefonate und als Urkunden verlesene Aussagen der Vertrauensperson beanstandet wird - keine verfahrensrechtlichen Verstöße belegen, sondern im Rahmen der Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge berücksichtigt werden müssen. Denn dem Revisionsführer darf nicht die Möglichkeit genommen werden, sein Rechtsmittel auf Verfahrensvorgänge zu stützen, die in den Urteilsgründen nicht behandelt werden.
4. Der Strafausspruch begegnet ebenfalls Bedenken. Die angesichts der gegen den nicht vorbestraften Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe von neun Jahren sehr knappen und meist formelhaften Strafzumessungsgründe lassen nicht erkennen, ob der Tatrichter alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei gewürdigt und gegeneinander abgewogen hat. Im vorliegenden Fall hätte zudem ein Eingehen auf die Höhe der Strafen der Mitangeklagten nahegelegen, die trotz erheblich gewichtigerer Tatbeiträge, insbesondere trotz Fortführung des gescheiterten
Rauschgiftgeschäfts sowie weiterer Rauschgiftdelikte zu erheblich niedrigeren Freiheitsstrafen verurteilt worden sind (vgl. dazu BGHR StGB § 46 Zumessungsfehler 1; Wertungsfehler 23).
VRiBGH Kutzer ist krank RiBGH Dr. Rissing-van Saan ist Miebach und kann daher nicht in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. unterschreiben. Winkler Winkler Winkler von Lienen
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
3 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 09/05/2012 00:00

5 StR 41/12 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 9. Mai 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Mai 2012 beschlossen: Auf die Revisio
published on 26/01/2005 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 523/04 vom 26. Januar 2005 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2005 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts K
published on 30/08/2000 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 85/00 vom 30. August 2000 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August 2000, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des Bund
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.