Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2015 - 3 StR 543/14

published on 08/01/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2015 - 3 StR 543/14
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 4 3 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
8. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 7. August 2014 aufgehoben; die objektiven Feststellungen zu den Anlasstaten bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Beleidigung, versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet die Angeklagte spätestens seit 2002 an einer Schizophrenie, die bei ihr zu massiven Wahnvorstellungen geführt hat. Die Angeklagte ist der Überzeugung, ihre Mutter und deren Lebensgefährte würden sie um ihr väterliches Erbe betrügen. Sie habe eine Erbschaft in Höhe von 400.000 € erlangt. Hierzu gehöre auch das Weingut der Familie. Tatsächlich ist ihr dieses Weingut bereits 1996 übertragen worden. Sie war indes krankheitsbedingt zur ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in der Lage. Wegen finanzieller Schwierigkeiten musste der Betrieb Ende des Jahres 2002 verlustbringend veräußert werden. Obwohl seit 2002 arbeitslos, behauptet die Angeklagte, sie sei erfolgreich beruflich tätig. Aufgrund dieser Fehlvorstellungen wurde die Angeklagte in der Vergangenheit gegenüber Familienangehörigen aggressiv. Sie forderte von ihnen fortdauernd "finanzielle Zuwendungen aus der ihr nach ihrer Vorstellung zustehenden Erbschaft ein und versuchte, diese Forderungen auch regelmäßig durch verbale Drohungen sowie körperliche Gewalt durchzusetzen" (UA S. 7).
3
Gegenstand der Verurteilung sind vier Übergriffe im ersten Halbjahr 2013. Die Angeklagte trat den Lebensgefährten ihrer Mutter mit den Füßen in den Unterleib und beleidigte ihn (Fall II. 1); sie forderte - teilweise unter Beschimpfungen - von ihrer Mutter zweimal vergeblich Geld und drohte ihr dabei, sie werde sie ansonsten töten (Fälle II. 2 und 3). Zuletzt überfiel sie ihre Mutter, würgte diese am Hals und drückte sie schmerzhaft mittels eines Torflügels gegen die Hauswand. Sie versuchte, der Mutter einen wertvollen Brillantring vom Finger zu reißen, was ihr wegen der Gegenwehr und des Hinzutretens des Lebensgefährten nicht gelang (Fall II. 4).
4
Das Landgericht hat sachverständig beraten festgestellt, dass bei der Angeklagten zu den Tatzeitpunkten jeweils krankheitsbedingt eine allgemeine aggressive Verstimmung, eine erhebliche Antriebssteigerung mit einer deutlich erhöhten Reaktionsbereitschaft im Rahmen sozialer Interaktionen und wahnhafte Gedankeninhalte vorlagen. Insbesondere in den Fällen II. 2 bis 4 sei "die wahnhafte Vorstellung der Angeklagten, sie solle um ihr Erbe betrogen werden und ihr stünden erhebliche Geldansprüche gegen die Zeugin A. [die Mutter] zu, bestimmendes Motiv ihres Handelns" gewesen (UA S. 15). Es ist deshalb von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ausgegangen.
5
2. Die Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Geschehen beruhen auf einer fehlerfreien Beweiswürdigung. Auch die Beurteilung der Taten als solche der mittleren Kriminalität und deshalb bei Wiederholungsgefahr ausreichend für die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
6
3. Schuld- und Rechtsfolgenausspruch können indes nicht bestehen bleiben, weil die Annahme von - wenn auch eingeschränkt - erhalten gebliebener Schuldfähigkeit angesichts des festgestellten psychischen Zustands und der Tatmotivation der Angeklagten nicht belegt ist.
7
Schizophrenie ist eine Bezeichnung für eine Gruppe psychischer Erkrankungen , die durch charakteristische Störungen des Denkens, des Antriebs, der Wahrnehmung, der Affektivität, des Ich-Erlebens und des Verhaltens gekennzeichnet sind (vgl. hierzu und zum Folgenden Kröber/Lau in Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 2, S. 312 f., 327 ff.). In ihrer häufigsten Erscheinungsart, der paranoid- halluzinatorischen Form, ist die Schizophrenie mit wahnhaften Vorstellungen und - zumeist akustischen - Halluzinationen verbunden. Eine akute psychotische Symptomatik im Sinne einer exazerbierten schizophrenen Psychose geht mit einer Aufhebung der Fähigkeit zur Realitätswahrnehmung und zur Realitätsprüfung und einer massiven Veränderung grundlegender Denkfunktionen einher. Die Realitätswahrnehmung kann dabei so tiefgreifend verändert sein, dass die Einsichtsfähigkeit in das Rechtswidrige des Handelns nicht mehr gegeben ist.
8
Das Landgericht hat die Wahnvorstellungen der Angeklagten für drei der Taten als handlungsleitend eingeschätzt. Gleiches liegt auch für die vierte Tat nicht fern, da der Lebensgefährte der Mutter in das Wahnsystem der Angeklagten einbezogen war. Es ist deshalb möglich, dass die Erkrankung der Angeklagten bereits deren Einsichtsfähigkeit in das Unrecht der Taten erheblich vermindert oder gar ausgeschlossen hat. Hiermit hätte sich die Strafkammer auseinandersetzen müssen. Da Schuldunfähigkeit der Angeklagten bei den Taten nicht auszuschließen ist, muss über den Schuldspruch und die gesamten Rechtsfolgen der Taten erneut entschieden werden.
9
Die objektiven Feststellungen zu den einzelnen Taten können bestehen bleiben.
10
4. Der neue Tatrichter wird zu erwägen haben, ob er mit der Begutachtung einen anderen Sachverständigen beauftragt. Für den Fall, dass er erneut zur Annahme von (eingeschränkter) Schuldfähigkeit gelangt, macht der Senat darauf aufmerksam, dass die Strafrahmenbestimmung bei § 223 StGB im angegriffenen Urteil (UA S. 16 und 17) ebenso rechtsfehlerhaft ist wie die strafschärfende Würdigung fehlender Reue (UA S. 18) bei einer die Taten bestrei- tenden Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 589/13, NStZ 2014, 396, 397).
Becker Pfister Hubert
Mayer Gericke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.