Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Jan. 2010 - 3 StR 508/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten T. , V. Ö. und I. Ö. wegen gemeinschaftlicher Nötigung, den Angeklagten T. auch wegen eines tateinheitlich hinzutretenden "Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Nr. 1 Waffengesetz", zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten V. Ö. und I. Ö. führen zu deren Freispruch; ihre Rechtsmittel sind, ebenfalls mit der Folge des Freispruchs, auf den nicht revidierenden Angeklagten T. zu erstrecken.
- 2
- 1. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen keine Verurteilung der Angeklagten V. Ö. , I. Ö. und T. wegen (gemeinschaftlicher ) Nötigung.
- 3
- a) Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte T. , der ein Lokal in D. betreibt, sah sich seit einiger Zeit Schutzgeldforderungen einer Bande ausgesetzt, der auch der Mitangeklagte C. angehörte. Obwohl die Bande schon im Jahre 2006 das Lokal verwüstet und so dessen längere Schließung verursacht hatte, lehnte der Angeklagte T. Schutzgeldzahlungen ab. C. war deshalb entschlossen, den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Zusammen mit sechs weiteren Personen begab er sich am 9. Februar 2008 gegen 04.30 Uhr in das Lokal, um "den Angeklagten T. durch das demonstrative Auftreten mit mehreren Begleitern einzuschüchtern und dadurch zu veranlassen, zukünftige Schutzgeldforderungen der Bande zu erfüllen." C. begrüßte den Angeklagten T. mit Handschlag, ließ dessen Hand aber nicht mehr los, sondern zog ihn zu sich heran und forderte ihn auf, an den Tisch der Gruppe zu kommen, weil er etwas mit ihm zu bereden habe. Der Angeklagte T. erkannte, dass er wiederum wegen der Zahlung von Schutzgeld unter Druck gesetzt werden sollte, und entgegnete, er habe mit ihm, C. , nichts zu bereden. Gleichwohl hielt C. den Angeklagten T. weiter an der Hand fest. Dieser riss sich schließlich los und schrie auf türkisch "raus!", worauf ihm C. mit beiden Händen gegen die Brust stieß. Da der Angeklagte T. nun eine weitere Eskalation befürchtete, entschloss er sich, C. und seine Gruppe aus dem Lokal zu vertreiben. Hierzu zog er eine Pistole und gab mehrere Warnschüsse gegen die Decke ab. Die in seiner Nähe stehenden Angeklagten V. Ö. und I. Ö. wollten ihn unterstützen und begannen ihrerseits zu schießen, teils mit scharfen, teils mit Schreckschusswaffen. Verfolgt von den drei Angeklagten flüchteten C. und seine Begleiter daraufhin aus dem Lokal. Im Verlauf dieses Geschehens erlitten C. und zwei seiner Begleiter Schussverletzungen, ein weiterer eine Stichverletzung, die aber nicht lebensgefährlich waren.
- 4
- Feststellungen dazu, wer dem Mitangeklagten C. und seinen Begleitern die Verletzungen zufügte, hat das Landgericht nicht treffen können. Es hat auch nicht feststellen können, dass die Angeklagten T. , V. Ö. und I. Ö. damit rechneten, einer von ihnen werde zur Durchsetzung des gemeinsamen Ziels, die Gruppe um C. zu vertreiben, eine Waffe auch gegen eine Person einsetzen.
- 5
- b) Danach haben die Angeklagten den Mitangeklagten C. und seine Begleiter zwar durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Verlassen des Lokals genötigt. Jedoch war, was das Landgericht zu prüfen versäumt hat, das Handeln der Angeklagten als Notwehr bzw. Nothilfe nach § 32 StGB gerechtfertigt. Die in der Abgabe von Warnschüssen liegende Androhung des Schusswaffengebrauchs war erforderlich und geboten, um jedenfalls die andauernde Verletzung des Hausrechts des Angeklagten T. durch den Mitangeklagten C. und seine Begleiter zu beenden. Diese hatten das Lokal betreten, um den Angeklagten T. einzuschüchtern und zu Schutzgeldzahlungen gefügig zu machen; ihre Gewaltbereitschaft lag angesichts des Vorfalls im Jahre 2006 nahe. Der nachdrücklichen Aufforderung, sich aus dem Lokal zu entfernen, leistete der Mitangeklagte C. keine Folge, sondern griff den Angeklagten T. tätlich an. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn sich die Angeklagten nicht auf Warnschüsse beschränkt, sondern gezielte Schüsse gegen die Person zumindest billigend in Kauf genommen hätten, braucht der Senat nicht zu erörtern, denn dies konnte das Landgericht nicht feststellen.
- 6
- 2. Die Rechtsmittel der Angeklagten V. Ö. und I. Ö. sind nach § 357 StPO auf den nicht revidierenden Angeklagten T. zu erstrecken, da das Urteil, soweit es ihn betrifft, auf demselben sachlich-rechtlichen Fehler beruht. Dies gilt auch für seine Verurteilung wegen eines in Tateinheit zur Nöti- gung stehenden "Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Nr. 1 Waffengesetz". Insoweit liegt dem Schuldspruch die Feststellung zu Grunde, dass der Angeklagte "mit einer von ihm geführten Schusswaffe" mehrere Schüsse in Richtung der Decke des Lokals abgab. Bleibt aber der Gebrauch der Schusswaffe straflos, weil das Handeln des Täters entschuldigt oder - etwa wie hier durch Notwehr - gerechtfertigt ist, entfällt auch die Strafbarkeit wegen des Führens der Waffe, soweit es mit diesem Geschehen unmittelbar zusammenfällt (BGH NStZ 1981, 299; 1999, 347). Dass der Angeklagte die Schusswaffe über die Verwendung zur Verteidigung seines Hausrechts hinaus geführt oder besessen hat, ist weder festgestellt noch Gegenstand der Anklage.
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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.