Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2012 - 3 StR 411/12

published on 13/11/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2012 - 3 StR 411/12
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 411/12
vom
13. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
13. November 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 5. Juli 2012 aufgehoben,
a) im Fall III. 6. der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen sowie in den Fällen III. 7. bis 10. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Serie von Sexualdelikten zum Nachteil verschiedener Kinder zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entschei- dungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall III. 6. der Urteilsgründe hält die Verurteilung wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Angeklagte an dem 13 Jahre alten Jan-Hendrik den Analverkehr ausüben. Er schob die Unterhose des vor ihm knienden Kindes beiseite und berührte zuerst mit seinem Glied dessen Gesäß. "Anschließend versuchte er, sein Glied in den After des Jungen einzuführen, was ihm jedoch nicht gelang, weil der Junge Schmerzen verspürte" (UA S. 5). Ob der Angeklagte in dieser Situation aus Rücksicht auf das Opfer von der weiteren Tatbegehung Abstand nahm oder ob er sein Vorhaben als gescheitert ansah mit der Folge, dass ihm ein strafbefreiender Rücktritt nicht mehr möglich war, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Eine solche Erörterung wäre indes hier geboten gewesen.
4
Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv - sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen - die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Hält er dagegen die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich , wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 338/10 bei Pfister NStZ-RR 2010, 361 Nr. 23 mwN).
5
Was den Angeklagten veranlasst hat, die Tatausführung abzubrechen, bedarf erneuter Prüfung durch den Tatrichter und der Darlegung in den Urteilsgründen. Die Aufhebung erfasst auch das in Tateinheit stehende vollendete Delikt nach § 176 Abs. 1 StGB.
6
2. In den Fällen III. 7. bis 10. der Urteilsgründe hat das Landgericht nicht festgestellt, dass der Angeklagte mit der Möglichkeit rechnete oder gar wusste, dass das Opfer im Zeitpunkt der Taten das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Entsprechende ausdrückliche Darlegungen sind jedenfalls dann erforderlich , wenn das Alter des Opfers wie hier knapp unter der Schutzaltersgrenze liegt und dessen äußeres Erscheinungsbild sowie die näheren Umstände und die Dauer der Bekanntschaft mit dem Angeklagten unerörtert bleiben, so dass auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe der zumindest bedingte Vorsatz des Angeklagten nicht entnommen werden kann.
7
Die zu diesen Taten bisher getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter wird zur inneren Tatseite ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
8
3. Die Teilaufhebung lässt die Einzelstrafen für die übrigen Taten unberührt. Die Gesamtstrafe muss indes aufgehoben werden.
9
4. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, der Anregung des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift folgend den Schuldspruch insgesamt neu zu fassen.
Becker Pfister Schäfer Mayer Gericke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.