Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2012 - 3 StR 408/11

published on 10/01/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2012 - 3 StR 408/11
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 408/11
vom
10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
hier: Revision des Angeklagten P.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
10. Januar 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil
des Landgerichts Aurich vom 14. Juni 2011 geändert

a) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte P.
des Betruges in 122 Fällen sowie des versuchten Betruges
in 25 Fällen und die Angeklagte H. des
Betruges in 118 Fällen sowie des versuchten Betruges in
26 Fällen schuldig sind,

b) im Strafausspruch dahin, dass hinsichtlich beider Angeklagter
für Fall II. 52 und II. 107 der Urteilsgründe eine
Einzelfreiheitsstrafe von jeweils zwei Monaten sowie für
Fall II. 117 und II. 118 der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe
von jeweils sechs Monaten festgesetzt wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen Betruges in 20 Fällen sowie wegen versuchten Betruges in acht Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 8. Juli 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und wegen Betruges in 100 Fällen sowie wegen versuchten Betruges in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Gegen die nicht revidierende Mitangeklagte H. hat es wegen Betruges in 120 Fällen und wegen versuchten Betruges in 25 Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe erkannt.
2
I. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg ; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO, weil der Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts in 122 Fällen einen vollendeten und in 25 Fällen einen versuchten Betrug begangen hat. Im Fall II. 14 der Urteilsgründe ist der Betrug vollendet, weil für die Vollendung die teilweise Schädigung des Opfers ausreicht (LK/Tiedemann, StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 272). In den Fällen II. 52 und II. 107 der Urteilsgründe ist der Betrug mangels einer Schädigung nur versucht. Einer Änderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
4
Im Übrigen korrigiert der Senat den Urteilstenor hinsichtlich der Anzahl der Taten, weil ein Verkündungsversehen in dem Sinne vorliegt, dass dem Landgericht ein Fehler allein bei der Zählung der abgeurteilten Fälle unterlaufen ist. Ein solcher Zählfehler darf berichtigt werden, wenn er für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und seine Behebung darum auch nicht den entfernten Verdacht einer inhaltlichen Änderung des Urteils begründen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2004 - 4 StR 362/04, NStZ-RR 2005, 79; Beschluss vom 17. März 2000 - 2 StR 430/99, NStZ 2000, 386 mwN). Dies ist hier der Fall.
5
2. Der Änderung unterliegt weiter der Strafausspruch, soweit das Landgericht in vier Fällen - gemessen an den von ihm aufgestellten Grundsätzen - zu hohe Einzelstrafen verhängt hat. In den Fällen II. 52 und II. 107 der Urteilsgründe sind Einzelfreiheitsstrafen von jeweils nur zwei Monaten (statt sechs Monaten) zu verhängen, weil die Betrugstaten nur versucht und nicht vollendet sind, wobei die Erwägungen des Landgerichts zur Verhängung kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 Abs. 1 StGB) eingreifen. In den Fällen II. 117 und II. 118 der Urteilsgründe ergeben die Feststellungen des Landgerichts keinen Schaden über 300 €, so dass Einzelfreiheitsstrafen nur von jeweils sechs Monaten (statt sieben Monaten) zu verhängen sind. Dagegen ist der Angeklagte im Fall II. 14 der Urteilsgründe durch die Strafzumessung des Landgerichts nicht beschwert, so dass es bei der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafe bleibt. Gleichfalls bedarf es keiner Änderung der Einzelstrafen in den Fällen II. 18 und II. 100 der Urteilsgründe, weil trotz der widersprüchlichen Angaben im Rahmen der Strafzumessung noch hinreichend deutlich wird, dass das Landgericht in Übereinstimmung mit seinen Grundsätzen im Fall II. 18 der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten und im Fall II. 100 der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Monaten verhängt hat.
6
Die geringfügige Reduzierung der Einzelstrafen in den Fällen II. 52, II. 107, II. 117 und II. 118 der Urteilsgründe hat keinen Einfluss auf die vom Landgericht verhängten Gesamtstrafen. Die Einsatzstrafe ist in keinem Fall betroffen. Der Senat vermag auszuschließen, dass das Landgericht, das die verhängten Einzelstrafen jeweils straff zusammengezogen hat, zu noch geringeren Gesamtstrafen gelangt wäre.
7
Dass das Landgericht, soweit es gegen den Angeklagten zwei Gesamtstrafen verhängt hat, in den Fällen II. 46, 47, 53 und 113 bis 118 der Urteilsgründe Einzelfreiheitsstrafen, die bereits bei der ersten Gesamtstrafe zu berücksichtigen gewesen wären, erst bei der Bildung der zweiten Gesamtstrafe verwertet hat, führt nicht zur Aufhebung im Gesamtstrafenausspruch. Auch insoweit vermag der Senat auszuschließen, dass die Höhe der zweiten Gesamtstrafe - nur insoweit käme eine Beschwer des Angeklagten in Betracht - ohne diesen Fehler geringer ausgefallen wäre. Im Übrigen ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend zu entnehmen, dass dem Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 8. Juli 2010 Zäsurwirkung zukommt, weil bei seinem Erlass die durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 22. April 2009 verhängte Geldstrafe vollstreckt war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193).
8
II. In dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang wirkt die Revision des Angeklagten auch zugunsten der nicht revidierenden Mitangeklagten H. (§ 357 StPO). Das Landgericht hat 24 - statt wie in der Urteilsformel fehlerhaft ausgewiesen 25 - der von ihm festgestellten Taten der Mitangeklagten H. rechtlich als versuchten Betrug gewertet und gegen sie außerdem auf 120 vollendete Betrugstaten erkannt. Da sie sich ebenso wie der Angeklagte in den Fällen II. 52 und II. 107 der Urteilsgründe indessen lediglich des ver- suchten, nicht des vollendeten Betruges schuldig gemacht hat, ändert der Senat den Schuldspruch in eine Verurteilung wegen Betruges in 118 Fällen und versuchten Betruges in 26 Fällen ab. In den Fällen II. 52, II. 107, II. 117 und II. 118 der Urteilsgründe liegen bei der Strafzumessung zulasten der Mitangeklagten H. dieselben sachlich-rechtlichen Fehler vor wie zulasten des Angeklagten. Entsprechend erkennt der Senat im Strafausspruch zu ihren Gunsten in gleicher Weise wie zu seinen Gunsten.
Becker Pfister Hubert Mayer Menges
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.