Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2019 - 3 StR 35/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. April 2019 einstimmig
beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Zu Recht hat das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des erpresserischen Menschenraubs nach § 239a Abs. 1 Alternative 1 StGB als erfüllt angesehen. Dem steht nicht entgegen, dass der Nebenkläger nach dem - im Verlauf der Bemächtigungslage konkretisierten - Tatplan zwei Computerspielekonsolen aus dem Elektronikmarkt entwenden sollte, während der Angeklagte und der Mitangeklagte B. nicht vor Ort waren, sondern im PKW auf seine Rückkunft mit der Diebesbeute warteten, deren Verkaufserlös beide untereinander aufteilen wollten. Hierdurch entfällt nicht der von § 239a Abs. 1 StGB geforderte funktionale und zeitliche Zusammenhang zwischen der verfestigten Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung.
Eine Bemächtigungslage entsteht, wenn der Täter die physische Herrschaft über das Opfer erlangt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 1995 - 4 StR 641/95, BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 5; vom 22. August 1996 - 5 StR 263/96, BGHR StGB § 239b Ausnutzen 1; MüKoStGB/ Renzikowski, 3. Aufl., § 239a Rn. 31). Deren finaler und zeitlicher Zusammenhang mit der beabsichtigten Erpressung setzt voraus, dass aus Sicht des Täters dem Opfer noch während der Zwangslage die erstrebte Vermögensverfügung abgenötigt werden soll, wohingegen der Tatbestand des § 239a Abs. 1 StGB nicht verwirklicht ist, wenn das Opfer die erzwungene Handlung erst nach der Freilassung vornehmen soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 4 StR 334/07, NStZ-RR 2008, 109, 110; vom 8. Juni 2017 - 4 StR 19/17, NStZ-RR 2017, 372; MüKoStGB/Renzikowski aaO, Rn. 44 f. mwN). Nach den Urteilsfeststellungen waren der Angeklagte und B. übereingekommen , dass sie den Nebenkläger erst "laufen lassen" würden, wenn er die von ihnen der Wahrheit zuwider behaupteten "Geldschulden beglichen" habe (UA S. 24, 38). Die von beiden geschaffene Bemächtigungslage sollte somit den unbeaufsichtigten Diebstahl der Spielekonsolen überdauern. Auch als der Nebenkläger den PKW verlassen hatte, wirkte sich das vorausgegangene Sichbemächtigen in Form einer psychisch vermittelten Zwangslage aus: Der Nebenkläger fühlte sich ohnmächtig, hilflos, überwacht und verfolgt, weil er zuvor der Freiheit beraubt und über drei Tage hinweg durch die wiederholte Anwendung massiver Gewalt sowie durch Drohungen und Demütigungen psychisch destabilisiert und gefügig gemacht worden war (s. UA S. 37 ff.). Nach dem Tatplan sollte er die Vermögensverfügung vornehmen, wenn der Angeklagte und B. auch die physische Herrschaft über ihn zurückerlangt haben würden; erst nach der vollständigen, von beiden akzeptierten Erfüllung der Forderungen, derer sie sich berühmten, sollten die Misshandlungen enden und der Nebenkläger tatsächlich aus der Bemächtigungslage entlassen werden.
Gericke Spaniol Wimmer RiBGH Dr. Tiemann Berg ist wegen einer Erkrankung gehindert zu unterschreiben. Gericke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.
(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.
(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.
(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.
(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.