Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2015 - 3 StR 350/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten am 30. Juni 2014 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 20 Fällen (§ 176 Abs. 1 StGB aF - Fälle II. A. 1. bis 20. der Urteilsgründe -) und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zehn Fällen (§ 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB aF - Fälle II. A. 21. bis 29. der Urteilsgründe - sowie § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB nF - Fall II. B. der Urteilsgründe ) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat das Urteil mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 (3 StR 502/14) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II. A. 1. bis 29. der Urteilsgründe - Missbrauch der Tochter C. - und über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen hatte er aufrechterhalten.
- 2
- Nach neuer Verhandlung hat das Landgericht wiederum eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren ausgesprochen. Auch die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
- 3
- Die nunmehr ausgesprochenen Einzelstrafen begegnen ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat bei deren Bemessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dieser habe vor den hier abgeurteilten Taten - in verjährter Zeit - bereits mehrfach die ältere Tochter E. sexuell missbraucht. Es ist dabei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass auch Taten strafschärfend berücksichtigt werden können, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis wie zwischenzeitlich eingetretene Strafverfolgungsverjährung entgegensteht, wenngleich nicht mit demselben Gewicht wie eine den Schuldspruch tragende Tat (BGH, Beschluss vom 24. November 2000 - 3 StR 481/00, juris Rn. 3 mwN). Jedoch setzt eine solche Verwertung (bislang) nicht abgeurteilter weiterer Straftaten stets voraus, dass diese prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass ihr wesentlicher Unwertgehalt abgeschätzt und eine unzulässige strafschärfende Berücksichtigung eines bloßen Verdachts ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1996 - 2 StR 260/96, NStZ-RR 1997, 130).
- 4
- Dies hat das Landgericht nicht bedacht. Weder das Urteil vom 30. Juni 2014 noch das neue Urteil enthält nähere Feststellungen zu Tathandlungen des Angeklagten zulasten der Tochter E. . Vielmehr hat das Landgericht nun ausdrücklich dargelegt, dass sich insoweit "Dauer und Intensität" nicht ermitteln ließen.
- 5
- Der Wegfall der Einzelstrafen führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Mit aufzuheben sind die im angefochtenen Urteil unter II. ergänzend getroffenen Feststellungen. Bindend bleiben dagegen die vom Senat in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2014 aufrechterhaltenen Feststellungen des Urteils vom 30. Juni 2014.
- 6
- Der Senat verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Oldenburg zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
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Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder - 3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.