Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2011 - 3 StR 34/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Soweit das Landgericht seine Überzeugung, der Angeklagte habe sich vor dem Haftrichter wahrheitsgemäß eingelassen, auch mit dem Inhalt der Aussage der Geschädigten bei ihrer Vernehmung durch den Zeugen Richter am Amtsgericht S. begründet, ist das Urteil nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Die Beweiswürdigung begegnet bereits sachlich-rechtlichen Bedenken. Sachverständig beraten hat das Landgericht die Geschädigte für glaubwürdig und ihre vom Zeugen wiedergegebene Aussage für glaubhaft erachtet. Gleichwohl hat es sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte mit der Geschädigten - wie von ihr geschildert - auch in den Fällen II. 2.
und 3. der Urteilsgründe den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog (UA S. 17). Weshalb es den Angaben der Geschädigten in diesen Fällen nur teilweise, im Falle II. 1. dagegen insgesamt gefolgt ist, legt es nicht dar. Diesen Widerspruch aufzulösen hätte es sich indes veranlasst sehen müssen. Hat der Tatrichter Zweifel an der Glaubhaftigkeit einzelner Teile einer Zeugenaussage, so muss er dem Revisionsgericht die Überprüfung ermöglichen, ob seine Annahme, dies lasse deren Beweiswert im Übrigen unberührt und stelle deren Tauglichkeit nicht insgesamt in Frage, auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht.
2. Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht diese Aussage nach § 252 StPO nicht hätte verwerten dürfen. Die Geschädigte hat in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) Gebrauch gemacht. Der Behandlung ihrer Vernehmung durch Richter am Amtsgericht S. als richterliche - und damit dessen Vernehmung zum Inhalt der Aussage - steht entgegen, dass der Beschwerdeführer von dem Termin nicht gemäß § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO benachrichtigt worden ist; Raum für eine Abwägung, ob die Umstände des Einzelfalles die Annahme eines Verwertungsverbots gebieten, verbleibt in einem solchen Falle nicht (vgl. Meyer -Goßner, StPO, 53. Aufl., § 168c Rn. 6 mwN). Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 168c Abs. 3 StPO macht die Benachrichtigung des Beschuldigten vom Termin zur richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen nicht entbehrlich, denn sie dient der Wahrung seiner Rechte auch über ein Ermöglichen des Erscheinens hinaus (LR-Erb, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 37). Ob etwas anderes dann gilt, wenn der Beschuldigte bereits ausgeschlossen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1982 - 2 StR 434/82, BGHSt 31, 140, 142), kann offen bleiben. Dass nicht nur die Anwesenheit des Beschwerdeführers bei der Vernehmung, sondern auch schon dessen Benachrichtigung vom Termin den Untersuchungserfolg gefährdet hätte (§ 168c Abs. 5 Satz 2 StPO), legt das Landgericht in seinem den Widerspruch gegen die Verwertung zurückweisenden Beschluss nicht dar.
3. Der Senat schließt indes aus, dass das Urteil auf diesen Rechtsfehlern beruht, denn das Landgericht stützt sich bei seiner Würdigung der Beweise in erster Linie auf das Einlassungsverhalten des Angeklagten im Ermittlungsverfahren. Der Aussage der Geschädigten misst es demgegenüber ersichtlich keine entscheidende Bedeutung bei.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 2. März 2011 hat dem Senat vorgelegen.
Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
- 1.
der Verlobte des Beschuldigten; - 2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.
(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden.
(2) Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an die vernommene Person zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. § 241a gilt entsprechend.
(3) Der Richter kann einen Beschuldigten von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde. Dies gilt namentlich dann, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde.
(4) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Beschuldigter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.
(5) Von den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu benachrichtigen. In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt die Benachrichtigung, soweit sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruch.