Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juni 2008 - 3 StR 198/08

published on 17/06/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juni 2008 - 3 StR 198/08
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 198/08
vom
17. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2008 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 28. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts erhielt der Angeklagte in den frühen Morgenstunden Besuch von drei jungen Leuten, darunter auch der 18jährigen W. , die nach einem Diskothekenbesuch bei ihm noch etwas weiterfeiern wollten. Nach einiger Zeit wurde W. müde, legte sich im Schlafzimmer des Angeklagten bekleidet auf dessen Bett und schlief ein. Später legte sich der Angeklagte neben http://127.0.0.1:50000/Xaver/start.xav?SID=&startbk=heymanns_bgh_ed_bghz&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-31-286'%5D&anchor=el [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/start.xav?SID=&startbk=heymanns_bgh_ed_bghz&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-31-287'%5D&anchor=el - 3 - sie, zog ihr Hose und Slip aus und drang mit seinem Glied von hinten in ihre Scheide ein, ohne dass sie davon etwas bemerkte. Als sie aus dem Schlaf erwachte und sich erschrocken aufrichtete, ließ der Angeklagte von ihr ab und entgegnete auf ihre Frage, was das solle, er habe gedacht, sie wolle das auch.
3
Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte irrig von einer Einwilligung der Frau in den Geschlechtsverkehr ausgegangen ist, und ausgeführt, selbst ein solcher Irrtum lasse weder den Vorsatz noch die Schuld entfallen. Dies ist rechtsfehlerhaft.
4
Hätte die Frau, ehe sie eingeschlafen war, in sexuelle Handlungen des Angeklagten mit ihr eingewilligt, wären diese Handlungen nicht objektiv unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit im Sinne von § 179 Abs. 1 StGB vorgenommen worden (Fischer, StGB 55. Aufl. § 179 Rdn. 16). Der Irrtum über ein Tatbestandsmerkmal lässt aber nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB den Vorsatz entfallen. Nichts anderes ergibt sich, wenn in der Einwilligung ein Rechtfertigungsgrund gesehen wird: Der Angeklagte hätte dann einen Umstand angenommen, der geeignet gewesen wäre, die Rechtswidrigkeit seines Tuns auszuschließen. Dies ist wie ein den Vorsatz ausschließender Irrtum über Tatumstände nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zu bewerten (vgl. BGHSt 31, 264, 286/287 m. w. N.).
5
Der Sachverhalt muss unter Zugrundelegung dieser Rechtslage erneut aufgeklärt werden, wobei der neue Tatrichter auch die Beanstandungen der Revision zur Plausibilität des festgestellten Sachverhalts nach den Maßstäben der Lebenserfahrung zu bedenken haben wird.
6
2. Wegen des inneren Zusammenhangs der Körperverletzung mit dem als unmittelbar vorangehend festgestellten Sexualdelikt hebt der Senat auch diese Verurteilung auf, um dem neuen Tatrichter einheitliche neue Feststellungen zu ermöglichen.
Becker Miebach Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer
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(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den
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(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den
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(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.