Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2016 - 2 StR 586/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und Munition unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einer anderen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungs-, eine Verfallsund eine Anrechnungsentscheidung (hinsichtlich erbrachter Arbeitsleistungen) getroffen. Das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg.
- 2
- 1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 3
- Der Generalbundesanwalt hat insoweit zutreffend ausgeführt: „DasLandgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte ab November 2009 jeweils im Abstand von sechs bis acht Wochen mit Betäubungsmitteln beliefert wurde, wobei von vornherein der überwiegende Teil zum Weiterverkauf und eine Teilmenge zum Eigenverbrauch bestimmt war. In der Zeit bis Dezember 2010 erhielt der Angeklagte pro Lieferung ca. 10-20 Gramm Kokainzubereitung und bis Dezember 2011 jeweils 50 Gramm sowie in zwei Fällen im Juli 2011 und Dezember 2011 jeweils 200 Gramm Kokainzubereitung. Von den insgesamt gelieferten 610 Gramm Kokain hat der Angeklagte 430 Gramm in Kleinmengen zwischen einem und fünf Gramm veräußert und 30 Gramm selbst konsumiert; der Rest wurde im Dezember 2011 in seiner Wohnung sichergestellt. Die gesamte Wirkstoffmenge betrug 182,39 Gramm Cocainhydrochlorid, was dem 36,4fachen der nicht geringen Menge entspricht. Ab Anfang 2011 war der Angeklagte im Besitz einer Schusswaffe, die er gebrauchsbereit in seiner Wohnung in der Nähe der gelagerten Betäubungsmittel aufbewahrte, wo auch die Verkäufe an die Abnehmer des Angeklagten stattfanden. Im Hinblick darauf, dass der Drogenvorrat nie ganz aufgebraucht wurde und der Angeklagte diesen immer wieder sukzessive aufgefüllt hat, ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte insgesamt nur eine Tat im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begangen habe. Dies begegnet jedoch rechtlichen Bedenken. Denn die Annahme einer einheitlichen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit setzt voraus, dass sämtliche Betäubungsmittel Gegenstand ein und desselben Güterumsatzes waren, etwa indem der Angeklagte sie gleichzeitig zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung erworben hätte (vgl. BGHSt 30, 28, 31; 43, 252, 261; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 27, 45; § 29 Bewertungseinheit 1 sowie die Nachweise bei Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rn. 847). Dies ist beim wiederholten Rauschgifterwerb zum Weiterverkauf in Kleinmengen grundsätzlich nicht der Fall. Die Strafkammer hat festgestellt, dass das verkaufte Kokain ausverschiedenen – insgesamt mindestens elf (UA S. 7, 12) – Erwerbsvorgängen stammt. Der bloße Umstand, dass bei jedem Neukauf noch Reste der vorangegangenen Lieferung vorhanden waren, die mit dem neuerworbenen Rauschgift vermischt wurden, verbindet nicht sämtliche Ankäufe zu einer einheitlichen Vorratsmenge (BGH, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 20). Alleine der gleichzeitige Besitz mehrerer Drogenmengen verbindet die hierauf bezogenen Handlungen nicht zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens (vgl. Se- nat, Beschluss vom 20. Februar 2008 – 2 StR 619/07, NStZ 2008, 470). Deshalb führt auch das wiederholte Auffüllen eines Betäubungsmittelvorrats nicht zur Verklammerung der Erwerbsakte zu einer Bewertungseinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 – 3 StR 162/00, NStZ 2000, 540 f.). Auf die Zahl der Einzelverkäufe kommt es hier nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2002 – 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810 f.).“
- 4
- Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Schuldspruch aber nicht bestehen bleiben. Denn es ist vorliegend nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte durch die Annahme nur einer rechtlichen Tat beschwert ist. Zwar liegt – unter Berücksichtigung der in jedem Einzelfall erworbenen Betäubungsmittelmengen und unter Abzug der von dem Angeklagten für den Eigenkonsum erworbenen Mengen – jedenfalls bei vier Erwerbsvorgängen ab Januar 2011 ein Handeltreiben mit nicht geringer Menge vor, bei dem der Angeklagte jeweils eine Schusswaffe mit sich geführt hat. Auch wenn damit § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in vier tatmehrheitlichen Fällen gegeben ist, lässt sich weder ausschließen , dass die Strafkammer in jedem dieser Einzelfälle anders als bei der jetzt abgeurteilten Tat, bei der sie unter anderem auch maßgeblich die Gesamtmenge der gehandelten Betäubungsmittel berücksichtigt hat, einen minder schweren Fall angenommen hätte, noch lässt sich davon ausgehen, dass sie in einem solchen Fall (auch in Anbetracht der weiteren Einzelstrafen für die anderen Taten) keine mildere (Gesamt-)Freiheitsstrafe verhängt hätte.
- 5
- Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Angesichts des Umstands, dass dem Urteil keine Feststellungen zu entnehmen sind, in welchem Umfang in den jeweiligen Erwerbsvorgängen Betäubungsmittelmengen enthalten sind, lässt sich eine zuverlässige rechtliche Einordnung jeder einzelnen Tat nicht vornehmen. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs, auch hinsichtlich des an sich fehlerfreien Schuldspruches wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.
- 6
- 2. Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf die in der Antragsschrift geäußerten, zutreffenden Bedenken gegen die Verfallsentscheidung hin. Fischer Appl Krehl Eschelbach Zeng
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.