Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2017 - 2 StR 512/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Fall II.1. der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schwerer räuberischer Er- pressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“, Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr und sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die dagegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1. der Urteilsgründe und zur Aufhebung der Gesamtstrafe; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen entschlossen sich die Angeklagten Wi. , W. und D. , eine Geldforderung in Höhe von 100,00 Euro, die dem Angeklagten W. gegen den Geschädigten aus einem Drogengeschäft zustand, gewaltsam einzutreiben. Sie kamen überein, den Geschädigten R. in seiner Wohnung aufzusuchen und durch massive Einschüchterung , erforderlichenfalls auch mit Gewalt, zur Begleichung der Schuld zu veranlassen. Weil er den Angeklagten W. „hingehalten“ hatte, sollte der Geschädigte 400,00 Euro bezahlen; ersatzweise sollte er zur Übergabe von Gegenständen in einem entsprechenden Gegenwert als Pfand gezwungen werden, die er gegen Zahlung der geforderten Geldsumme zurückerhalten sollte.
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- In Umsetzung dieses Tatentschlusses kündigte der Angeklagte Wi. , der mit dem Geschädigten R. befreundet war, diesem mit einer Kurznach- richt an, dass er ihn in seiner Wohnung aufsuchen werde, weil „er etwas mit ihm zu bereden habe“. Alle drei Angeklagten begaben sich daraufhin zur Wohnung des Geschädigten R. . Dabei führte der Angeklagte W. mit Wissen und Billigung der beiden Mitangeklagten ein in eine Stabtaschenlampe integriertes Elektroschockgerät mit sich, das ebenso wie eine Pistolenattrappe, die einer der drei Angeklagten mit sich führte, zur Einschüchterung des Geschädigten eingesetzt werden sollte.
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- Der Angeklagte Wi. klingelte an der Haustür des Geschädigten, während die anderen beiden Angeklagten sich in der Nähe des Wohnanwesens verbargen. Nachdem der Geschädigte aus dem Fenster geschaut und sich vergewissert hatte, dass der Angeklagte Wi. alleine vor dem Eingang des Mehrfamilienhauses stand, öffnete er die Haustüre und ließ den Angeklagten Wi. in die Wohnung ein. Wie vorab mit den Mitangeklagten verabredet, begab sich der Angeklagte Wi. sodann unter einem Vorwand zur Wohnungstür , betätigte den Türöffner für die Haustür und öffnete die Wohnungstüre, um den beiden Mitangeklagten unbemerkt den Zutritt zur Wohnung zu ermöglichen. Anschließend kehrte er in das Wohnzimmer zurück und unterhielt sich mit dem ahnungslosen Geschädigten, der zu Abend aß. Wenig später „stürmten“ die Angeklagten W. und D. in das Wohnzimmer. Der Angeklagte W. schrie den Geschädigten an („was soll das, Du Fotze“) und betätigtedeutlich optisch und akustisch wahrnehmbar das Elektroschockgerät. Einer der Angeklagten ergriff das Handy des Geschädigten und legte es weit entfernt vom Geschädigten ab, um zu verhindern, dass er Hilfe herbeihole. Einer der Angeklagten zog demonstrativ die Pistolenattrappe und legte sie – für den Geschädigten, der hierdurch eingeschüchtert werden sollte, deutlich wahrnehmbar – auf einem Schreibtisch ab. Der Angeklagte D. versetzte dem Geschädigten zwei Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht, wodurch dieser eine leichte Schwellung im Gesicht erlitt. Sodann forderte der Angeklagte W. den Geschädigten auf, 400,00 Euro herauszugeben. Nachdem dieser erklärt hatte, nicht über einen solchen Geldbetrag zu verfügen, „sahen die Angeklagten sich jetzt im Wohnzimmer nach Wertgegenständen um“ und bemerkten sofort die Spielkonsole „Playstation 4“, woraufhin der Angeklagte D. deren Herausgabe forderte. Der Geschädigte R. packte daraufhin unter demEindruck des Geschehens und aus Furcht vor weiteren Übergriffen die Spielekonsole nebst Zubehör in eine Plastiktüte und händigte sie dem Angeklagten D. aus. Der Angeklagte W. erklärte R. , dass „er die Gegenstände zurückerhalten würde, sofern er bis zum Ende des Monats 400,00 Euro zahlen würde“. Anschließend verließen die Angeklagten die Wohnung.
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- 2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte Wi. sich der mittäterschaftlich begangenen (besonders) schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht habe. Anhaltspunkte dafür, dass er irrig von einer tatsächlich bestehenden Geldforderung des Angeklagten W. in Höhe der geforderten 400,00 Euro ausgegangen sein könnte, bestünden nicht.
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- 3. Dies hält – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hingewiesen hat – rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- a) Der Täter, der die Herausgabe eines Gegenstands als Pfand für eine tatsächlich nicht bestehende Forderung erzwingt, verschafft sich dadurch unmittelbar einen dem Besitzentzug stoffgleichen vermögenswerten Vorteil (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – 3 StR 70/11, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 19). Anders kann es jedoch in Fallkonstellationen der zwangsweisen Inpfandnahme einer Sache bei tatsächlich bestehender Forderung oder in Fällen liegen, in denen der Täter irrig vom Bestehen einer Forderung ausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 1982 – 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265; Urteil vom 17. Dezember 1987 – 4 StR 628/87, NStZ 1988, 216; Beschluss vom 26. Februar 1998 – 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235, 236; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl. § 253 Rn. 29; differenzierend Bernsmann, NJW 1982, 2214). Ungeachtet des Umstands, dass ein Gläubiger auch bei Bestehen einer fälligen und einredefreien Forderung von Rechts wegen nicht berechtigt ist, den Schuldner zur Herausgabe eines Sicherungsmittels zu nötigen, scheidet eine Strafbarkeit wegen Erpressung in der Regel aus, weil der Täter nicht in der Absicht handelt, sich oder einen Dritten rechtswidrig zu bereichern (vgl. Senat, Beschluss vom 23. November 1989 – 2 StR 540/89, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 14. Juni 1982 – 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265; Urteil vom 17. Dezember 1987 – 4 StR 628/87, NStZ 1988, 216; Beschluss vom 26. Februar 1998 – 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235, 236).
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- b) Vor diesem Hintergrund ist für eine Strafbarkeit des Angeklagten Wi. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253, 255 StGB) entscheidend, welche Vorstellungen er in Bezug auf die dem Angeklagten W. gegen den Geschädigten R. zustehenden Geldforderung hatte. Zwar hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte W. den Angeklagten Wi. vor der Tat darüber informiert habe, dass der Geschädigte R. ihm „aus einem Drogengeschäft“ 100,00 Euro schulde. Diese Feststellung findet jedoch in den Beweiserwägungen keine Stütze.
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- Insoweit hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: „a) Weder der Angeklagte noch die Mitangeklagten W. und D. haben ausweislich ihrer in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassungen eingeräumt, dass der Hintergrund und die tatsächliche Höhe der Forderung im Vorfeld der Tat erörtert wur- den. Der Angeklagte hat erklärt, ihm sei bekannt gewesen, „dass W. von R. Geld zurück haben wollte und von R. ver- tröstet wurde“ (UA 30). W. hat erklärt, dass der Angeklagte gewusst habe, dass der Geschädigte aufgesucht werden sollte, „um die Rückzahlung des Geldes zu fordern“; auch gegenüber D. habe er geäußert, dass er „von R. noch Geld be- komme“ (UA S. 24). D. hat sich dahingehend eingelas- sen, dass ihm „die konkreten Angelegenheiten“ zwischen W. und dem Geschädigten nicht bekannt gewesen seien; er habe nicht gewusst, in welcher Höhe der Geschädigte Schulden bei W. gehabt habe und woraus diese resultierten (UA S. 36/37).
b) Dass der Geschädigte – auf dessen Bekundungen sich das Landgericht maßgeblich stützt – Angaben zu den Absprachen der Angeklagten vor der Tat gemacht hat, geht aus den Urteilsgründen nicht hervor und liegt im Hinblick darauf, dass diese in seiner Abwesenheit erfolgten, auch fern.
c) Die Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen in der Wohnung des Geschädigten (UA S. 17-20) lassen nicht erkennen, dass die Herkunft der Forderung von W. aus „Drogenschul- den“ und die Differenz zwischen dem geschuldeten und dem ver- langten Geldbetrag zumindest während der Tat zur Sprache gekommen sind.
d) In Anbetracht der Besonderheiten des Falls versteht es sich auch nicht von selbst, dass der Angeklagte wusste oder jedenfalls mit der Möglichkeit rechnete, dass die Tat der Durchsetzung einer nicht bestehenden Forderung diente. Vor dem Hintergrund, dass W. nach den Feststellungen tatsächlich einen – wenn auch im Vergleich zu der geforderten Summe geringeren und zivilrechtlich nicht durchsetzbaren – Anspruch gegen den Geschädigten hatte, ist es nicht fernliegend, dass er den Angeklagten und D. – entsprechend der von der Strafkammer nicht gewürdigten Einlassungen der Angeklagten – lediglich pauschal darüber informierte, der Geschädigte habe Schulden bei ihm, und die Angeklagten daraufhin übereinkamen, deren Bezahlung gemeinsam mit Nötigungsmitteln einzufordern. Da das Landgericht sich mit dieser Möglichkeit nicht auseinandergesetzt hat, liegt ein Erörterungsmangel vor, der dem Schuldspruch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung die Grundlage entzieht. 3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverlet- zung […] Der neue Tatrichter wird hinsichtlich dieses Tatvorwurfs zu bedenken haben, dass die mittäterschaftliche Beteiligung an einer (gefährlichen) Körperverletzung einen Tatbeitrag voraussetzt, der zwar nicht in der eigenhändigen Vornahme von Verletzungshandlungen bestehen, für die Tat jedoch objektiv förderlich sein (Senat, Urteil vom 5. Februar 1986 – 2 StR 640/85, BeckRS 1986, 31101559) und ebenso wie der auf die gemeinsame Begehung der Tat gerichtete Tatentschluss auf Grundlage einer nachprüfbaren Beweiswürdigung festgestellt werden muss.“
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- Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.
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- Diese Erörterungsmängel führen zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1. der Urteilsgründe und zum Wegfall der Gesamtstrafe.
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- Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.
Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.