Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Sept. 2015 - 2 StR 49/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in zehn tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Mitangeklagte W. ein Unternehmen, das Kunden erhebliche Darlehen ohne Kreditsicherheiten und Bonitätsprüfung in Aussicht stellte. Die Vergabe der Darlehen sollte angeblich nur von der Zahlung einer Bearbeitungsgebühr abhängig sein. Tatsächlich hatte W. nicht die Absicht, Darlehen zu vergeben. Es ging ihm ausschließlich darum, im Rahmen eines Schneeballsystems die sogenann- te Bearbeitungsgebühr zu vereinnahmen. Der Angeklagte M. und der Mitangeklagte N. unterstützten seine betrügerischen Machenschaften dadurch, dass sie in Kenntnis der Täuschungsabsicht die Kunden vertrösteten, welche die Darlehensauszahlung anmahnten, und bei der Organisation von Präsentationsveranstaltungen zum Anwerben neuer Kunden mitwirkten. Im Tatzeitraum kam es mindestens zu zehn Einzelfällen der Täuschung bestimmter Kunden durch den Mitangeklagten W. . Das Landgericht hat keine unmittelbaren Mitwirkungshandlungen des Angeklagten M. hieran festgestellt. Es hat ihn aber wegen Beihilfe zum Betrug im Rahmen eines Organisationsdelikts abgeurteilt.
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- 2. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung der Hinweispflicht aus § 265 Abs. 1 StPO durch das Landgericht.
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- a) Dem Angeklagten war in der Anklageschrift gewerbsmäßig begangener Betrug in 142 Fällen vorgeworfen worden, wobei es in drei Fällen beim Versuch geblieben sei. Die Anklageschrift war durch den Eröffnungsbeschluss der Strafkammer unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden. In der Hauptverhandlung erfolgte eine Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO. Anschließend wies das Landgericht darauf hin, dass auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen einer einheitlichen Tat in Betracht komme. Ein Hinweis darauf, dass anstelle von Mittäterschaft auch Beihilfe in Betracht kommen kann, wurde hingegen nicht erteilt.
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- Dies war verfahrensfehlerhaft. Die Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO gilt nicht nur in Bezug auf den Straftatbestand, sondern auch für die nach dem Urteil maßgebliche Zurechnungsnorm für Täterschaft oder Teilnahme (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 2011 - 2 StR 590/10, BGHSt 56, 235, 237). Nach Erhebung und Zulassung einer Anklage wegen Mittäterschaft muss daher vor ei- ner Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu der von einem anderen begangenen Haupttat auf diese Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen werden. Das ist hier nicht geschehen.
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- b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Die Möglichkeit einer anderen Verteidigung braucht dazu nicht nahe zu liegen. Es genügt, dass sie nicht mit Sicherheit auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 StR 196/85, NJW 1985, 860, 861; SK/Velten, StPO, 4. Aufl., § 265 Rn. 67). Bei dem weiten Rahmen der Zurechnung eines uneigentlichen Organisationsdelikts kann der Senat im vorliegenden Fall nicht ausschließen, dass Anträge der Verteidigung des Beschwerdeführers vor dem Landgericht auf Erhebung entlastender Beweise, durch eine Ergänzung der Einlassung zur Sache oder durch rechtliche Argumente gegen den Vorwurf einer Beihilfe zum Betrug zu einem für den Angeklagten günstigeren Urteil geführt hätten. Eschelbach Franke Ott Zeng Bartel
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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.