Bundesgerichtshof Beschluss, 18. März 2014 - 2 StR 448/13

published on 18/03/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. März 2014 - 2 StR 448/13
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 4 4 8 / 1 3
vom
18. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. März 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 10. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen der Strafkammer verschafften sich die gesondert Verfolgten S. S. und A. S. im Februar und Oktober 2009 gewaltsam Zutritt zu drei Wohnungen und entwendeten jeweils u.a. Schmuck und Bargeld; der Angeklagte leistete zu diesen Taten jeweils Hilfe, indem er die Täter zum Tatort fuhr, mit dem Pkw in Tatortnähe wartete und sie – bis auf Fall 3 der Urteilsgründe – wieder mitnahm.
3
Der Angeklagte hat seine Tatbeteiligung bestritten und sich u.a. dahin eingelassen, der gesondert Verfolgte S. S. belaste ihn zu Unrecht, weil dieser ihn wegen eines Vorfalls im September 2011, bei dem es zu einer kör- perlichen Auseinandersetzung zwischen ihnen gekommen sei, „fertig machen“ wolle.
4
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten auf die Aussage des als Zeugen vernommenen S. S. gestützt. Dessen Aussage sei glaubhaft, auch unter Berücksichtigung der Umstände, dass „Aussage gegen Aussage“ stünde und der Zeuge S. S. indem gegen ihn selbst geführten Strafverfahren eine Strafmilderung gemäß § 46b StGB zu erlangen suche. Nach Überzeugung der Strafkammer habe es den vom Angeklagten geschilderten Vorfall, der Anlass einer Falschbelastung des Zeugen S. S. sein soll, nicht gegeben.
5
2. a) Die Strafkammer hat mehrere vom Angeklagten gestellte inhaltsgleiche Beweisanträge wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Der Angeklagte hat die Vernehmung von insgesamt vier Zeugen zum Beweis der Tatsache begehrt, dass er sich in der Zeit vom 22. September 2010 bis zum 8. Dezember 2010 ohne Unterbrechungen in Mazedonien aufgehalten habe. In diesem Zeitraum soll der Angeklagte indes nach Aussage des Zeugen S. S. an weiteren acht Taten des Wohnungseinbruchsdiebstahls in Deutschland beteiligt gewesen sein, die ebenfalls Gegenstand des gegen den Angeklagten gerichteten – von der Strafkammer insoweit zwischenzeitlich abgetrennten – Strafverfahrens gewesen sind.
6
Das Landgericht hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Indiztatsache, der Angeklagte habe sich im – dem abgetrennten Verfahren zugrundeliegenden – Tatzeitraum in Mazedonien aufgehalten, sei für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen S. S. ohne Bedeutung; die … „Verneinung der Glaubwürdigkeit des Zeugen … im Hinblick aufsämtliche sei- ner Angaben – insbesondere bezüglich seiner Angaben zu den Fällen 1 bis 3 – (sei) nur ein möglicher, nicht aber ein zwingender Schluss, den die Kammer auf Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses nicht ziehen will“. Sodannführt die Strafkammer im Einzelnen aus, warum sie dem Zeugen S. S. glaubt, ohne auf die unter Beweis gestellte Indiztatsache einzugehen.
7
b) Der die Anträge auf Vernehmung der Zeugen zurückweisende Beschluss des Landgerichts wird den Anforderungen nicht gerecht, die an die Begründung der Ablehnung eines auf eine Indiztatsache gerichteten Beweisantrags zu stellen sind.
8
Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen , denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2012 – 5 StR 426/12 mwN). Die unter Beweis gestellte Indiztatsache hat es in das bisherige Beweisergebnis so einzustellen, als sei sie erwiesen, und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 3 StR 154/13, NStZ 2014, 111, 112 m. Anm. Allgayer; Krehl in KK-StPO, 7. Aufl., § 244 Rdn. 144 mwN).
9
Der landgerichtliche Hinweis darauf, dass die Angaben des Zeugen S. S. – auf denen die Urteilsfeststellungen beruhen – in sich gut nachvollzieh- bar und frei von Widersprüchen seien, lässt eine Würdigung mit der als erwiesen unter Beweis gestellten Indiztatsache nicht erkennen. Die Strafkammer hätte dazu Stellung nehmen müssen, welchen Einfluss der Umstand auf ihre Überzeugungsbildung gehabt hätte, dass der Angeklagte – entsprechend der Beweisbehauptung – sich entgegen den Angaben des Zeugen S. S. in Mazedonien aufgehalten hat. Das Landgericht hat letztlich die in Aussicht gestellten Aussagen der vier Zeugen als bedeutungslos bezeichnet, weil es von dem Gegenteil der Beweistatsache schon überzeugt war. Damit hat es aber nicht die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache belegt, sondern in unzulässiger Weise das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung vorweggenommen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. März 1988 – 5 StR 67/88, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 6).
10
c) Der gesondert Verfolgte S. S. war in allen Fällen der Hauptbelastungszeuge. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass das Urteil auf der fehlerhaften Behandlung des Beweisantrags beruht. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng
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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.
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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.
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Annotations

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.