Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2001 - 2 StR 400/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit einem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von drei Jahren der Freiheitsstrafe angeordnet. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlußformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.1. Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt: Als die 18-jährige Nebenklägerin zu ihrem geparkten Pkw zurückkehrte, hob der Angeklagte ein 20-30 cm groûes Metallstück in Form eines rostigen Winkeleisens auf und folgte ihr. Als sie den Wagen bereits aufgeschlossen und ihre Handtasche hineingelegt hatte, trat er von hinten an sie heran und drückte ihr das Eisen mit der Bemerkung in den Rücken, dies sei ein Überfall. Dem Angeklagten ging es zum einen darum, an die Handtasche der Nebenklägerin zu gelangen, in der er Geld vermutete. Darüber hinaus wollte er sich des Kraftfahrzeugs bemächtigen und dachte bereits zu diesem Zeitpunkt daran, die Situation zu sexuellen Handlungen auszunutzen. Das Winkeleisen wollte er dazu benutzen, notfalls den Widerstand der Nebenklägerin zu brechen. Die Nebenklägerin dachte, ihr werde ein Messer in den Rücken gehalten. Der Angeklagte drängte sie auf den Fahrersitz und dann weiter auf die Beifahrerseite. Er selbst setzte sich auf den Fahrersitz, lieû sich die Fahrzeugschlüssel geben und fuhr los. Während der Fahrt fragte er die Nebenklägerin nach Geld und ob sie ein Handy habe. Als sie anfing zu weinen, forderte er sie auf, ihn nicht zu nerven, sonst bringe er sie um. Während der Fahrt hielt er das Metallstück zunächst in der rechten Hand, schlieûlich legte er es griffbereit im Fahrzeug ab. Als der Angeklagte erstmals auf einem einsamen Parkplatz anhielt, muûte sich die Nebenklägerin ausziehen und sollte ihn oral befriedigen. Der Angeklagte drückte den Kopf der sich sträubenden Nebenklägerin auf seinen Penis. Es kam zum Oralverkehr bis zum Samenerguû. Danach setzte der Angeklagte die Fahrt fort mit dem Bemerken, er sei noch nicht fertig. Er hielt nunmehr auf einem abgelegenen Feldweg. Er zwang
die Nebenklägerin, sich auf das Dach des Fahrzeugs zu setzen und manipulierte mit seinen Fingern und der Zunge an ihrer Scheide. Anschlieûend muûte sich die Nebenklägerin auf die Motorhaube ihres Fahrzeugs setzen. Dort vollzog der Angeklagte ungeschützten Geschlechtsverkehr. Auûerdem muûte die Nebenklägerin dem Angeklagten bei diesem Halt ihr Papiergeld (20 DM) aushändigen. Danach lieû der Angeklagte die Nebenklägerin wieder in ihr Fahrzeug einsteigen und fuhr mit ihr bis zum Parkplatz eines Einkaufsmarkts. Dort lieû er sich von der Nebenklägerin auch das Kleingeld aushändigen, damit sie nicht telefonieren könne. Bevor sich der Angeklagte entfernte drohte er, er werde ihrer Familie etwas antun, wenn sie zur Polizei gehe. 2. Der Angeklagte hat bei diesem Tatgeschehen keinen räuberischen Angriff auf Kraftfahrer, sondern eine schwere räuberische Erpressung begangen.
a) Die Voraussetzungen des § 316 a Abs. 1 StGB sind nicht gegeben. Der Tatbestand setzt voraus, daû der Angriff auf den Fahrer oder Beifahrer unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straûenverkehrs erfolgt. Eine solche, die hohe Strafdrohung des § 316 a StGB rechtfertigende Gefahrenlage besteht vor allem während des Fahrvorgangs; sie kann auch während eines verkehrsbedingten und im Einzelfall auch während eines sonstigen kurzfristigen Halts vorliegen. Sie besteht aber nicht, wenn der Täter, wie hier der Angeklagte, als er sich des Tatopfers bemächtigte, zu Fuû an ein geparktes Kraftfahrzeug herantritt, um dessen noch auf der Straûe stehende Fahrerin zu berauben oder zu erpressen; auch der Transport eines Tatopfers mit einem Kraftfahrzeug an einen Ort, an dem ein Raub oder eine Erpressung ausgeführt werden soll, erfüllt in einem solchen Fall den Tatbestand nicht (BGH, Urt. v.
17. August 2001 - 2 StR 197/01 - m.w.N.). Im vorliegenden Fall erfolgte der Angriff auf die Nebenklägerin auf dem Parkplatz, auf dem sie das Fahrzeug abgestellt hatte, nicht aber während eines Fahrvorgangs oder eines verkehrsbedingten Anhaltens.
b) Der Angeklagte hat jedoch eine schwere räuberische Erpressung (§ 255, § 253, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) begangen, indem er das Tatopfer während der fortwirkenden Bedrohung beim zweiten und dritten Anhalten veranlaûte , ihm zunächst das Papiergeld und sodann das Kleingeld auszuhändigen (UA S. 12, 21). Hierbei hat er das Winkeleisen als gefährliches Werkzeug zur Bedrohung des Tatopfers verwendet. Das Landgericht stellt zutreffend fest, daû mit dem Winkeleisen in der Hand des kräftigen Angeklagten lebensgefährliche Verletzungen verursacht werden können. Dementsprechend groû sei auch der Einschüchterungseffekt gewesen, den sich der Angeklagte bei der Tat gezielt zunutze gemacht habe (UA S. 20/21). Damit hat der Angeklagte das gefährliche Werkzeug aber nicht nur bei sich geführt, sondern zur Tatausführung verwendet, um sein Tatopfer zu bedrohen und einzuschüchtern. 3. Das Landgericht hat im übrigen den Unrechtsgehalt des Tatgeschehens - trotz der Beschränkung der Strafverfolgung gemäû § 154 a Abs. 1 StPO bei der Anklageerhebung - nicht erschöpft.
a) Die vom Angeklagten begangene Vergewaltigung erfüllt die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB und nicht nur - wie das Landgericht annimmt - die des Absatzes 3 Nr. 1. Auch insoweit hat der Angeklagte das Winkeleisen als gefährliches Werkzeug nicht nur bei sich geführt, sondern zur Tat verwendet.
b) Der Angeklagte hat des weiteren einen erpresserischen Menschenraub und eine Geiselnahme (§ 239 a, § 239 b StGB) begangen. Er hat die Nebenklägerin entführt und deren Sorge um ihr Wohl zu einer Erpressung ausgenutzt. Dem Angeklagten ging es von Anfang an auch darum, das Geld der Nebenklägerin an sich zu bringen, um Wodka kaufen zu können. Während der Entführung hat er die Nebenklägerin zudem mit dem Tod bedroht und zu den festgestellten sexuellen Handlungen genötigt. Auch insoweit hat der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts vorsätzlich gehandelt. Zwischen erpresserischem Menschenraub und Geiselnahme besteht hier keine Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität), weil die Geiselnahme nicht allein dem Zweck diente, durch Bedrohung des Tatopfers eine unrechtmäûige Bereicherung zu erlangen, sondern auch dazu, die sexuellen Handlungen zu erreichen (vgl. BGHSt 25, 386; BGH, Urt. vom 19. September 2001 - 2 StR 240/01). 4. Alle vier Tatbestände wurden tateinheitlich verwirklicht (§ 52 StGB). 5. § 265 StPO steht der Änderung und Ergänzung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte insoweit nicht erfolgreicher hätte verteidigen können.
Der Rechtsfolgenausspruch kann auch nach der Änderung des Schuldspruchs bestehen bleiben, weil der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat hierdurch nicht geringer geworden ist. Jähnke Detter Bode Otten Elf
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.