Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Dez. 2011 - 2 StR 352/11

bei uns veröffentlicht am28.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 352/11
vom
28. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 28. Dezember 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 2. Dezember 2010 jeweils mit den Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten A. im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 2) der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) hinsichtlich des Angeklagten K. im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 1) der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
c) hinsichtlich des Angeklagten Ke. im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 3) der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten A. und Ke. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und drei Monaten (A. ) bzw. vier Jahren (Ke. ) sowie den Angeklagten K. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat hinsichtlich aller Angeklagten bei der Bemessung einzelner Strafen die Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 31 BtMG nicht geprüft, obwohl nach den Urteilsfeststellungen dazu Anlass bestand.
3
a) Hinsichtlich des Angeklagten A. begegnet unter diesem Aspekt die Einzelstrafe im Fall 2) durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass sich das Landgericht von der Tatbeteiligung des Mitangeklagten Ke. im Fall 2) maßgeblich aufgrund der insoweit glaubhaften Aussage des Angeklagten A. überzeugt hat (UA 23). Dass der Angeklagte A. nicht sein gesamtes Wissen offenbart, insbesondere versucht hat, im Fall 3) den Mitangeklagten K. zu entlasten, steht - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - der Annahme des § 31 BtMG nicht entgegen. Hierfür genügt es, dass der Aufklärungserfolg bei einem Tatbeteiligten eingetreten ist.
4
b) Bei dem Angeklagten K. legen die Urteilsfeststellungen nahe, dass er im Fall 1) durch Benennung des Zeugen S. , von dem das erworbene Marihuana stammte, wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte (UA 16, 31). Dass er den Zeugen erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens, die mit Beschluss vom 1. Februar 2010 erfolgte, als tatbeteiligt bezeichnet hat, steht einer Berücksichtigung der Aufklärungshilfe nicht entgegen. Zwar wäre nach der ab 1. September 2009 gültigen, neuen Fassung von § 31 Abs. 2 BtMG, § 46b Abs. 3 StGB eine Milderung oder ein Absehen von Strafe ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens offenbart. Die Frage, welches Recht auf dieses Verfahren anwendbar ist, bestimmt sich aber nach den allgemeinen Regeln (BGH NStZ 2010, 523, 524), nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neuere Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten günstigere Regelung darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB; vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2011 - 2 StR 671/10). Der Vorrang des günstigeren Rechts führt hier dazu, dass auf die am 14. Mai 2008 begangene Tat der zum damaligen Zeitpunkt geltende § 31 BtMG a.F. anzuwenden wäre, der noch keine zeitliche Präklusion für die Aufklärungshilfe enthielt.
5
c) Hinsichtlich des Angeklagten Ke. hat es das Landgericht versäumt, bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall 3) den vertypten Milderungsgrund des § 31 BtMG zu erörtern. Die Strafkammer hat sich in diesem Fall von der Tatbeteiligung des Mitangeklagten K. vor allem aufgrund der Angaben des Angeklagten Ke. im Haftprüfungstermin am 25. Juli 2008 überzeugt (UA 24). Dass der Angeklagte Ke. die dort gemachten Angaben in der Hauptverhandlung relativiert hat, steht der Anwendung des § 31 BtMG nicht entgegen. Eine Aufklärungshilfe im Sinne dieser Vorschrift liegt auch vor, wenn der Täter den Aufklärungsbeitrag im Ermittlungsverfahren leistet, seine entsprechenden Angaben aber in der Hauptverhandlung widerruft (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 20).
6
2. Bei allen Angeklagten beruhen die jeweiligen Einzelstrafenaussprüche auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Einzelstrafen milder ausgefallen, bzw. beim Angeklagten A. im Fall 2) ein minderschwerer Fall (§ 29a Abs. 2 BtMG) anzunehmen gewesen wäre, wenn das Landgericht den vertypten Strafmilderungsgrund des § 31 Nr. 1 BtMG angewandt hätte. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch den jeweiligen Gesamtstrafen die Grundlage.
7
3. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird bei allen Angeklagten zu erwägen haben, ob eine - angesichts des in der Zuschrift des Generalbundesanwalts sowie den Revisionsschriften der Angeklagten A. und Ke. mitgeteilten Verfahrensablaufs nahe liegende - Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorzunehmen ist.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Dez. 2011 - 2 StR 352/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Dez. 2011 - 2 StR 352/11

Referenzen - Gesetze

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Dez. 2011 - 2 StR 352/11 zitiert 7 §§.

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

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(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe


Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d

Strafgesetzbuch - StGB | § 1 Keine Strafe ohne Gesetz


Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Dez. 2011 - 2 StR 352/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2011 - 2 StR 671/10

bei uns veröffentlicht am 16.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 671/10 vom 16. März 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichts
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Dez. 2011 - 2 StR 352/11.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2013 - 1 StR 131/13

bei uns veröffentlicht am 23.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 131/13 vom 23. April 2013 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. April 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StP

Referenzen

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 671/10
vom
16. März 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 16. März 2011 gemäß
§ 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten S. wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gewährt. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 28. April 2010
a) im gesamten Strafausspruch betreffend alle Angeklagten sowie die nicht revidierenden Angeklagten C. und K. – auch im Ausspruch über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe vor der Maßregel betreffend den Angeklagten N. – aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen ;
b) aufgehoben im Strafausspruch im Fall II. 30 betreffend den nicht revidierenden Angeklagten O. ; insoweit wird eine Einzelstrafe von einem Monat festgesetzt. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten D. B. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten - den Angeklagten R. B. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten - den Angeklagten T. B. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten - den Angeklagten Br. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten - den Angeklagten H. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten - den Angeklagten N. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 25 Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten - den Angeklagten S. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten - den Angeklagten T. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten - den Angeklagten W. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten - den nicht revidierenden Angeklagten C. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen, Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten - die nicht revidierende Angeklagte K. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und - den nicht revidierenden Angeklagten O. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht ge- ringer Menge in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.
2
Zudem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten N. in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr, zehn Monate und zwei Wochen der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Ferner hat das Landgericht gegen einzelne Angeklagte den Verfall von Wertersatz in verschiedener Höhe angeordnet. Die hiergegen auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Antragsgemäß war dem Angeklagten S. gemäß §§ 44, 45 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
4
2. a) Die Schuldsprüche und die Anordnung von Wertersatzverfall sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts frei von Rechtsfehlern.
5
b) Die Erwägungen des Landgerichts zur Strafzumessung begegnen hingegen rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat im Hinblick auf die nach den Feststellungen von sämtlichen Angeklagten geleistete Aufklärungshilfe in allen Fällen eine Milderung der Strafe gemäß § 31 BtMG a.F. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB vorgenommen. Dabei hat sie die mögliche Anwendbarkeit von § 31 BtMG in der ab 1. September 2009 gültigen Fassung übersehen, die dem Gericht eine Strafrahmenmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB ermöglicht. Die Ausführungen des Landgerichts, die Angeklagten hätten durch ihre Angaben bei ihren polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen und durch ihre Einlassungen im Vorfeld der Hauptverhandlung zur Aufklärung der Taten über ihren jeweiligen Tatbeitrag hinaus beigetragen (UA S. 52), weisen darauf hin, dass die Aufklärungshilfe von den Angeklagten vor Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgte und die Voraussetzungen des § 31 BtMG n.F. im Grundsatz vorliegen. Art. 316d EGStGB bestimmt , dass § 46b StGB und § 31 BtMG in der ab 1. September 2009 gültigen Fassung nicht auf Verfahren anzuwenden sind, in denen vor dem 1. September 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist. Dies bedeutet zwar nicht, dass im Umkehrschluss die neuen Vorschriften ohne Weiteres auf Verfahren anzuwenden sind, in denen – wie vorliegend – die Eröffnung des Hauptverfahrens nach dem 31. August 2009 beschlossen worden ist. Die Frage , welches Recht auf dieses Verfahren anwendbar ist, richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Regeln (BGH NStZ 2010, 523, 524), nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neuere Recht in seiner Gesamtheit keine für die Angeklagten günstigere Regelung darstellt, § 2 Abs. 3 StGB. Hier spricht allerdings vieles dafür, dass die ab dem 1. September 2009 gültige Fassung des § 31 BtMG wegen der mit ihr verbundenen deutlichen Absenkung der Strafrahmenobergrenzen für die Angeklagten günstiger gewesen wäre:
6
Bei einer Milderung gemäß § 31 BtMG n.F., § 49 Abs. 1 StGB errechnet sich anstelle des von der Strafkammer jeweils angenommenen Strafrahmens von einem Monat bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe in den Fällen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ein solcher von drei Monaten bis elf Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe, in den Fällen des § 30a Abs. 1 BtMG ein Strafrahmen von zwei Jahren bis elf Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe. Statt des ansonsten von der Strafkammer wegen der Annahme minder schwerer Fälle zugrunde geleg- ten Strafrahmens von einem Monat bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ergibt sich bei Milderung nach § 31 BtMG n.F., § 49 Abs. 1 StGB in den Fällen des § 29a Abs. 2 BtMG und des § 30a Abs. 3 BtMG (in der bis zum 22. Juli 2009 gültigen Fassung) ein Strafrahmen von einem Monat bis zu drei Jahren neun Monaten Freiheitsstrafe, sofern die Sperrwirkung der §§ 30 Abs. 1, 29a Abs. 1 BtMG nicht entgegensteht (BGH NStZ 2003, 440). Der Senat kann nicht sicher ausschließen , dass die Strafkammer bei Zugrundelegung der richtigen Strafrahmen niedrigere Einzelstrafen und nachfolgend niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt werden; ergänzende Feststellungen sind möglich.
7
c) Da der Strafausspruch bezüglich des Angeklagten N. der Aufhebung unterliegt, kann auch der Ausspruch über den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe insoweit keinen Bestand haben.
8
3. Gemäß § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung des Strafausspruchs auch auf die nicht revidierenden Angeklagten C. und K. zu erstrecken, weil der Strafzumessung bei diesen Angeklagten der nämliche Rechtsfehler zugrunde liegt. Hinsichtlich des nicht revidierenden Angeklagten O. betrifft die Erstreckung nur den Fall II. 30. Die der Verurteilung des Angeklagten O. in den Fällen II. 32 bis 61 zugrunde liegenden Taten stellen gegenüber den von den Beschwerdeführern in den Fällen II. 1 bis 31 begangenen Straftaten andere Taten i.S.v. § 264 StPO dar, so dass insoweit eine Revisionserstreckung nicht in Betracht kommt.
9
4. Der Senat setzt gemäß § 354 Abs. 1 StPO die Einzelstrafe von einem Jahr und neun Monaten im Fall II. 30 hinsichtlich des nicht revidierenden Mitan- geklagten O. , der insoweit wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1, Abs. 3 BtMG, § 27 StGB verurteilt wurde, auf die nach Strafrahmenmilderung gemäß § 31 BtMG n.F. i.V.m. § 49 Abs. 1 BtMG gesetzliche Mindeststrafe von einem Monat herab. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei Berücksichtigung dieser herabgesetzten Einzelstrafe im Fall II. 30 hinsichtlich des Angeklagten O. angesichts der ansonsten verhängten Einzelstrafen in den Fällen II. 32 bis 61 von jeweils zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als drei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe verhängt hätte.
Fischer Appl Schmitt
Krehl Ott

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.