Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2016 - 2 StR 300/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) die Einzelstrafen in den Fällen II.2., II.4. und II.6. der Urteilsgründe,
b) die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) den Wertersatzverfall aufgehoben. Jedoch bleiben die hierzu getroffenen Feststellungen aufrechterhalten.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, in weiterer Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition und in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
I.
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- Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte den Zeugen K. , der ihm Geld schuldete, im Januar 2015 aufgefordert, den Betrag durch Verkauf von Betäubungsmitteln für ihn abzuarbeiten. Er übergab dem Zeugen K. 200 g Marihuana. Weil dieses Marihuana „nur von mäßiger Quali- tät“ war, gelang dem Zeugen K. eine Veräußerung nur zu einem Teil (Fall II.2. der Urteilsgründe). Etwa eine Woche später berichtete der Zeuge K. dem Angeklagten, dass er nur 50 g des Marihuanas verkauft, den Rest aber verschenkt oder vernichtet habe. Daraufhin verlangte der Angeklagte von dem Zeugen K. , dass er ihm Kaufinteressenten für Marihuana vermitteln solle. Dazu nahm der Zeuge K. Kontakt mit dem Zeugen Ü. auf, den er mit dem Angeklagten in Kontakt brachte. Ü. erwarb 10 kg Marihuana von dem Angeklagten (Fall II.4. der Urteilsgründe). Am 1. Mai 2005 kaufte der Angeklagte von dem gesondert verfolgten V. 1,5 kg Marihuana zum Preis von 5.000 Euro, um es gewinnbringend weiterzuverkaufen (Fall II.6. der Urteilsgründe ). Bei einer Durchsuchung des vom Angeklagten bewohnten Anwesens am 20. Juli 2015 wurden im Schlafzimmer eine halbautomatische Selbstladepistole und Patronen des Kalibers 9 mm, in der Küche 5,13 g Cannabis zum Eigenkonsum und in einem Geräteschuppen 615,5 g Amphetamin mit einem Anteil von 435,8 g Amphetaminbase gefunden, die für den gewinnbringenden Verkauf bestimmt waren (Fall II.7. der Urteilsgründe).
- 3
- Das Landgericht hat die auf Betäubungsmittel bezogenen Handlungen des Angeklagten in den Fällen II.2., II.4., II.6. und II.7. der Urteilsgründe, mit Ausnahme des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum im Fall II.7., jeweils als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Selbst wenn es sich bei den 200 g Marihuana, die der Angeklagte im Fall II.2. dem Zeugen K. übergeben hatte, um Betäubungsmittel „von mäßi- ger Qualität“ gehandelt habe, sei von einem Wirkstoffgehalt von5 % auszugehen.
II.
- 4
- Die Revision des Angeklagten führt aufgrund der Sachrüge zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II.2. der Urteilsgründe, ferner zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.2., II.4. und II.6. der Urteilsgründe, zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe und des Ausspruchs über den Wertersatzverfall.
- 5
- 1. Das Landgericht hat es versäumt darzulegen, warum es sich im Fall II.2. der Urteilsgründe bei dem Marihuana „von mäßiger Qualität“ um solches mit einem Wirkstoffanteil von 5 % gehandelt haben soll. Auch eine Schätzung des Wirkstoffgehalts hätte einer Erläuterung bedurft. Die Behauptung eines THC-Anteils von 5 % entbehrt aber einer Begründung.
- 6
- Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter weitere Feststellungen treffen könnte, aus denen sich ergeben würde, dass das Handeltreiben im Fall II.2. der Urteilsgründe eine nicht geringe Menge von Betäubungsmitteln betraf. Er ändert den Schuldspruch dahin ab, dass insoweit nur Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG vorlag. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte anders als geschehen gegen den geänderten Schuldspruch hätte verteidigen können.
- 7
- 2. Das Landgericht hat auch in den Fällen II.4. und II.6. keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel getroffen. Dies lässt zwar angesichts der großen Gesamtmengen und der im Gegensatz zu Fall II.2. fehlenden Qualitätsbeanstandung den Schuldspruch in diesen Fällen unberührt. Jedoch bleibt die Wirkstoffmenge für den Ausspruch über die Einzelstrafen bedeutsam. Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden durch diesen Faktor maßgeblich bestimmt, weshalb hierzu regelmäßig konkrete Feststellungen zu treffen sind (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16 mwN). Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht zur Verfügung, muss das Gericht unter Berücksichtigung anderer Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe und anderes) die Wirkstoffkonzentration - gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes - schätzen. Daran fehlt es im angefochtenen Urteil.
- 8
- Die bisher zur Straffrage getroffenen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei und können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter hat nur ergänzende Feststellungen zu treffen, die stets möglich sind, soweit sie nicht in Widerspruch zu bindend gewordenen Feststellungen stehen.
- 9
- 3. Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II.2., II.4. und II.6. der Urteilsgründe hat auch die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zur Folge.
- 10
- 4. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Anordnung eines Wertersatzverfalls in Höhe von 25.000 Euro. Das Landgericht hat keine (Mindest-)Feststellungen zu den Einnahmen des Angeklagten aus Betäubungsmittelgeschäften getroffen. Seine Bemerkung, unter Anwendung der „Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB“ sei der festgesetzte Betrag „letztlich ausreichend bemessen“, vermag dies nicht zu ersetzen.
Bartel Wimmer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.