Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2001 - 2 StR 194/01

published on 06/06/2001 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2001 - 2 StR 194/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 194/01
vom
6. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 6. Juni 2001 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. II. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 5 in Verb. mit § 230 Abs. 1 StPO Erfolg. 1. Die Rüge der vorschriftswidrigen Abwesenheit des Angeklagten im Termin vom 23. Oktober 2000 wird im wesentlichen auf folgendes gestützt:
Der Fortsetzungstermin vom 23. Oktober 2000 war zunächst auf 14.30 Uhr anberaumt. Die Ladung zu diesem Termin wurde dem Angeklagten am 11. Oktober 2000 durch Niederlegung beim Postamt zugestellt. Im Termin vom 12. Oktober 2000 ordnete der Vorsitzende an, daß die Verhandlung am 23. Oktober 2000 um 9.00 Uhr fortgesetzt werde. Alle Prozeßbeteiligten - auch der anwesende Angeklagte - wurden zu diesem Termin mündlich geladen. Unter dem 19. Oktober 2000 wurde der Angeklagte durch das Landgericht aufgefordert , die am 11. Oktober 2000 niedergelegte Ladung zum Fortsetzungstermin am 23. Oktober 2000, 14.30 Uhr, beim Postamt abzuholen.
Im Hauptverhandlungstermin vom 23. Oktober 2000, 9.00 Uhr, in dem das Urteil verkündet werden sollte, war der Angeklagte nicht erschienen, er fand sich - nach seinen Angaben - vielmehr erst um 14.30 Uhr bei Gericht ein. Die Strafkammer hatte die Sache um 9.00 Uhr aufgerufen und festgestellt, daß der Angeklagte nicht erschienen war. Sein Verteidiger konnte das Fernbleiben des Angeklagten nicht erklären. Daraufhin hatte die Strafkammer beschlossen, die Hauptverhandlung gemäß § 231 Abs. 2 StPO ohne den Angeklagten fortzusetzen , und verkündete nach Beratung das Urteil durch Verlesen der Urteilsformel und mündliche Mitteilung der wesentlichen Urteilsgründe.
2. Dieses Verfahren war rechtsfehlerhaft. Die Revision hat mit der Verfahrensrüge der vorschriftswidrigen Abwesenheit des Angeklagten (§ 338 Nr. 5 StPO) Erfolg, da die Verlesung der Urteilsformel nach § 268 StPO einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung darstellt (vgl. BGHSt 16, 178, 180).
Eine unterbrochene Hauptverhandlung darf nur dann ohne den Angeklagten fortgesetzt werden, wenn dieser ihr eigenmächtig ferngeblieben ist, d.h. ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt hat (BGHSt 37, 249, 251; 46, 81 ff.). Eigenmächtiges Handeln liegt unter anderem dann nicht vor, wenn der Angeklagte sich über den Zeitpunkt des Fortsetzungstermins geirrt hat (BGH StV 1981, 393, 394). Dabei obliegt es nicht dem Angeklagten, glaubhaft zu machen, daß sein Ausbleiben nicht auf Eigenmächtigkeit beruht, diese ist ihm vielmehr nachzuweisen (BGHSt 10, 304, 305; 16, 178, 180). Es kommt auch nicht darauf an, ob das Gericht Grund zur Annahme hatte, der Angeklagte habe den Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung vorsätzlich nicht wahrgenommen , sondern allein darauf, ob eine solche Eigenmächtigkeit im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO tatsächlich vorlag (BGH StV 1981, 393, 394). Das Revisionsgericht prüft dabei selbständig - gegebenenfalls im Wege des Freibeweises - nach, ob die Eigenmächtigkeit auch noch im Zeitpunkt des Revisionsverfahrens nachgewiesen ist, ohne an die Feststellungen des Tatrichters gebunden zu sein (BGH NStZ 1999, 418).
Ein ausreichender Nachweis für ein eigenmächtiges Fernbleiben des Angeklagten ist zur Überzeugung des Senats nicht geführt. Der Beschluß der Strafkammer über die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 23. Oktober 2000, 9.00 Uhr, und damit die Abänderung des bisherigen Termins von 14.30 Uhr ist zwar am 12. Oktober 2000 in Anwesenheit des Angeklagten verkündet worden. Durch die eine Woche später nachfol-
gende Mitteilung der Geschäftsstelle vom 19. Oktober 2000 konnte beim Angeklagten aber der Eindruck entstehen, der Verkündungstermin finde nunmehr doch um 14.30 Uhr statt. Zweifel hieran mußten sich dem Angeklagten jedenfalls nicht in einem solchen Maße aufdrängen, daß von einem bewußten Ausnutzen der Unklarheit und damit von einem eigenmächtigen Fernbleiben auszugehen ist.
Vizepräsident Dr. Jähnke Detter Otten befindet sich in Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. Detter Fischer Elf
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Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt. (2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführun

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsa
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Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

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(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes.

(2) Das Urteil wird durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteilsgründe verkündet. Die Eröffnung der Urteilsgründe geschieht durch Verlesung oder durch mündliche Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts. Bei der Entscheidung, ob die Urteilsgründe verlesen werden oder ihr wesentlicher Inhalt mündlich mitgeteilt wird, sowie im Fall der mündlichen Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe soll auf die schutzwürdigen Interessen von Prozessbeteiligten, Zeugen oder Verletzten Rücksicht genommen werden. Die Verlesung der Urteilsformel hat in jedem Falle der Mitteilung der Urteilsgründe voranzugehen.

(3) Das Urteil soll am Schluß der Verhandlung verkündet werden. Es muß spätestens zwei Wochen danach verkündet werden, andernfalls mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen ist. § 229 Absatz 3, 4 Satz 2 und Absatz 5 gilt entsprechend.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.