Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2019 - 2 StR 17/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Raubes, bewaffneten Diebstahls in zwei Fällen, Diebstahls in fünf Fällen, Betruges, Sachbeschädigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, Bedrohung in einem weiteren Fall sowie Leistungserschleichung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 1.070,99 Euro angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des angefochtenen Urteils hat im Schuldspruch und hinsichtlich der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II. 1 bis 11 und II. 13 bis 17 der Urteilsgründe keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
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- 2. Der Strafausspruch im Fall II. 12 der Urteilsgründe und der Gesamtstrafenausspruch halten revisionsrechtlicher Überprüfung hingegen nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat insoweit in seiner Antragsschrift vom 6. Februar 2019 das Folgende ausgeführt: „Fürdie Bemessung der Einzelstrafe (Einsatzstrafe) von vier Jahren für die Tat zu Ziffer 12 hat die Strafkammer den wegen alkoholbedingt erheblich verminderter Steuerfungsfähigkeit und wegen Versuchs doppelt gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft, da die Kammer bei dem versuchten Tötungsdelikt – anders als bei den Raub- und qualifizierten Diebstahlstaten (UA S. 61) – ersichtlich die Prüfung eines (sonstigen) minder schweren Falls nach § 213 StGB nicht bedacht hat.
nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, schrittweise gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen der gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgründe gemilderten Regelstrafrahmen zu Grunde legen (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 16. November 2017 – 2 StR 404/17 – Rn. 2, juris; BGH, Beschluss vom 4. April 2017 – 3 StR 516/16 – Rn. 6, NStZ 2017, 524; Urteil vom 9. Februar 2017 – 1 StR 415/16, Rn. 13, NStZ-RR 2017, 168).
Das Landgericht hat diese Prüfungsreihenfolge nicht beachtet und erkennbar nicht erwogen, ob das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrundes allein oder zusammen mit anderen Umständen (UA S. 60) das Vorliegen eines minder schweren Falls begründet. In diesem Fall hätte sich durch die dann mögliche Strafrahmenmilderung wegen des zweiten vertypten Milderungsgrundes für den Angeklagten ein günstigerer Strafrahmen von drei Monaten bis zu sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe ergeben. Nur dann, wenn die tatrichterliche Beurteilung zu dem Ergebnis geführt hätte, dass beide vertypten Strafmilderungsgründe zur Begründung eines sonstigen minder schweren Falls im Sinne von § 213 StGB erforderlich sind, wäre der vom Landgericht zugrunde gelegte doppelt gemilderte Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB für den Angeklagten günstiger (vgl. Senatsbeschluss vom 21. November 2007 – 2 StR 449/07 – Rn. 6, NStZ-RR 2008, 105).
Da die Strafkammer die Einzelstrafe hier auf vier Jahre und damit erkennbar (knapp) unterhalb der Hälfte des – rechtsfehlerhaft auf sechs Monate bis acht Jahre und fünf Monate (UA S. 62) bestimmten – Strafrahmens festgesetzt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie unter Beachtung der genannten Prüfungsreihenfolge zu einem dem Angeklagten günstigeren Strafrahmen gelangt und in dessen Rahmen eine mildere Freiheitsstrafe bestimmt hätte.
Die dem Strafausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen sind im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffen, weshalb sie aufrechterhalten bleiben können. Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wäre nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.“
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- Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Die Aufhebung im Ausspruch über die Einsatzstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
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- 3. Die Einziehungsentscheidung ist dahingehend klarzustellen, dass der Angeklagte für den gegen ihn angeordneten Einziehungsbetrag von 1.070,99 Euro in Höhe von 991 Euro als Gesamtschuldner haftet. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte in den Fällen II. 16 und II. 17 der Urteilsgründe bestimmungsgemäß Mitgewahrsam an der jeweiligen Tatbeute erlangt , die hälftig zwischen den Beteiligten aufgeteilt wurde. Die gesamtschuld- nerische Haftung hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nachgeholt (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Juli 2018 – 2 StR 245/18, Rn. 10, zit. nach juris).
Meyberg Grube
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.