Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2015 - 2 StR 12/15

published on 16/07/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2015 - 2 StR 12/15
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 2 / 1 5
vom
16. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Juli 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO sowie § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 29. Oktober 2014,
a) soweit es ihn betrifft,
b) soweit es den Mitangeklagten K. betrifft, im Fall 1 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) soweit es den Angeklagten U. betrifft, im Fall 1 der Urteilsgründe und im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur Beschaffenheit der verwendeten Schreckschusspistole aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen "schwerer räuberi1 scher Erpressung" - unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus zwei Vorverurteilungen - zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Sie führt außerdem zur Teilaufhebung des Urteils hinsichtlich der nicht
2
revidierenden Mitangeklagten U. und K. , die als Gehilfen an der vom Angeklagten N. begangenen Tat beteiligt waren und deshalb - neben der Verurteilung wegen einer weiteren Tat - zu einer Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten (K. ) sowie zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten (U. ) verurteilt worden sind. 1. Die Verurteilung wegen (besonders) schwerer räuberischer Erpres3 sung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte gemeinsam
4
mit dem gesondert verfolgten S. und mit Unterstützung der nicht revidierenden Mitangeklagten K. und U. eine Spielhalle überfallen habe. Während er die Tatwaffe zur Verfügung gestellt, den Fahrer – den Mitangeklagten K. – organisiert und den Tatort abgesichert habe, habe der gesondert verfolgte S. die Angestellte unter Vorhalt der Schreckschusspistole des Angeklagten zur Herausgabe von insgesamt 370 Euro Bargeld veranlasst. Konkrete Feststellungen zur Beschaffenheit und zum Ladezustand der verwendeten Schreckschusswaffe hat das Landgericht nicht getroffen. Seiner Strafzumessung hat es den Strafrahmen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zugrunde gelegt.
5
Die Voraussetzungen dieses Qualifikationstatbestands sind jedoch nicht hinreichend belegt. Feststellungen zum Ladezustand der Schreckschusspistole sind nicht getroffen. Die vom Tatrichter gewählte Formulierung, der unmittelbar handelnde S. habe die Waffe durchgeladen und seine Forderung nach der Herausgabe von Bargeld wiederholt, lässt nicht den sicheren Schluss darauf zu, dass die Schreckschusspistole tatsächlich geladen war. Darüber hinaus fehlt es an den erforderlichen weiteren Feststellungen zur Beschaffenheit der verwendeten Schreckschusspistole. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 - GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201 f.). Hierzu hat der Tatrichter besondere Feststellungen zu treffen, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne mag zwar üblich sein, kann aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390). 2. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die
6
Grundlage. Das Urteil ist deshalb, soweit es den Angeklagten N. betrifft, insgesamt aufzuheben. Von der Aufhebung werden jedoch nur die Feststellungen zur Beschaffenheit der Tatwaffe erfasst; hingegen können die Feststellungen im Übrigen bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen sind zulässig. 3. Die Urteilsaufhebung war hinsichtlich des Falls 1 der Urteilsgründe
7
auf die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und U. zu erstrecken (§ 357 StPO), da der Rechtsfehler auch sie betrifft. Die Urteilsaufhebung entzieht im Falle des Angeklagten K. auch dem Ausspruch über die insoweit verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe, im Falle des Angeklagten U. dem gesamten Strafausspruch die Grundlage. Eine Erstreckung der Urteilsaufhebung auf Fall 2 der Urteilsgründe
8
schied aus. Zwar fehlt es auch insoweit an den erforderlichen Feststellungen zur Beschaffenheit der Schreckschusspistole. Da es sich jedoch um eine selbständige prozessuale Tat handelt, an welcher der allein revidierende Angeklagte N. nicht beteiligt war, kam eine Erstreckung insoweit nicht in Betracht. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu
3 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 09/02/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 17/10 vom 9. Februar 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen zu 1. - 3.: schwerer räuberischer Erpressung u. a. zu 4.: Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung Der 3. Strafsenat des Bundesgerich
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 30/07/2019 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 238/19 vom 30. Juli 2019 in der Strafsache gegen wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2019:300719B4STR238.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung
published on 11/04/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 436/17 vom 11. April 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen zu 1.: schweren Raubs u.a. zu 2.: erpresserischen Menschenraubs u.a. zu 3.: Verabredung zu einem schweren Raub u.a. ECLI:DE:BGH
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.