Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2008 - 1 StR 568/08

published on 18/11/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2008 - 1 StR 568/08
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 568/08
vom
18. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2008 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 30. August 2008 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Oktober
2008 bemerkt der Senat:
1. a) Soweit der Angeklagte eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
(Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) geltend macht, weil die schriftlichen Urteilsgründe
am 15. Oktober 2007 „zur Geschäftsstelle“ gelangt seien, die Zustellung
des Urteils aber erst am 6. Mai 2008 verfügt worden sei, ist diese Rüge schon
nicht in zulässiger Weise erhoben. Denn er trägt entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO nicht alle Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, in
der Revisionsbegründung vor, so dass dem Senat eine entsprechende Nachprüfung
nicht möglich ist.
Zwar dürfen die Anforderungen an den Umfang der Darstellung der den
Mangel enthaltenden Tatsachen bei der Beanstandung einer konventionswidri-
gen Verzögerung während eines wie hier mehrere Jahre währenden Verfahrens
nicht überzogen werden. Von einem Beschwerdeführer ist aber zu erwarten,
dass er einen realistischen Überblick über den tatsächlichen Ablauf des Strafverfahrens
gibt (BGH NJW 2008, 2451, 2452). Dieser Darstellung bedarf es
deswegen, weil für die Frage der Konventionswidrigkeit das Verfahren insgesamt
zu beurteilen ist, regelmäßig beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der
Beschuldigte von der Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens
Kenntnis erlangt. Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Angeklagte bei
seiner Darstellung des Verfahrensablaufs auf den Zeitraum zwischen der Verkündung
und der Zustellung des Urteils. Über den Verfahrensgang vor dieser
Zeit gibt er dagegen keinen Überblick.
Da auch die Sachrüge erhoben ist, kann der Senat zwar insoweit die Urteilsgründe
ergänzend heranziehen. Dort hat die Kammer eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung von drei Jahren und zwei Monaten strafmildernd
gewertet, als zugrunde liegende Tatsachen aber lediglich festgestellt, dass die
polizeilichen Ermittlungen von Dezember 2002 bis Dezember 2003 geruht hätten
und von der Anklageerhebung im Mai 2005 bis zum Beginn der Hauptverhandlung
im Juli 2007 weitere zwei Jahre und zwei Monate verstrichen seien.
Dass der gesamte Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlungsbeginn
als konventionswidrig angesehen worden ist, lässt besorgen, dass
dem Angeklagten jedenfalls auch prozessual vorgesehene Handlungen und
Fristen - z. B. Mitteilung der Anklageschrift mit Erklärungsfrist, § 201 StPO, Entscheidung
über die Eröffnung des Hauptverfahrens, § 203 StPO, die der eingehenden
Vorbereitung bedarf (BGH NJW 2008, 2451, 2453), Terminierung in
Abstimmung möglichst mit der Verteidigung unter Einhaltung der Ladungsfrist,
§§ 217, 218 StPO - zu Unrecht zugute gehalten worden sind. Dies beschwert
ihn aber nicht. Jedenfalls lässt sich das Ausmaß der von dem Angeklagten ge-
rügten Verfahrensverzögerung somit auch nicht unter Heranziehung der schriftlichen
Urteilsgründe bestimmen.

b) Entgegen der Auffassung des Angeklagten hatte der Senat auch nicht
von Amts wegen zu überprüfen, ob eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung
gegeben ist, da der geltend gemachte Verfahrensverstoß vor Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist entstanden ist und der Angeklagte diesen daher ohne
weiteres mit der Verfahrensrüge hätte vortragen können (vgl. BGH NStZ
2001, 52).
2. Die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung (BGH - GS - NJW
2008, 860) führt ebenfalls nicht zu einer Aufhebung des Strafausspruchs. Die
Kammer hat nämlich zur Kompensation der von ihr angenommenen konventionswidrigen
Verfahrensverzögerung sowohl bei der Höhe der jeweiligen Einzelstrafen
als auch bei der Höhe der Gesamtstrafe einen Abschlag von 20 % vorgenommen.
Dieser „doppelte Rabatt“ war rechtsfehlerhaft (Fischer, StGB
55. Aufl. § 46 Rdn. 62), indes belastet er den Angeklagten nicht. Denn wenn die
Kammer ihrem Urteil die Vollstreckungslösung zugrunde gelegt hätte, wäre eine
Anrechnung lediglich auf die Gesamtstrafe, aber nicht auf die Einzelstrafen vorzunehmen
gewesen (BGH - GS - NJW 2008, 860, 866). Der Senat schließt im
vorliegenden Fall daher aus, dass der Angeklagte angesichts des von der
Kammer - zu Unrecht - gewährten Umfangs der Kompensation durch die Nichtanwendung
der Vollstreckungslösung beschwert sein könnte. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass bei nicht reduzierten Einzelstrafen von der Kammer eine
höhere Gesamtstrafe als schuldangemessen angesehen worden wäre. Denn
insbesondere die Einsatzstrafe hätte nicht zwei Jahre und vier Monate, sondern
drei Jahre betragen.
3. Soweit der Angeklagte weiterhin rügt, dass er in den Fällen II. B 2) und

3) der Urteilsgründe wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB verurteilt
worden sei, obwohl ihm in der Anklage insoweit jeweils eine Verletzung der
Buchführungspflicht nach § 283b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB zur Last gelegt
worden sei und ihn die Kammer zuvor auch nicht auf den veränderten rechtlichen
Gesichtspunkt gemäß § 265 Abs. 2 StPO hingewiesen habe, ist die Revision
ebenfalls unbegründet. Das Urteil beruht nicht auf diesem Verstoß. Es ist
im Hinblick auf die Ähnlichkeit der beiden Straftatbestände auszuschließen,
dass sich der geständige Angeklagte bei einem rechtzeitig gegebenen Hinweis
anders und erfolgreicher hätte verteidigen können.
Nack Wahl Graf
Jäger Sander
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel
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published on 18/11/2008 00:00

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle. Die Anklageschrift ist auch dem Nebenkläger und dem Nebenklagebefugten, der dies beantragt hat, zu übersenden; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(2) Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) Zwischen der Zustellung der Ladung (§ 216) und dem Tag der Hauptverhandlung muß eine Frist von mindestens einer Woche liegen.

(2) Ist die Frist nicht eingehalten worden, so kann der Angeklagte bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache die Aussetzung der Verhandlung verlangen.

(3) Der Angeklagte kann auf die Einhaltung der Frist verzichten.

Neben dem Angeklagten ist der bestellte Verteidiger stets, der gewählte Verteidiger dann zu laden, wenn die Wahl dem Gericht angezeigt worden ist. § 217 gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
2.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung er nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
3.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 oder 3 fahrlässig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) § 283 Abs. 6 gilt entsprechend.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.