BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 545/01
vom
20. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2002 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 9. Mai 2001 werden als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Auf der Grundlage der im angefochtenen Urteil dazu getroffenen
Feststellungen und der vom Landgericht insoweit erhobenen
Beweise geht auch der Senat in freibeweislicher Bewertung
davon aus, daß den Telefonüberwachungsmaßnahmen,
deren Ergebnisse Eingang in die Beweiswürdigung gefunden
haben, richterliche Anordnungen zugrundelagen. Er sieht keinen
Anlaß, dem im Revisionsverfahren weiter als im Verfahren
vor dem Landgericht geschehen nachzugehen. Ein Verwertungsverbot
scheidet danach aus. Das gilt zumal auch angesichts
des Gegenstandes der vorliegenden Verurteilungen (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner
StPO 45. Aufl. § 100a Rdn. 21,
§ 100b Rdn. 7).
2. Soweit die Revision des Angeklagten D. eine Beeinträchtigung
des Fragerechts im Blick auf die gesperrten und als unmittelbare
Zeugen nicht zur Verfügung stehenden Vertrauenspersonen
der Polizei (VP) geltend macht (Art. 6 Abs. 3
Buchst. d MRK), dringt sie mit ihrer Beanstandung nicht durch.
Die polizeilichen Vernehmungsbeamten dieser Vertrauenspersonen
hat die Strafkammer als unmittelbare Zeugen zu den
Angaben der VP's vernommen; sie konnten befragt werden.
Aus den Urteilsgründen ergibt sich weiter, daû wenigstens hinsichtlich
einer dieser Vertrauenspersonen eine ergänzende polizeiliche
Vernehmung auf der Grundlage eines konkreten Fragenkatalogs
der Verteidigung stattgefunden hat, deren Ergebnisse
anschlieûend durch den Vernehmungsbeamten als Zeugen
in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind (vgl. UA
S. 28). Die Revision trägt nicht vor, daû solches auch hinsichtlich
der anderen Vertrauenspersonen beantragt und abgelehnt
oder sonst erfolglos versucht worden wäre. Sie teilt auch nicht
mit, welche konkreten Fragen noch hätten gestellt werden sollen.
Angesichts dessen kann hier nicht festgestellt werden, daû
das Verfahren als ganzes nicht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK
fair gewesen wäre.
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet keinen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) An die Beweisführung sind nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes eingedenk des Grundsatzes der freien
Beweiswürdigung (
§ 261 StPO) besondere Anforderungen
zu stellen, wenn die Feststellungen auf die Aussage eines
Zeugen vom Hörensagen gestützt werden, der seinerseits
Angaben einer gesperrten Vertrauensperson der Polizei in
die Beweisaufnahme einführt. In einem solchen Falle bedarf
es regelmäûig der Bestätigung dieser Angaben durch andere
wichtige Beweisanzeichen (BGH NStZ 1994, 502 m.w.
Nachw.). Das gilt für die Beweisführung beim unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, welches eine groûe
Menge von Rauschgift betrifft, die aber tatsächlich nicht umgesetzt
worden ist, auch für die den Schuldumfang mitprägende
Mengenangabe einer solchen Vertrauensperson
(BGH aaO).
In den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe wurden die Angaben
der Vertrauenspersonen der Polizei, die sich durch wechselseitige
Verflechtung auszeichnen, vor allem durch die Aussage
des Zeugen C. bestätigt (UA S. 31/32). Im
Fall 4, der sich mengenmäûig deutlich von den anderen
Fällen des unerlaubten Handeltreibens abhebt, lassen sich
im Blick auf die Tat als solche bestätigende Beweisanzeichen
von Gewicht in dem überwachten und aufgezeichneten
Telefongespräch vom 17. Juni 1997 finden, aber auch in der
Aussage des Zeugen B. zu Einzelheiten des
Randgeschehens der Verhandlungen. Für die groûe, nicht
sichergestellte Rauschgiftmenge des zwischen der polizeilichen
Vertrauensperson " M. " und den Angeklagten
angestrebten Geschäfts finden sich - neben der Schilderung
dieser VP und deren Bewertung - noch hinreichend gewich-
tige anderweitige tatsächliche Umstände, die die Strafkammer
für ihre tatrichterliche Überzeugung ins Feld führt: Diese
belegen zwar nicht unmittelbar und konkret auf die gegenständliche
Tat bezogen die Mengenangabe der VP "
M. ". Sie lassen in ihrer Vielfalt aber den Schluû des
Tatrichters zu, daû der Angeklagte S. Zugang zu Mengen
der in Rede stehenden Gröûenordnung hatte. So war er
zuvor in der Schweiz verurteilt worden, weil er 10,5 kg Heroin
in seiner Wohnung gelagert und "Drogengelder" in Höhe
von 112.000 Schweizer Franken in DM umgewechselt
hatte. Der Angeklagte hat diesen Sachverhalt in der Hauptverhandlung
eingeräumt. Damals handelte der Angeklagte
S. "auf Drängen" eines "Du. " (UA S. 6), zu dem der
Angeklagte nach wie vor Kontakt hat, wie das Landgericht
aufgrund bei ihm aufgefundener Notizen über die Telefonanschlüsse
des "Du. " ausführt (UA S. 36). Nach Angaben
einer anderen polizeilichen Vertrauensperson (UA S. 27) hat
"Du. " aus der Türkei Lieferungen von 20 kg Heroin bezogen
(UA S. 27). Hinzu kommt, daû andere Drogenhändler
bei polizeilichen Vernehmungen den Angeklagten als "groûen
Heroinhändler" (Zeuge Ce. , UA S. 45 f.) und als
denjenigen ("I. ") bezeichnet hatten, der "seit Jahren
Mannheim mit Drogen" beliefere (Zeuge Al. , UA S. 54) und
der "gröûere Mengen" liefere (Zeuge C. , UA S. 32).
Schlieûlich ist das in hohem Maûe auf Abschottung und
Konspiration angelegte Vorgehen in Betracht zu ziehen, das
auch durch das überwachte Telefonat vom 17. Juni 1997
belegt wird. Dieses Telefonat verdeutlicht in der aus Rechtsgründen
nicht zu beanstandenden Bewertung des Landgerichts
(UA S. 17), daû von einer erwarteten Lieferung 2 kg in
die Schweiz gebracht werden sollten. Auch das deutet im
Zusammenhang darauf hin, daû der Angeklagte S. in
der Lage war, Drogengeschäfte über Mengen der auch vom
Landgericht festgestellten Gröûenordnung (10 kg Heroin) zu
tätigen. Der Senat trägt daher in dem hier gegebenen Fall
keine durchgreifenden Bedenken, wenn das Landgericht
nach den Grundsätzen freier Beweiswürdigung (
§ 261 StPO)
insgesamt noch "andere wichtige Beweisanzeichen" auch
hinsichtlich der von der Vertrauensperson "M. " berichteten
Menge gesehen und alles in allem auch insoweit eine
tragfähige Grundlage für die Verurteilung der Angeklagten
angenommen hat.
b) Soweit die Strafkammer bei ihrer Beweiswürdigung zur fortdauernden
Verstrickung des Angeklagten S. in den
Drogenhandel auch dessen Freispruch in einer anderen Sache
durch das Landgericht München I erwähnt und die Zeugenaussage
des dortigen Vorsitzenden Richters dahin bewertet
, dieser habe die Gründe für den Freispruch des Angeklagten
"nicht nachvollziehbar schildern können", verkennt
die Kammer, daû jener Zeuge - zumal im Blick auf die
Gründe des dort ergangenen abgekürzten Urteils - dem Beratungsgeheimnis
unterlag. Die Erwägung begegnet im Ergebnis
allerdings deshalb keinen den Bestand des Urteils
gefährdenden Bedenken, weil die erkennende Kammer den
Abnehmer des Angeklagten S. in jener Sache,
P. , selbst als Zeugen vernommen und sich in jener
Angelegenheit eine eigenständige Überzeugung gebildet
hat.
Schäfer Wahl Schluckebier
Kolz Hebenstreit