Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2016 - 1 StR 53/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. April 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung zu Gunsten der Nebenklägerin getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die zugleich erhobenen Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.
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- Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält, wie die Revision zutreffend bemängelt, sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- 1. Wenn – wie im vorliegenden Fall – Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, ist die Aussage der einzigen Belastungszeugin einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen. Dabei müssen die Urteilsgründe nachvollziehbar erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezo- gen hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 – 5 StR 544/12, NStZ-RR 2013, 119). Insoweit ist zunächst eine zusammenfassende Darstellung etwaiger bestreitender Angaben des Angeklagten notwendig; die Aussage des Angeklagten und die Bewertung seines Aussageverhaltens ist in den Urteilsgründen nachvollziehbar darzulegen (vgl. Miebach in MüKo-StPO, § 261 Rn. 209). Beruht eine Verurteilung im Wesentlichen auf der Aussage einer Belastungszeugin und hat sich diese entgegen früheren Vernehmungen teilweise abweichend erinnert, bedarf es einer geschlossenen Darstellung der jetzigen und der früheren Aussagen der Zeugin, weil ansonsten eine vom Gericht erfolgte Konstanzanalyse revisionsrechtlich nicht überprüft werden kann (vgl. BGH aaO; Miebach aaO § 261 Rn. 236 mwN). Eine gravierende Inkonstanz in den Bekundungen eines Zeugen kann ein Indiz für mangelnde Glaubhaftigkeit darstellen , wenn es hierfür keine plausible Erklärung gibt (vgl. Senat, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Stellt das Gericht in Fällen von Aussage gegen Aussage einen Teil der angeklagten Tatvorwürfe nach § 154 Abs. 2 StPO ein, bedarf es zudem einer Mitteilung der Gründe hierfür, weil diese im Rahmen der gebotenen umfassenden Glaubhaftigkeitsbeurteilung von Bedeutung sein können (vgl. Senat, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 160).
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- 2. Diesen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung der Strafkammer in mehrfacher Hinsicht nicht.
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- a) Die Strafkammer legt schon nicht dar, wie sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung konkret eingelassen hat. Das Landgericht teilt im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich in zwei Sätzen mit, der Angeklagte habe in einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens abgestritten, die Nebenklägerin auf sexuelle Weise beleidigt zu haben, und er habe in der Hauptverhandlung die ihm zur Last gelegten Vorwürfe bestritten. Ob es sich jeweils um ein pauschales oder detailliertes Bestreiten des Angeklagten gehandelt hat und was er im Einzelnen zu den Tatvorwürfen gesagt hat, ist aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich.
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- b) Das Landgericht hat für seine Konstanzanalyse rechtsfehlerhaft nur die letzte (ausführliche) polizeiliche Vernehmung der Nebenklägerin vom 24. Mai 2013 herangezogen. Eine plausible Konstanzanalyse erfordert jedoch den umfassenden Vergleich aller Angaben über denselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Zeitpunkten (vgl. Senat, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172).
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- Zu zwei früheren polizeilichen Vernehmungen führt die Kammer in den Urteilsgründen lediglich aus, es habe sich jeweils nur um kurze Vernehmungen gehandelt, weil diese aus Zuständigkeitsgründen alsbald beendet worden seien. In der ersten Vernehmung am 9. April 2013 habe die Nebenklägerin ausgesagt , der Angeklagte habe ihr gegenüber unverblümt den Wunsch nach Sexu- alkontakt geäußert, sie „begrapscht“ und mehrfach seinen Penis an ihrem Kör- per gerieben. Zudem habe sie hierbei deutlich gemacht, dass sie aufgrund ihrer engen finanziellen Verhältnisse Angst habe, ihre Arbeit zu verlieren, wenn sie den Angeklagten anzeige. In der zweiten Vernehmung am 17. April 2013 habe sie lediglich eine Vergewaltigung geschildert. Erst in der dritten mehrere Stunden umfassenden Vernehmung am 24. Mai 2013 habe die Nebenklägerin erstmals umfassend zur Sache aussagen können und dabei drei vaginale und eine zudem anale Vergewaltigung geschildert.
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- Nähere Einzelheiten zu den ersten beiden Vernehmungen ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht. Der Senat kann auf dieser lückenhaften Grundlage nicht nachvollziehen, welche Gründe es für die erhebliche Änderung im Aussageverhalten der Nebenklägerin gegeben haben mag. Das Landgericht selbst benennt hierfür ebenfalls keine plausiblen Gründe. Dass – wie im Urteil angedeutet – die Angst der Nebenklägerin vor einer Kündigung ihres mit dem Angeklagten geschlossenen Arbeitsverhältnisses der Grund für eine anfängliche Zurückhaltung in den Vernehmungen gewesen sein könnte, lässt sich schon deshalb ausschließen, weil die Nebenklägerin bereits seit dem 28. März 2013 ihrer Arbeit ferngeblieben war und zudem am 7. April 2013 ihr Arbeitsverhältnis schriftlich gekündigt hatte. Die kurze Zeitdauer der zwei Vernehmungen am 9. und 17. April 2013 bietet für sich gesehen ebenfalls keine nachvollziehbare Erklärung für die gravierenden Abweichungen im Aussageverhalten, weil der Kern der tatgegenständlichen Vorwürfe auch in wenigen Worten geschildert werden kann.
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- c) Schließlich teilt die Kammer auch nicht mit, aus welchen Gründen die Einstellung der angeklagten Vergewaltigungstat zu Ziffer 2 der Anklageschrift erfolgt ist. Den Urteilsgründen ist nur zu entnehmen, dass diese Einstellung vorgenommen wurde und die Nebenklägerin auf Vorhalt ihrer polizeilichen Vernehmung die Geschehnisse insoweit bestätigt habe. Was die Nebenklägerin konkret insoweit ausgesagt hat, wird im Urteil – entgegen dem Gebot umfassender Aussageanalyse – nicht mitgeteilt.
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- 3. Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
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wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.