Bundesgerichtshof Beschluss, 18. März 2009 - 1 StR 50/09

published on 18/03/2009 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. März 2009 - 1 StR 50/09
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 50/09
vom
18. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. März 2009 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 14. August 2008 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. Februar 2009 bemerkt der Senat: 1. Zwar ist die Rüge, mit der die Revision einen Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG geltend macht, nicht schon - wie der Generalbundesanwalt meint - unzulässig. Denn in einem Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG liegt - anders als bei Missachtung des in § 51 Abs. 1 BZRG enthaltenen Vorhalteverbots - ein sachlich-rechtlicher Fehler, der auf die allgemeine Sachrüge hin zu berücksichtigen ist (vgl. BGHSt 25, 100; BGH StraFo 2006, 296).
2. Die Rüge ist aber unbegründet.
Entgegen a) der Auffassung des Generalbundesanwalts scheitert sie jedoch nicht daran, dass nach der Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 1972 - 2 StR 384/72 - (BGHSt 25, 25, 26 ff.) eine indizielle Verwertung einer getilgten oder tilgungsreifen Verurteilung und der dieser zugrunde liegenden Tat in einem anderen Strafverfahren für solche Fälle zulässig war, in denen Vortat und Verurteilung bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung wegen der neuen Tat als Beweisanzeichen Bedeutung haben konnten. Denn der Gesetzgeber hat als Reaktion auf diese Rechtsprechung (vgl. BTDrucks. 7/4328 S. 12) in dem Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 25. Mai 1976 (BGBl I, 1278) die Vorschrift des § 49 Abs. 2 BZRG aF (die wortgleich ist mit der geltenden Regelung des § 51 Abs. 2 BZRG) dahingehend konkretisiert, dass diese ausschließlich bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der früheren Tat oder der früheren Verurteilung entstandene Rechte Dritter unberührt lässt. Dies entspricht seither der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (dazu grundlegend BGHSt 27, 108 f.).

b) Ein Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG, wonach eine im Register getilgte oder tilgungsreife Verurteilung und die ihr zugrunde liegende Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden dürfen, liegt aber deshalb nicht vor, weil die vom Landgericht indiziell verwertete Körperverletzungshandlung vom 4. Februar 2002 zum Nachteil der Geschädigten K. nicht Bestandteil der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Rastatt , Az. 9 Cs , rechtskräftig seit 28. Juni 2002, abgeurteilten Tat im Sinne des § 264 StPO ist, die eine Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen L. zum Gegenstand hat.

aa) Bei der zum Nachteil des Zeugen L. begangenen Körperverletzung und derjenigen zum Nachteil der Geschädigten K. handelt es sich jeweils um eine eigene verfahrensrechtliche Tat. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam die Geschädigte hinzu, als der Angeklagte auf den Zeugen L. einschlug. Nachdem sie den Angeklagten aufgefordert hatte, den Zeugen in Ruhe zu lassen, nahm der Angeklagte sie „zur Seite in ein Nebenzimmer“ und schlug dort mehrfach mit den Fäusten auf sie ein. Liegen wie hier zwei materiell -rechtlich selbständige Taten vor, handelt es sich regelmäßig auch um zwei Taten im prozessualen Sinne, es sei denn, die einzelnen Handlungen sind innerlich derart miteinander verknüpft, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände richtig gewürdigt werden kann, die zu der anderen Handlung geführt haben, und dass die getrennte Aburteilung einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 44, 45 jeweils m.w.N.).
Eine solche Verknüpfung der strafbaren Handlungen ist hier, gemessen am Verhalten des Angeklagten, nicht gegeben. Die örtliche und zeitliche Nähe sowie der situative Zusammenhang der beiden Körperverletzungshandlungen genügen dafür nicht. Vielmehr hebt sich jede Körperverletzungshandlung gegenüber einer bestimmten Person, soweit nicht die Voraussetzungen des § 52 StGB gegeben sind, so sehr von jeder Körperverletzungshandlung zum Nachteil eines anderen Menschen ab, dass ein noch so enger äußerer, zeitlicher und psychologischer Zusammenhang verschiedene Körperverletzungshandlungen nicht zu einer Tat im prozessualen Sinne machen kann (vgl. zur Tatidentität bei Tötungshandlungen BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 45). Vorliegend lagen auch weder eine gleichartige Angriffsrichtung noch dasselbe Tatobjekt noch eine Überschneidung im äußeren Tatablauf oder eine deliktsimmanente Verbindung der Handlungen vor.
bb) Auch eine Zusammenfassung der gegenüber den Zeugen L. und K. geführten Schläge zu einer natürlichen Handlungseinheit (vgl. dazu Fischer, StGB 56. Aufl. Vor § 52 Rdn. 3 ff.) scheidet gegenständlich aus. Denn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen sind einer additiven Betrachtungsweise nur ausnahmsweise zugänglich. Greift ein Täter - wie hier - nacheinander einzelne Menschen an, besteht regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann nur dann gelten , wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs - wie etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden - willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 45 m.w.N.). Ein solcher Sonderfall ist vorliegend indes nicht gegeben. Bereits der in Bezug auf die Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten K. neu gefasste Tatentschluss steht der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit entgegen.

c) Der Senat kann offen lassen, ob das Urteil auf dem von der Revision gerügten Verstoß beruhen würde. Nack Wahl Kolz Jäger Sander
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.

(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.

(1) Die Registerbehörde kann auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, daß Eintragungen entgegen den §§ 45, 46 zu tilgen sind, falls die Vollstreckung erledigt ist und das öffentliche Interesse der Anordnung nicht entgegensteht. Die Registerbehörde soll das erkennende Gericht und die sonst zuständige Behörde hören. Betrifft die Eintragung eine Verurteilung, durch welche eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, so soll sie auch die Stellungnahme eines oder einer in der Psychiatrie erfahrenen medizinischen Sachverständigen einholen.

(2) Hat der Verurteilte infolge der Verurteilung durch ein Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, oder das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, verloren, so darf eine Anordnung nach Absatz 1 nicht ergehen, solange er diese Fähigkeit oder dieses Recht nicht wiedererlangt hat.

(3) Gegen die Ablehnung einer Anordnung nach Absatz 1 steht dem Antragsteller innerhalb zwei Wochen nach der Bekanntgabe der Entscheidung die Beschwerde zu. Hilft die Registerbehörde der Beschwerde nicht ab, so entscheidet das Bundesministerium der Justiz.

(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.

(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.