Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 1 StR 366/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) soweit der Angeklagte wegen der Taten zu 1. bis 17. der Urteilsgründe (Steuerhinterziehung in 17 Fällen) verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 32 Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von dieser Gesamtfreiheitsstrafe hat es drei Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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- 1. Der Schuld- und Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, soweit der Angeklagte wegen der Hinterziehung von Lohnsteuer (Taten zu 18. bis 32.) und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (Taten zu 33. bis 47.) jeweils in den Monaten Januar 2010 bis März 2011 verurteilt worden ist.
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- 2. Hingegen kann der Schuldspruch wegen der Verurteilung zu 17 weiteren Taten der Steuerhinterziehung (Taten zu 1. bis 17.) keinen Bestand haben.
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- a) Insoweit hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
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- Der Angeklagte buchte als faktischer Geschäftsführer der A. GmbH Scheinrechnungen in seine Buchführung ein und machte daraus im Zeitraum November 2009 bis März 2011, mithin in 17 monatlichen Voranmeldungen zu Unrecht Vorsteuern geltend, um dadurch seine Steuerzahllast zu senken.
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- b) Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: „I. Soweit der Angeklagte wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt worden ist (Fälle II.1. - Taten 1 bis 16), hat das Urteil keinen Bestand, weil ihm die für die Beurteilung der Frage, ob Tatvollendung oder nur Versuch gegeben ist, maßgeblichen Umstände nicht entnommen werden können.
Steuervergütung der tatbestandliche Verkürzungserfolg erst aufgrund der gemäß § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde ein. In den Konstellationen des § 168 Satz 1 AO ist die Steuerhinterziehung dagegen bereits mit der (unrichtigen ) Anmeldung vollendet (BGH aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 - 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335, 336; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 StR 196/14, NStZ 2015, 282).
2. Die Urteilsgründe enthalten lediglich Feststellungen zur Höhe der in die Buchhaltung des Unternehmens A. GmbH eingeflossenen Rechnungen, aus denen jeweils unberechtigt Vorsteuerbeträge geltend gemacht wurden (UA S. 17 ff.), wobei der Angeklagte die Abgabe von entsprechenden USt-Voranmeldungen veranlasst hat. Daraus lässt sich indes nicht ableiten, ob bereits mit den jeweiligen Voranmeldungen ein Verkürzungserfolg eingetreten ist. Auch aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils lassen sich hierfür keine Anhaltspunkte entnehmen. Das Landgericht führt vielmehr aus, dass die verfahrensgegenständlichen Straftaten im Zuge einer aufgrund von Vorsteuerüberhängen durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung bekannt geworden sind (UA S. 11), ohne dass jedoch deutlich würde, welche Tatzeiträume davon betroffen sind. Zu möglichen Zustimmungserklärungen der zuständigen Finanzbehörden verhält sich das Urteil nicht. Der Umstand, dass das Finanzamt Prüfungsbedarf gesehen hat, spricht dabei eher gegen solche Zustimmungen.
II. Da danach nicht ausgeschlossen ist, dass ein Teil der Taten lediglich in das Versuchsstadium gelangt ist, kann der Schuldspruch insoweit keinen Bestand haben.“
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- c) Dem schließt sich der Senat an. Nichts anderes gilt allerdings für die Tat zu 17., die die Voranmeldung von Vorsteuern aus Scheinrechnungen für den Monat März 2011 betrifft.
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- 3. Die Aufhebung des Schuldspruchs insoweit führt zum Wegfall der für die Taten zu 1. bis 17. verhängten Einzelfreiheitsstrafen und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
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- 4. Die Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deswegen bestehen bleiben. Das neu zuständige Tatgericht wird ergänzende Feststellungen , insbesondere zu den Voraussetzungen von § 168 AO zu treffen haben.
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- Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im Strafausspruch grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, NJW 2013, 949, 950).
Radtke Bär
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, - 2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder - 3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht, - 3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, - 4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder - 6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.
(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.
(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.
Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt. Die Zustimmung bedarf keiner Form.