Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2009 - 1 StR 351/09

published on 18/08/2009 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2009 - 1 StR 351/09
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 351/09
vom
18. August 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2. und 3.: Geiselnahme
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2009 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 9. März 2009 werden als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die dadurch der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Der Angeklagte U. G. wurde wegen Körperverletzung sowie wegen Geiselnahme
in Tateinheit mit Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung
zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren sechs Monaten verurteilt,
seine Eltern, die Angeklagten A. und T. G. , wegen Geiselnahme
jeweils zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren sechs Monaten. Gegenstand
des Verfahrens ist der abschließende Höhepunkt der Leidensgeschichte der
Geschädigten Ga. . Sie ist die - nicht angetraute - Frau des Angeklagten
U. G. , die sich mit diesem im Jahre 2005 im Alter von 16 Jahren verband.
Im Rahmen der Erörterungen zur Strafrahmenbestimmung führt die Strafkammer
aus, „auch die Verwurzelung der Angeklagten in einem archaischen Wertesystem
, welches eine tragende Rolle in der gesamten Beziehung zwischen der
Nebenklägerin und der Familie G. spielte, spräche für die Annahme eines
minder schweren Falles“, um dies dann doch abzulehnen, insbesondere, da
„die Angeklagten bereits seit 1992 in der Bundesrepublik Deutschland leben
und genug Zeit gehabt haben, sich mit dem Werte- und Rechtssystem, welches
jeglichen Zwang und Gewalt gegenüber Frauen innerhalb einer Beziehung ausdrücklich
ablehnt, vertraut zu machen“.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 29. Juni 2009
(hinsichtlich des Angeklagten U. G. ) unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 7. November 2006 - 1 StR 307/06 -, Rdn. 15 (vgl. auch
BGH, Urteile vom 12. September 1995 - 1 StR 437/95 [BGHR StGB § 46 Abs. 2
Kulturkreis, fremder 1]; und vom 22. August 1996 - 4 StR 280/96 [BGHR StGB
§ 46 Abs. 2 Kulturkreis, fremder 2]) bemerkt, dass die Annahme, die Verwurzelung
in einem archaischen Wertesystem spräche grundsätzlich für einen minder
schweren Fall, rechtsfehlerhaft - zu Gunsten des Angeklagten - ist.
Dem tritt der Senat bei.
Die Angeklagten kommen aus dem früheren Jugoslawien. Auch dort war es
verboten und strafbar, den Kopf eines anderen Menschen mit voller Wucht gegen
die Wand zu schleudern, ihn, um ihn gefügig zu machen, zusammen mit
seinem Kind auf offener Straße zu überfallen, ins Auto zu zerren, zu verschleppen
, tagelang einzusperren und während dieser Zeit körperlich zu misshandeln,
wegen eines Fluchtversuchs brutal mit einem Aluminiumbesenstil zusammenzuschlagen
, so dass dieser zerbricht, und damit auch noch zuzustechen. Dar-
auf, dass die Angeklagten bereits seit 1992 in Deutschland lebten, kommt es
daher gar nicht an. Ebenso kann dahinstehen, ob der menschenunwürdige
Umgang der Angeklagten mit der Geschädigten den Vorstellungen der ethnischen
Gruppe, der die Angeklagten angehören, über das Zusammenleben in
einer Familie entspricht, was allerdings abwegig wäre. Die Angeklagten wussten
nämlich sehr genau, dass ihr Vorgehen mit der Rechtsordnung unvereinbar
und strafbar ist. Wenn sie sich gleichwohl „zur Durchsetzung ihrer eigenen
egoistischen Interessen“, um die Geschädigte weiterhin „wie eine Sklavin“ behandeln
zu können, unter Verletzung der elementarsten Prinzipien des deutschen
und europäischen Wertesystems selbstherrlich über das Recht hinwegsetzten
, ist dies zumindest nicht strafmildernd, wie das Landgericht letztlich
auch nicht verkannt hat.
Nack Kolz Hebenstreit
Elf Jäger
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.