Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 1 StR 347/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 20. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
- 2
- Die mit der Sachrüge begründete Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 3
- Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 4
- Die Angeklagte wurde am 4. September 2015 vom Landgericht Nürnberg -Fürth wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt; am 1. Oktober 2014 waren bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung Cannabisprodukte mit einem Trockengesamtgewicht von 447,62 Gramm und einer Wirkstoffmenge von 38,7 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) sowie zwei funktionsfähige Reizstoffsprühgeräte aufgefunden worden. Dieses Urteil ist rechtskräftig.
- 5
- Bei einer weiteren Durchsuchung am 8. September 2015 wurde in ihrer Wohnung sowie dem (nun durchsuchten) dazugehörigen Kellerraum Haschisch mit einem Trockengesamtgewicht von 300,81 Gramm sowie Marihuana mit einem Trockengesamtgewicht von 167,98 Gramm aufgefunden. Die Gesamtmenge an THC betrug 63,0 Gramm. 90 % dieser Betäubungsmittel waren für den gewinnbringenden Verkauf und 10 % für den Eigenkonsum bestimmt. Sie bildeten die Restmenge einer nicht näher bestimmbaren größeren Gesamtmenge an Cannabisprodukten, die die Angeklagte bereits bei der Durchsuchung vom 1. Oktober 2014 in ihrem Kellerabteil gelagert hatte. Diese Cannabisprodukte hatte sie zuvor in mehreren Ankaufsvorgängen erworben, im Keller zu einer Gesamtmenge zusammengeführt und dann stets von den am 1. Oktober 2014 in ihrer Wohnung aufgefundenen Betäubungsmitteln getrennt gehalten. Erst nach dem 1. Oktober 2014 verbrachte sie Teilmengen der im Keller gelagerten Betäubungsmittel nach oben in ihre Wohnung, um sie weiterzuverkaufen bzw. zu konsumieren. Zu diesem Zweck bewahrte sie am 8. September 2015 unter ihrem Wohnzimmertisch Cannabisprodukte in einer Ge- samtmenge von 51,11 Gramm auf. In 1,22 Meter Entfernung hiervon hatte sie ein – jederzeit zugriffsbereites – funktionsfähiges Reizstoffsprühgerät in einer aufgenähten Tasche des Stoffüberzugs ihres Beistelltisches verborgen. Die Angeklagte war bereit, dieses auch gegen Menschen einzusetzen.
II.
- 6
- Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.
- 7
- Der Strafausspruch hält jedoch revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat es versäumt, mit Rücksicht auf die Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben der Angeklagten zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), das mit der Verurteilung der Angeklagten verbundene Gesamtstrafübel ausdrücklich zu erörtern. Das Tatgericht hat grundsätzlich das gesamte Gewicht der verhängten Strafe und ihre Folgen in seine Entscheidung einzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 2011 – 4 StR 367/11, StV 2012, 15; vom 10. November 2010 – 5 StR 456/10, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 6; vom 27. Januar 2010 – 5 StR 432/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 19 und vom 9. November 1995 – 4StR 650/95, BGHSt 41, 310, 314; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1245). Einen Nachteil, der sich für eine Angeklagte dadurch ergibt, dass die Bildung mehrerer Strafen zu einem zu hohen Gesamtstrafübel führt, muss das Tatgericht gegebenenfalls ausgleichen. Diesem rechtlichen Maßstab wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
- 8
- Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung nicht bedacht, dass neben der nun verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren auch die bereits durch das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 4. September 2015 ver- hängte Freiheitsstrafe von vier Jahren vollstreckt werden muss und das daraus resultierende Gesamtstrafübel rechtsfehlerhaft nicht erkennbar berücksichtigt.
- 9
- Da lediglich ein Begründungs- und Wertungsfehler vorliegt, können die Feststellungen bestehen bleiben. Sie dürfen durch solche, die ihnen nicht widersprechen , ergänzt werden. Raum Graf Cirener Fischer Bär
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.