Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2015 - 1 StR 335/14

published on 11/02/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2015 - 1 StR 335/14
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 3 5 / 1 4
vom
11. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2015 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten A. gegen das Urteil
des Landgerichts Regensburg vom 27. November 2013 wird als
unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf
Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Revision beanstandet u.a., die Vorsitzende habe ihrer
Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht genügt,
als sie am 13. Hauptverhandlungstag über eine im Anschluss an
den davor liegenden Verhandlungstag stattgefundene Erörterung
mit dem Ziel einer Verständigung berichtet habe. So hätten die
Argumente der Verteidigung und die Frage, von wem die Initiative
zu dem Gespräch ausgegangen sei, sowie die vom Gericht geäußerten
Vorstellungen dokumentiert werden müssen. Die Rüge hat
keinen Erfolg.

a) Soweit sie sich dagegen richtet, dass die Mitteilung nicht
die Information darüber umfasst habe, dass die Initiative zu dem
Gespräch mit dem Ziel einer Verständigung von der Verteidigung
ausgegangen sei, ist die Rüge jedenfalls unbegründet. Eine da-
hingehende Mitteilungspflicht besteht nicht (vgl. Senat, Beschluss
vom 2. Dezember 2014 – 1 StR 422/14).

b) Soweit die Revision beanstandet, die Argumente der
Verteidigung seien nicht mitgeteilt worden, ist – ungeachtet der
Zulässigkeit der Rüge – ebenfalls kein durchgreifender Rechtsfehler
aufgezeigt. Aus der Mitteilung ergibt sich, dass Gegenstand
der Erörterungen war, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen
eine bewährungsfähige Strafe in Betracht kommt, auch
die ablehnende Position der Staatsanwaltschaft ist detailliert enthalten.
Dem kann sowohl durch den Angeklagten als auch durch
die Öffentlichkeit ohne weiteres entnommen werden, dass die
Verteidigung für eine bewährungsfähige Strafe eingetreten ist.
Weitergehende Mitteilungspflichten, etwa im Hinblick auf die von
der Verteidigung in dem Gespräch im Einzelnen angeführten
Strafzumessungsaspekte, bestehen nicht.
Mitzuteilen sind die von den Gesprächsteilnehmern vertretenen
Standpunkte (BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 86 mwN). Eine
bis in Einzelheiten der Argumentation für den jeweiligen „Standpunkt“
reichende Mitteilungspflicht ist damit nicht verbunden. Die
Anforderungen an den Inhalt der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs.
4 Satz 1 und Satz 2 StPO ergeben sich aus den mit der Mitteilung
verfolgten Zwecken, nämlich vor allem die Eröffnung einer Kontrollmöglichkeit
von Verfahrensabsprachen durch die Öffentlichkeit
sowie die Sicherstellung einer umfassenden Information des
Angeklagten, um diesem eine autonome Entscheidung über die
Beteiligung an der Verständigung zu ermöglichen (vgl. zusam-
menfassend nochmals BVerfG, NStZ 2015, 170). Keiner der beiden
Zwecke erfordert Mitteilungen über die Argumentation von
Gesprächsbeteiligten in Details.
Jedenfalls aber kann angesichts der Besonderheiten des
Verfahrensablaufs ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf
der unterbliebenen ausdrücklichen Mitteilung sowohl über die Äu-
ßerung des Verteidigers, aus seiner Sicht könne „bei einer geständigen
Einlassung … auch zu diesem relativ späten Zeitpunkt
eine bewährungsfähige Strafe durchaus in Betracht kommen“, als
auch über die hierfür angeführten Argumente beruht. Denn die
Vorsitzende hat offen gelegt, dass ein Gespräch stattgefunden
hat, in dem die Möglichkeit einer bewährungsfähigen Strafe erörtert
und eine Einigung nicht erzielt worden ist. Die Details des von
der Verteidigung vertretenen Standpunkts und ihre Rolle bei dem
Verständigungsgespräch lassen sich der Revisionsbegründung
entnehmen. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass der Inhalt des
Gesprächs nicht auf eine inhaltlich unzulässige Absprache gerichtet
war, die auch von der Verteidigung nicht behauptet wird und
nach dem Verfahrensgang (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom
24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 24 ff.) ohnehin
fernliegt. Vor diesem Hintergrund wäre das Unterlassen einer
solchen Mitteilung nach Art und Schwere als untergeordnet im
Hinblick auf den Zweck der Transparenz- und Dokumentationspflichten
– der Verhinderung gesetzeswidriger Absprachen – anzusehen
(vgl. hierzu BVerfG, NStZ 2015, 170, 172.). Dass das
Verteidigungsverhalten des Angeklagten beeinflusst worden sein
könnte, ist angesichts dieser Besonderheiten ebenfalls auszuschließen.

c) Die auf die Unterlassung der Mitteilung der vom Gericht
geäußerten Vorstellungen gerichtete Beanstandung belegt keinen
Rechtsfehler. Der Vortrag der Revision, das Gericht habe bei dem
Gespräch „im Wesentlichen die Position der Staatsanwaltschaft“
geteilt, ist nicht bewiesen. Da die Sitzungsstaatsanwältin dem
schon im Rahmen der Gegenerklärung entgegen getreten war,
hat der Senat im Wege des Freibeweisverfahrens die anderen an
dem Gespräch teilnehmenden Personen hierzu befragt. Die beteiligten
Richter haben substantiiert und sich schlüssig in die Verfahrenslage
einfügend dargelegt, zum Standpunkt der Staatsanwaltschaft
keine Äußerung abgegeben zu haben. Dies deckt sich mit
den Angaben der Sitzungsstaatsanwältin; auch die Schöffen haben
keine Erinnerung an eine Stellungnahme zu Strafvorstellungen
durch das Gericht. Damit ist der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt
, weitere Erkenntnismöglichkeiten standen nicht zur Verfügung.
Danach und im Hinblick auf den unkonkret bleibenden Vortrag
der Revision zur behaupteten Äußerung des Gerichts, hat der
Senat keinen Zweifel, dass das Gericht sich nicht zu Strafvorstellungen
geäußert hat.
2. Die Rüge, die Mitteilung sei nicht gemäß § 273 Abs. 3
StPO vorgelesen und genehmigt worden, hat ebenfalls keinen Erfolg.
Dies gilt schon deswegen, weil das Urteil hierauf nicht beruhen
kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Februar 1993 – 3 StR
443/92; Löwe/Rosenberg-Stuckenberg, StPO 26. Aufl., § 273
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.