Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2019 - 1 StR 310/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer am 12. November 2019 beschlossen:
a) soweit dieser Angeklagte wegen der Taten zu II., III. und IV. verurteilt worden ist;
b) in dem diesen Angeklagten betreffenden Gesamtstrafausspruch und dem Ausspruch über den Vorwegvollzug. Seine weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
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- Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Angeklagten G. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Ö. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 21 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in der Entziehungsanstalt mit einem Vorwegvollzug von einem Jahr und elf Monaten, die Einziehung in Höhe von 700 € und die Einziehungdes Wertes von Taterträgen in Höhe von 320.283,10 € gegen ihn angeordnet.
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- Während die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten G. erfolglos bleibt, führt die Revision des Angeklagten Ö. zur teilweisen Aufhebung.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kaufte der Angeklagte Ö. im Sommer 2017 von dem anderweitig Verfolgten T. 9,9 Kilogramm Marihuana auf Kommission (Tat zu I.). Zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen Mai und November 2017 verkaufte der Angeklagte Ö. bei 22 Gelegenheiten insgesamt 1.150 Gramm Marihuana an T. (Tat zu II. 1. und 2.). Im Sommer / Herbst des Jahres 2017, jedenfalls vor dem 15. November 2017 kaufte und übernahm der Angeklagte Ö. von dem gesondert Verfolgten S. ein Kilogramm Marihuana (Tat zu III.). Am 9. Januar 2018 war er im Besitz von 5,45 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 20 %, welches abzüglich eines Eigenkonsumanteils von 5 % zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war (Tat zu IV.). Vier bis fünf Wochen vor dem 15. November 2017 kaufte der Angeklagte Ö. von dem anderweitig Verfolgten B. 22 Kilogramm Marihuana, welches er mit dessen Unterstützung in der Wohnung des Angeklagten G. lagerte und anschließend verkaufte (Tat zu V.).
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- 2. Die Schuld- und Einzelstrafaussprüche zu den Taten I. und IV. erweisen sich als rechtsfehlerfrei.
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- Auch die den Taten zu II., III. und V. zugrundeliegenden Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen. Die Verurteilung des Angeklagten Ö. wegen selbständiger, real konkurrierender Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in den Fällen II., III. und V. der Urteilsgründe hält hingegen einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil auf der Grundlage der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine abschließende Beurteilung des materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnisses nicht möglich ist.
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- a) So werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden. Dabei ist entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen. Eine Bewertungseinheit kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Betäubungsmittel aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen, aber auch dann, wenn Drogen aus verschiedenen Erwerbsvorgän- gen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden. Demgegenüber kann allein der gleichzeitige Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Mengen aus verschiedenen Liefervorgängen eine Bewertungseinheit nicht, gleichwohl aber Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB bei Teilidentität der Ausführungshandlungen begründen (vgl. insgesamt BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 – 3 StR 487/16 Rn. 4 mwN; vom 3. September 2019 – 1 StR 300/19 Rn. 10 und vom 28. Mai 2018 – 3 StR 88/18 Rn. 7 mwN).
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- b) Das Landgericht hat sich mit der Frage, ob das vom Angeklagten abgesetzte Marihuana (Tat zu II.) ganz oder teilweise aus einer der möglicherweise zuvor zum Zweck der gewinnbringenden Veräußerung bezogenen größeren Mengen (Taten zu III. und V.) stammte, nicht befasst und insoweit keine Feststellungen getroffen.
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- Hierzu hätte aber Anlass bestanden. Dies gilt schon wegen des zeitlichen Ablaufs und des jeweils entsprechenden Wirkstoffgehalts, aber auch, weil der Angeklagte Ö. jedenfalls im Oktober 2017 über einen die Verkaufsmengen deutlich übersteigenden Vorrat verfügte. Hingegen kann der Senat angesichts der Personengleichheit von Käufer und Verkäufer ausschließen, dass zwischen den Taten zu I. und II. eine solche Bewertungseinheit besteht.
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- Mangels entsprechender, vom Tatgericht ergänzend zu treffender Feststellungen bleibt es daher offen, ob und in welchem Umfang die einzelnen Absatzgeschäfte materiell-rechtlich als Teilakte einer auf einen einheitlichen Güterumsatz bezogenen Bewertungseinheit (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 593 ff.) anzusehen sind.
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- 3. Da die Unterbringung in der Entziehungsanstalt auch an die Anlasstaten zu I. und IV. anknüpft, kann sie bestehen bleiben. Die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs zieht jedoch die Aufhebung des Ausspruchs über den Vorwegvollzug nach sich. Die Einziehungsentscheidungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt.
1.
2.
wegen zu 1.: Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. hier: Berichtigung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2020 beschlossen : Der Beschluss des Senats vom 12. November 2019 wird wegen eines offensichtlichen Fassungsversehens dahin abgeändert , dass es in der Beschlussformel zu 2.a) heißen muss „soweit dieser Angeklagte wegen der Taten zu II., III. undV. verurteilt worden ist“. Raum Jäger CirenerECLI:DE:BGH:2020:140220B1STR310.19.0
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.