Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2000 - 1 StR 226/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) des Angeklagten R. im Strafausspruch,
b) der Angeklagten K. im Schuldspruch unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum Tatgeschehen. 2. Im Umfang der Aufhebung werden die Sachen zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision der Angeklagten K. wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub schuldig gesprochen und den Angeklagten R. zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und s echs Monaten sowie die Angeklagte K. z u einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten R. wendet sich mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge ge-gen den Strafausspruch, die Revision der Angeklagten K. mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge gegen den Schuldspruch mit dem Ziel, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten zu verneinen. Beide Rechtsmittel haben mit der Verfahrensrüge der Sache nach Erfolg. 1. Die Revision rügt zu Recht, das Landgericht habe die Eltern der beiden minderjährigen Angeklagten nach den Schlußvorträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung nicht befragt, ob sie noch etwas zur Verteidigung ihrer Kinder anzuführen haben, und ihnen nicht das letzte Wort gewährt.
a) Neben einem jugendlichen Angeklagten ist gemäß § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 und 3 StPO dessen gesetzlichem Vertreter oder Erziehungsberechtigtem stets von Amts wegen - und nicht nur auf Verlangen - das letzte Wort zu erteilen (BGHSt 21, 288, 289; BGH NStZ 1996, 612). Aufgrund des Hauptverhandlungsprotokolls muß der Senat davon ausgehen, daß die Eltern der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 17 und 15 Jahre alten Angeklagten im Sitzungssaal anwesend waren. Die Eltern waren nach dem gemäß Art. 21 EGBGB maßgeblichen tschechischen Recht erziehungsberechtigt. Sie hätten daher nach den Schlußvorträgen befragt und es hätte ihnen das letzte Wort gewährt werden müssen.
b) Dieser Verfahrensverstoß führt hinsichtlich des Angeklagten R. zur Aufhebung des Strafausspruchs. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Erwägungen der Jugendkammer zur Verhängung der Jugendstrafe anders ausgefallen wären, wenn die Eltern des Angeklagten Gelegenheit zur Ä ußerung erhalten hätten (vgl. Senatsbeschluß vom 21. März 2000 - 1 StR 609/99). Hinsichtlich der Angeklagten K. berührt der Rechtsfehler bereits den Schuldspruch, da sich nicht mit Sicherheit ausschließen läßt, daß die An-
hörung der Mutter und des - ebenfalls erziehungsberechtigten - Stiefvaters der Angeklagten zu einer anderen Entscheidung des Landgerichts über die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Angeklagten im Sinne des § 3 JGG geführt hätten. K. hatte zum Tatzeitpunkt das 14. Lebensjahr gerade erst um 10 Monate überschritten. Nach den Feststellungen des Landgerichts war es bei ihr zu erheblichen Entwicklungsstörungen und hierdurch verursachter emotionaler Verwahrlosung und Labilität gekommen. 2. Die Berücksichtigung tatbezogener Umstände bei der Bemessung der Jugendstrafe verstößt nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 1997,
21).
3. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das angefochtene Urteil in den Strafaussprüchen aufzuheben und die weitergehende Revision der Angeklagten K. zu verwerfen. Schäfer Granderath Nack Boetticher KolzmoreResultsText
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Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 67 Stellung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter
(1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden oder Fragen und Anträge zu stellen, steht dieses Recht auch den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern zu.
(2) Die Rechte der gesetzlichen Vertreter zur Wahl eines Verteidigers und zur Einlegung von Rechtsbehelfen stehen auch den Erziehungsberechtigten zu.
(3) Bei Untersuchungshandlungen, bei denen der Jugendliche ein Recht darauf hat, anwesend zu sein, namentlich bei seiner Vernehmung, ist den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern die Anwesenheit gestattet, soweit
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dies dem Wohl des Jugendlichen dient und - 2.
ihre Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt.
(4) Das Jugendgericht kann die Rechte nach den Absätzen 1 bis 3 Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern entziehen, soweit sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Beschuldigten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 bei einem Erziehungsberechtigten oder einem gesetzlichen Vertreter vor, so kann der Richter die Entziehung gegen beide aussprechen, wenn ein Mißbrauch der Rechte zu befürchten ist. Stehen den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nicht mehr zu, so bestellt das Familiengericht einen Pfleger zur Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten im anhängigen Strafverfahren. Die Hauptverhandlung wird bis zur Bestellung des Pflegers ausgesetzt.
(5) Sind mehrere erziehungsberechtigt, so kann jeder von ihnen die in diesem Gesetz bestimmten Rechte der Erziehungsberechtigten ausüben. In der Hauptverhandlung oder in einer sonstigen gerichtlichen Verhandlung werden abwesende Erziehungsberechtigte als durch anwesende vertreten angesehen. Sind Mitteilungen oder Ladungen vorgeschrieben, so genügt es, wenn sie an eine erziehungsberechtigte Person gerichtet werden.
(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.
(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.
(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.
Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie das Familiengericht.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.