Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2019 - 1 StR 223/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 5. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Der Schuldspruch wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Feststellung, dass der Angeklagte bei den Taten als Mitglied einer Bande handelte, in den Urteilsgründen nicht tragfähig mit Tatsachen belegt wird.
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- a) Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325 ff.; Urteile vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04 Rn. 6; vom 29. Februar 2012 – 2 StR 426/11 Rn. 11 und vom 3. September 2014 – 1 StR 145/14 Rn. 20 mwN). Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 2 StR 212/18 Rn. 21). Mitglied einer Bande kann dabei auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216). Auch ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche Bandenmitglieder untereinander kennen und gemeinsam an der Abrede beteiligt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 2 StR 212/18 Rn. 21).
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- b) Gemessen an diesen Maßstäben ist hier nicht belegt, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande handelte, die sich durch Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Ziel fortgesetzten Betäubungsmittelhandels gebildet hatte.
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- Das auf Dauer angelegte Zusammenwirken mehrerer selbständiger, eigene Interessen verfolgender Geschäftspartner begründet beim Betäubungsmittelhandel auch dann keine Bande, wenn die Beteiligten in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung tätig werden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 3 StR 627/14 Rn. 5 mwN). Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in dessen Absatzorganisation als verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüber steht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung (vgl. BGH, Urteile vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04 Rn. 7 und vom 29. Februar 2012 – 2 StR 426/11; Beschlüsse vom 6. Februar 2007 – 4 StR 612/06 Rn. 4; vom 5. Oktober 2007 – 2 StR 436/07 Rn. 3; vom 5. Juli 2011 – 3 StR 129/11 Rn. 8 mwN und vom 31. Juli 2012 – 5 StR 315/12 Rn. 3, jeweils mwN).
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- aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts betätigte sich der Angeklagte spätestens seit dem Jahr 2010 innerhalb eines international operierenden Drogenkartells mit mehreren, zumeist aus Schwarzafrika stammenden Personen , deren Identität nicht geklärt ist, im internationalen Drogenschmuggel (UA S. 4). Er warb auf der Plattform „Facebook“ Kuriere, sog. bodypacker, an und nutzte diese Plattform auch für die Erteilung von Transportaufträgen an die Kuriere und die Organisation der einzelnen Transporte. Dabei verwendete er unter einem Synonym ein Facebook-Benutzerkonto zur Kommunikation mit seinen jeweils nicht näher bekannten Tatgenossen, welche die einzelnen Drogentransporte in Auftrag gaben (UA S. 4). Durch diese Verbindung wirkten der Angeklagte und seine Tatgenossen zusammen, um bei sich ergebenden Gelegenheiten immer wieder Drogengeschäfte mit Gewinnerzielungsabsicht durchzuführen und dabei die Organisationsstrukturen zur effektiveren und risikoloseren Tatbegehung zu nutzen.
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- bb) Diese Feststellungen des Landgerichts zur bandenmäßigen Begehung werden jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung zum Erfordernis einer Bandenabrede nicht tragfähig mit konkreten Tatsachen belegt. Für die Annahme einer Bandenabrede genügt es weder, dass der Angeklagte bei beiden Ta- ten „mit anderen Personen zusammen gehandelt“ (UA S. 18) hat, noch, dass sich aus seinen Chataktivitäten ergab, dass er mit mehreren anderen Personen „in laufender Geschäftsbeziehung“ stand (UA S. 18).Dasselbe gilt für die vom Landgericht angeführten Umstände, dass die Chatpartner des Angeklagten „aus dem Kreis der Auftraggeber sehr vertraut miteinander und auch in der Sache selbst waren“ (UA S. 21)und dass der Angeklagte Auftraggeber hatte, für die er die Kuriere besorgte, als auch Abnehmer hatte, die ihm mitteilten, wieviel er mit den Kurieren mitschicken sollte (UA S. 20). Hierdurch wird lediglich belegt , dass der Angeklagte in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem tätig wurde. Ob er aber in die Absatzorganisation der Verkäuferseite als verlängerter Arm eingebunden war oder auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüberstand, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob die Empfänger der vom Angeklagten organisierten Lieferungen in die Absatzorganisation eingebunden waren oder als Abnehmer eigene Interessen verfolgten. Zur Risikoverteilung zwischen den Beteiligten innerhalb der Geschäftsbeziehung hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
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- 2. Die Sache bedarf neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung zum Vorliegen einer Bandenabrede. Da nicht auszuschließen ist, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine bandenmäßige Begehung belegen, entzieht dies dem Schuldspruch insgesamt die Grundlage. Die durch rechtsfehlerfrei getroffene Feststellungen belegte Strafbarkeit des Angeklagten wegen zweier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 BtMG) kann nicht isoliert aufrechterhalten werden.
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- 3. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen , hebt der Senat die zur Bande getroffenen Feststellungen insgesamt auf. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen im Übrigen bedarf es nicht, da sie von dem Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Schuldspruchs nötigt, nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
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- 4. Ergänzend bemerkt der Senat für die neue Hauptverhandlung:
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- Im Falle einer Verurteilung des Angeklagten hat der neue Tatrichter gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB den Anrechnungsmaßstab für die von dem Angeklagten in dieser Sache im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 1 StR 247/14 Rn. 7 mwN).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.