Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2011 - 1 StR 19/11

published on 15/02/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2011 - 1 StR 19/11
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 19/11
vom
15. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Februar 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 9. November 2009 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Rüge einer Verletzung des § 261 StPO, mit der die Revision beanstandet
, eine im Urteil ausdrücklich als „verlesen“ angegebene eidesstattliche
Versicherung der Geschädigten sei in Wirklichkeit nicht gemäß § 249 StPO als
Urkunde verlesen worden, deckt keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler auf.
Der Senat schließt - die Zulässigkeit der Rüge unterstellt (vgl. dazu BGH,
Beschluss vom 22. September 2006 - 1 StR 298/06, StV 2007, 569, 570
mwN) - aus, dass das Urteil auf dem behaupteten Rechtsfehler beruhen könnte.
Denn der Umstand, dass sich der schon von der Zeugin S. geschilderte
Sachverhalt auch in der in den Urteilsgründen angesprochenen eidesstattlichen
Versicherung der Geschädigten findet, der ihrem Scheidungsantrag beigefügt
war, stellt lediglich ein Randindiz dar. Sein Fehlen könnte das Ergebnis der
sehr sorgfältigen Prüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten
nicht in Frage stellen, zumal dieses Indiz lediglich eine der verjährten Taten des
Angeklagten betrifft. Für die Strafzumessung hat dieses Indiz ebenfalls keine
Bedeutung, da das Landgericht die verjährten Taten lediglich allgemein und
ohne Bezugnahme auf einzelne Fälle strafschärfend gewürdigt hat.
2. Auch die Rüge, das Landgericht habe den Antrag auf (erneute) Einvernahme
des psychiatrischen Sachverständigen Dr. C. im Hinblick auf
die Geschädigte zu Unrecht unter Berufung auf die eigene Sachkunde und damit
unter Verstoß gegen § 244 Abs. 4 StPO abgelehnt, bleibt ohne Erfolg.
Die Rüge wäre jedenfalls unbegründet. Unter den gegebenen Umständen
durfte sich das Landgericht die erforderliche eigene Sachkunde zutrauen.
Mit Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass hier für die Beurteilung
der Glaubwürdigkeit der Geschädigten und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben
die Hinzuziehung der forensisch erfahrenen Psychologin H. ausreichend
war. Anhaltspunkte dafür, dass es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit
der volljährigen und aus nervenärztlicher Sicht keinen Einschränkungen hinsichtlich
ihrer Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit unterliegenden Geschädigten
der Begutachtung durch einen psychiatrischen Sachverständigen bedurft hätte,
bestanden nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 5 StR 419/09,
NStZ 2010, 100; BGH, Beschluss vom 17. November 1999 - 3 StR 438/99,
NStZ 2000, 214; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 74 mwN; vgl. auch
BVerfG, Beschluss vom 6. August 2003 - 2 BvR 1071/03, NJW 2004, 209, 211).
3. Die Strafzumessung gibt Anlass zu folgenden Ausführungen:

a) Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten einen nicht gerechtfertigten
Härteausgleich vorgenommen. Durch den Erlass einer an sich gesamtstrafenfähigen
Bewährungsstrafe konnte für den Angeklagten keine aus-
gleichspflichtige Härte entstehen, er hatte hierdurch sogar einen Vorteil (vgl.
Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 21a mwN). Der Härteausgleich beschwert
den Angeklagten jedoch nicht.

b) Dasselbe gilt für die in ihrer Höhe rechtlich nicht mehr nachvollziehbare
(vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2006 - 5 StR 189/06, StV 2007, 461) Anordnung
, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren zur
Entschädigung für eine festgestellte Verfahrensverzögerung von drei Jahren
und neun Monaten insgesamt zwei Jahre und sieben Monate als vollstreckt zu
gelten haben. Die Strafkammer hat bereits bei der Strafzumessung die überaus
lange Verfahrensdauer mildernd berücksichtigt. Schon deshalb wird sich die
Anrechnung - wie regelmäßig - auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu
beschränken haben (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2008 - 3 StR
416/07, StV 2008, 298; BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07,
NStZ 2008, 234, 236).
4. Der Schriftsatz des Verteidigers vom 14. Februar 2011 lag dem Senat
vor.
Nack Wahl Graf
Jäger Sander
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.