Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2000 - 1 StR 125/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Nach den Feststellungen hat die Angeklagte im Zeitraum April bis Juli 1999 zusammen mit ihrem Lebenspartner in der gemeinsamen Wohnung etwa 1,3 kg Haschisch und Marihuana aufbewahrt. Ende Juli 1999 haben dann beide mit dem von der Angeklagten gesteuerten Wagen über 16 kg Marihuana aus den Niederlanden nach Deutschland verbracht. Sämtliche Rauschgifte wollten sie gewinnbringend weiterverkaufen. In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht hat die Angeklagte sich dahingehend eingelassen, sie sei bei dem Erwerbsvorgang in den Niederlan-den und beim Verstecken des Rauschgiftes im Wagen nicht zugegen gewesen. Sie habe ihr Fahrzeug dann aber in der Kenntnis, daß sie eine nicht geringe Menge Rauschgift mitführe, von Holland nach Deutschland gefahren, da ihr Lebenspartner über keine Fahrerlaubnis verfüge. Ansonsten habe sie mit seinen legalen oder illegalen Geschäften nichts zu tun. Weitergehende Angaben zur Sache hat die Angeklagte abgelehnt. Die Kammer hat die Einbindung der Angeklagten in beide Rauschgiftstraftaten ihres Lebensgefährten u.a. aus einem sogenannten Teilschweigen hergeleitet. Der Umstand, daß die Angeklagte sich auf die dargelegte Einlassung beschränkt habe und zu weitergehenden Angaben nicht bereit gewesen sei, "also lediglich Teileinlassungen" abgegeben habe, sei "ein massiver Hinweis darauf, daß sie Belastendes zu verschweigen" habe. Diese Würdigung des Aussageverhaltens der Angeklagten hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Grundsatz, daß niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. So steht es dem Beschuldigten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (BGHSt 32, 140, 144; 38, 302, 305; BGH NJW 2000, 1426; Miebach NStZ 2000, 234, 235). Allerdings darf bei einer Teileinlassung des Angeklagten sein Schweigen zu einzelnen Fragen gegen ihn verwertet werden (BGHSt 20, 298, 300 m. Anm. Meyer JR 1966, 352; BGHSt 38, 302, 307; BGH bei Dallinger MDR 1968, 203; Hanack in LR 25. Aufl. § 136 Rdn. 27; ders. auch JR 1981, 433). Durch die Einlassung macht sich der Angeklagte freiwillig zum Beweismittel (BGH NJW 1966, 209;
Beulke, Strafprozeßrecht 4. Aufl. Rdn. 495). Sein teilweises Schweigen bildet dann einen negativen Bestandteil seiner Aussage, die in ihrer Gesamtheit der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) unterliegt (Wessels JuS 1966, 172). Eine Teileinlassung in diesem Sinne ist jedoch nicht gegeben, wenn der Angeklagte seine Schuld lediglich grundsätzlich bestreitet (BGHSt 38, 302, 307). Mithin kann hier allein in dem pauschalen Bestreiten, "sie habe ansonsten mit legalen oder illegalen Geschäften des Mitangeklagten nichts zu tun", keine Teileinlassung gesehen werden. Die darüber hinausgehende Einlassung , sie habe in Kenntnis, daß Betäubungsmittel in den Niederlanden erworben , dann nach Deutschland eingeführt und hier verkauft werden sollen, das Fahrzeug mit der nicht geringen Menge geführt, ist hinsichtlich der zweiten Tat (Einfuhr der 16 kg Marihuana und Handeltreiben hiermit) sicherlich eine Teileinlassung, so daß ihre Ablehnung, weitere Angaben zu machen, bei dieser zweiten Tat der Beweiswürdigung unterliegt. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob aufgrund dieser Aussage auch hinsichtlich der ersten Tat im Zusammenhang mit den in der Wohnung sichergestellten Rauschgiften eine Teileinlassung vorliegt und insoweit ihr Schweigen auf weitere Fragen zu ihrem Nachteil gewertet werden kann. Die Tatsache, daß ein Angeklagter sich überhaupt - zu einer Tat - zur Sache einläßt, führt nicht dazu, daß sein Schweigen zu anderen Taten indiziell gegen ihn verwertet werden kann (BGHSt 32, 140, 145 m. Anm. Volk NStZ 1984, 377 und Kühl JuS 1986, 115). Werden einem Angeklagten zwei Taten zur Last gelegt und will er sich nur zu einer davon einlassen, so darf die Bewertung diese Verhaltens nicht von der oft mit Zufälligkeiten verbundenen Frage abhängen, ob die Taten getrennt oder gemeinsam angeklagt bzw. verhan-
delt worden sind. Bei der Prüfung, ob von einem (verwertbaren) Teilschweigen oder einem (nicht verwertbaren) vollständigen Schweigen hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfs auszugehen ist, ist entscheidend, ob die Tatvorwürfe lediglich eine oder mehrere Taten im prozessualen Sinne gemäß § 264 StPO betreffen (so auch Schlüchter in SK-StPO § 261 Rdn. 39). Hier stellen die in Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB zueinander stehenden Verstöße gegen das BtMG unterschiedliche prozessuale Taten dar. Eine getrennte Würdigung ist durchaus möglich, zumal es zu keiner Vereinigung der beiden Rauschgiftmengen (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 3 und 9) gekommen ist. Hinsichtlich der selbständigen Tat bezüglich der 1,3 kg Rauschgift in der Wohnung lag mithin ein vollständiges Schweigen der Angeklagten vor, das die Kammer zu Unrecht zum Nachteil der Angeklagten gewertet hat. Wenngleich das Landgericht in seiner Beweiswürdigung eine Vielzahl von Indizien für die Beteiligung der Angeklagten an den beiden Taten nennt, kann ein Beruhen des Urteils auf dem aufgezeigten Fehler nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr führt der Fehler auch zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich der zweiten Tat bezüglich der 16 kg Marihuana. Zwar ist die Kammer rechtsfehlerfrei bereits aufgrund der insoweit geständigen Einlassung von einer täterschaftlich begangenen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen (vgl. BGHSt 38, 315, 317 ff.; BGH NStZ 1993, 138). Die Täterschaft bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln bedingt aber nicht notwendig auch hinsichtlich des darin zugleich liegenden Handeltreibens die Behandlung als Täter; vielmehr bedarf es der gesonderten Abgrenzung der (Mit-)
Täterschaft zur Beihilfe (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 12; BGH StV 1999, 427). Insoweit spielen die Feststellungen der Kammer zur Einbindung der Angeklagten in die beide Taten betreffenden Aktivitäten ihres Lebensgefährten eine Rolle. Bei der diesbezüglichen Beweiswürdigung hat die Kammer zu Unrecht auch das vollständige Schweigen der Angeklagten zur ersten Tat berücksichtigt. Vors. Richter am BGH Dr. Schäfer ist in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Maul Maul Granderath Nack Wahl
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(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.
(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.
(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.
(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn
- 1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder - 2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
(5) § 58b gilt entsprechend.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.