Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2013 - 1 StR 105/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch wegen der Tat zu II. 3. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen mit den zugehörigen Feststellungen wegen der Taten II. 2. und 4. der Urteilsgründe ,
c) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls, wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, wegen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, mit Beleidigung und mit Sachbeschädigung sowie wegen Beleidigung in sieben tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklag- te mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rüge. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
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- 1. Die Verurteilung wegen der Tat zu II. 3. der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben.
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- Nach den Feststellungen gab der Angeklagte unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen gegen Ausländer gerichtete beleidigende Äußerungen ab. Anschließend schlug er auf den Geschädigten A. ein und versuchte , diesen mit einem Messer in den Hals zu stechen, was ihm wegen einer Ausweichbewegung des Geschädigten nicht gelang. Als der Geschädigte sich entfernte, trat der Angeklagte gegen dessen Fahrrad, wodurch dieses Beschädigungen davontrug. Als der Geschädigte sich wieder näherte, versetzte ihm der Angeklagte einen weiteren Schlag in das Gesicht.
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- Ausgehend hiervon kann die Verurteilung wegen Beleidigung keinen Bestand haben. Es erschließt sich nicht, in welcher Handlung das Landgericht die den Tatbestand erfüllende Handlung des Angeklagten sieht. Soweit die beleidigenden Äußerungen gegen Ausländer erfasst sein sollten, fehlte es an dem gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Strafantrag eines Verletzten und mithin an einer Verfahrensvoraussetzung. Sollte hingegen der Geschädigte A. als Verletzter der Beleidigung anzusehen sein, wäre auch hierdurch der Tatbestand eines Beleidigungsdelikts nicht hinreichend belegt. Zwar hat dieser Geschädigte rechtzeitig Strafantrag wegen Beleidigung gestellt, jedoch lässt sich den Feststellungen keine ehrverletzende Äußerung zu seinen Lasten entnehmen. Der Senat kann auch nicht ausreichend sicher erkennen, dass das Landgericht in den körperverletzenden Handlungen zugleich eine konkludente Beleidigung gesehen hat, da es einen ehrverletzenden Charakter des Angriffs (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. März 2009 - 4 StR 594/08, NStZ-RR 2009, 172) nicht festgestellt hat.
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- Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden tateinheitlichen Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Dem Senat erscheint aber möglich, dass noch entsprechende Feststellungen getroffen werden können, die den Schuldspruch auch wegen Beleidigung zu Lasten des Geschädigten A. tragen. Der Aufhebung der bisherigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedurfte es nicht.
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- 2. Die Strafaussprüche wegen der Taten zu II. 2. und 4. der Urteilsgründe können ebenfalls keinen Bestand haben.
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- Das Landgericht hat in diesen Fällen nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund „fast immer vorhandener deutlicher Alkoholisierung“ in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen sei. An- ders als bei der Tat zu II. 1., bei der das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes nach § 21 StGB mit bestimmendem Gewicht zur Annahme eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB geführt hat, hat es für die Taten zu II. 2. und 3. nicht ersichtlich erwogen, ob dies zur Annahme eines minder schweren Falles nach § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB führen könnte. Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hat es für diese beiden Taten genauso abgelehnt wie für die Tat zu II. 4., da angesichts der zahlreichen Gewaltdelikte des Angeklagten dieser um seine Bereitschaft, sehr schnell gewalttätig zu werden, gewusst habe.
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- Diese Strafrahmenbestimmung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- Zwar können Umstände, die die Schuld erhöhen, zur Versagung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen. Dies kann - wovon die Strafkammer zutreffend ausgeht - bei einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit der Fall sein, wenn der Täter wusste, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt, aber trotzdem Alkohol trinkt. Die Strafkammer hat aber nicht erkennbar bedacht , dass das nur gilt, wenn die verminderte Schuldfähigkeit auf einer selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruht, die dem Täter uneingeschränkt vorwerfbar ist. Ein die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigender Alkoholrausch ist aber dann nicht verschuldet, wenn der Täter alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich ist. Eine Alkoholerkrankung, bei der schon die Alkoholaufnahme nicht als ein die Schuld erhöhender Umstand zu werten ist, liegt regelmäßig vor, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt, der seine Fähigkeit, der Versuchung zum übermäßigen Alkoholkonsum zu widerstehen, einschränkt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2012 - 3 StR 216/12).
- 10
- Die Ausführungen des Landgerichts lassen es als nahe liegend erscheinen , dass der Angeklagte im dargestellten Sinne alkoholkrank war. Denn die Strafkammer stellt dem Sachverständigen folgend fest, dass beim Angeklagten eine schwere Abhängigkeit von Alkohol und Opiaten vorliegt, welche im Laufe der Jahre zu schweren Persönlichkeitsveränderungen geführt hat. Seit seinem 15. Lebensjahr konsumiert der heute 46 Jahre alte Angeklagte Alkohol in erheblichen Mengen, später auch härtere Drogen. Mehrere Entziehungstherapien blieben erfolglos. Der Angeklagte ist auf Dauer arbeitsunfähig. Straftaten unter Alkohol sind seit 1983 immer wieder dokumentiert. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Strafkammer mit der Frage einer krankhaften Alkoholsucht näher auseinandersetzen müssen (vgl. BGH aaO; Urteil vom 12. Juni 2008 - 3 StR 84/08, NStZ 2009, 258; Beschluss vom 3. Februar 2011 - 4 StR 673/10).
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- Der Schuldspruch wird von dem Rechtsfehler nicht berührt. Der Senat kann vielmehr ausschließen, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung schuldunfähig war.
- 12
- 3. Die Aufhebung des Schuldspruchs für die Tat zu II. 3. und der Einzelstrafen für die Taten zu II. 2. und 4. zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Beleidigung wird nur auf Antrag verfolgt. Ist die Tat in einer Versammlung oder dadurch begangen, dass ein Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, so ist ein Antrag nicht erforderlich, wenn der Verletzte als Angehöriger einer Gruppe unter der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verfolgt wurde, diese Gruppe Teil der Bevölkerung ist und die Beleidigung mit dieser Verfolgung zusammenhängt. In den Fällen der §§ 188 und 192a wird die Tat auch dann verfolgt, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Die Taten nach den Sätzen 2 und 3 können jedoch nicht von Amts wegen verfolgt werden, wenn der Verletzte widerspricht. Der Widerspruch kann nicht zurückgenommen werden. Stirbt der Verletzte, so gehen das Antragsrecht und das Widerspruchsrecht auf die in § 77 Abs. 2 bezeichneten Angehörigen über.
(2) Ist das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, so steht das Antragsrecht den in § 77 Abs. 2 bezeichneten Angehörigen zu. Ist die Tat in einer Versammlung oder dadurch begangen, dass ein Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, so ist ein Antrag nicht erforderlich, wenn der Verstorbene sein Leben als Opfer der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verloren hat und die Verunglimpfung damit zusammenhängt. Die Tat kann jedoch nicht von Amts wegen verfolgt werden, wenn ein Antragsberechtigter der Verfolgung widerspricht. Der Widerspruch kann nicht zurückgenommen werden.
(3) Ist die Beleidigung gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Richtet sich die Tat gegen eine Behörde oder eine sonstige Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so wird sie auf Antrag des Behördenleiters oder des Leiters der aufsichtführenden Behörde verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern und für Behörden der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.
(4) Richtet sich die Tat gegen ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder eine andere politische Körperschaft im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes, so wird sie nur mit Ermächtigung der betroffenen Körperschaft verfolgt.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.