Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2002 - 1 StR 100/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung, Vergewaltigung und Nötigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, ist im übrigen indessen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Zum Schuldspruch bemerkt der Senat, daß die Verurteilung des Angeklagten wegen Nötigung im Falle D. der Urteilsgründe (Tat vom 17. Mai 2001) im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
Die Strafkammer nimmt an, der Angeklagte habe den Tatbestand des § 240 StGB dadurch verwirklicht, daû er die Zeugin P. durch Versperren der Fahrbahn an der Weiterfahrt mit ihrem Pkw Fiat gehindert habe. Den Feststellungen zufolge stellte sich der Angeklagte mit ausgebreiteten Armen so auf die Fahrbahn , daû die Zeugin anhalten muûte und keine Möglichkeit mehr hatte, mit ihrem Fahrzeug an ihm vorbeizufahren, ohne ihn zu gefährden. Nachdem der Angeklagte zunächst versucht hatte, die von innen verriegelte Beifahrertür zu öffnen und die Zeugin Anstalten machte, wieder loszufahren, stellte er sich erneut vor den Pkw und legte sich dann mit seinem gesamten Körper auf die Motorhaube, um nun auf diese Weise die Weiterfahrt zu verhindern. Die Zeugin hielt erneut an, weil sie wiederum nicht in Kauf nehmen wollte, den Angeklagten durch eine Weiterfahrt zu gefährden. Allein durch das Versperren der Fahrbahn mit ausgebreiteten Armen ist der Nötigungstatbestand indessen nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des Merkmals der Gewalt in § 240 Abs. 1 StGB liegt solche dann nicht vor, wenn die Handlung lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Betroffenen nur psychischer Natur ist (BVerfGE 92, 1, 16 ff. = BVerfG NStZ 1995, 275, 276). Stellt sich also jemand auf die Straûe und zwingt so - ohne Gefährdung anderer (vgl. § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB) - den ersten herannahenden Autofahrer zum Anhalten, so ist dies nicht strafbar. Daran ändert nichts, daû die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit Sitzdemonstrationen ergangen ist. Die Auslegung des Merkmals der Gewalt in § 240 Abs. 1 StGB kann nicht davon abhängen, welche Ziele der Täter weiter verfolgt, ob er also von seinem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen oder den zum Anhalten gezwungenen Autofahrer zu einem persönlichen Gespräch veranlassen will.
Gleichwohl hat der Schuldspruch auch insoweit im Ergebnis Bestand. Der Angeklagte hat sich anschlieûend, als die Geschädigte wieder anfahren wollte, mit seinem Körper auf die Motorhaube des Pkw Fiat gelegt. Damit hat er nun unter Einsatz seines Körpers und unter Entfaltung gewisser Körperkraft auch ein physisches Hindernis geschaffen, von dem auf die Autofahrerin nicht nur psychische Zwangswirkung durch bloûe Anwesenheit ausging (vgl. im übrigen zur Abgrenzung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes BGH NJW 1995, 3131 - Ausbremsen im Verkehr; BGHSt 41, 182 - sog. ZweiteReihe -Rechtsprechung; BGH, Beschl. vom 1. August 1995 - 1 StR 334/95 - Kreuzungsblockade durch mehrere hundert Personen; BGHSt 41, 231 - "Spaziergangs -Demonstrant"; BGHSt 44, 34 - Gleisblockade mit Stahlkasten). 2. Die Zumessung der Strafe wegen der Vergewaltigung ist indessen von einem Rechtsmangel mitbestimmt. Die Strafkammer wertet strafschärfend, daû der Angeklagte keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Unrecht seines Handelns habe erkennen lassen. Der ablehnenden Haltung der Geschädigten (gegenüber dem vom Angeklagten gewollten und erzwungenen Geschlechtsverkehr) sowohl bei als auch nach der Tat habe er nach wie vor mit Unverständnis gegenübergestanden. Er sei davon überzeugt gewesen, wie er insbesondere durch seine Vorhaltungen während der Vernehmung der Geschädigten gezeigt habe, daû der erzwungene Geschlechtsverkehr dann letztlich doch auch von der Geschädigten gewollt und als angenehm empfunden worden sei (UA S. 23 unten). Dem liegt folgendes zugrunde: Der Angeklagte hatte mit der Zeugin eine auch intime, mittlerweile aber von der Zeugin beendete Beziehung. Er hatte diese unter dem Versprechen, sie "nicht anzufassen" veranlaût, mit ihm in seine Wohnung zu gehen und sich mit ihm ins Bett zu legen. Der Angeklagte hat
den gewaltsamen Beginn des Geschlechtsverkehrs eingeräumt, sich aber weiter dahin eingelassen, die Zeugin sei während des andauernden Geschlechtsverkehrs zum sexuellen Höhepunkt gekommen. Die Geschädigte hingegen hat ausgesagt, während des erzwungenen Geschlechtsverkehrs habe der Angeklagte ein entsprechendes Verlangen geäuûert und angekündigt "zu warten", bis sie auch "komme". Deshalb habe sie einen Höhepunkt vorgetäuscht, um das für sie nach wie vor unerwünschte Geschehen möglichst rasch zu beenden. Diese Angaben hat die Strafkammer ihren Feststellungen zugrunde gelegt. Danach ist zu besorgen, daû die Strafkammer dem Angeklagten bei der Strafbemessung letztlich sein Verteidigungsverhalten angelastet hat. Das ist nicht statthaft. Prozeûverhalten, mit dem ein Angeklagter - ohne die Grenzen zulässiger Verteidigung zu überschreiten - den ihm drohenden Schuldspruch abzuwenden oder die Tat sonst in einem milderen Licht erscheinen zu lassen versucht, darf grundsätzlich nicht straferschwerend berücksichtigt werden, weil hierin eine Beeinträchtigung seines Rechts auf Verteidigung läge (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 17 m.w.Nachw.). Da von der rechtsfehlerhaften Erwägung die Einsatzstrafe betroffen ist, vermag der Senat
nicht auszuschlieûen, daû auch die Gesamtstrafe und die anderen Einzelstrafen von dem Mangel beeinfluût sind. Die dem Rechtsfolgenausspruch zugrundeliegenden Feststellungen werden von der zu beanstandenden Erwägung indessen nicht berührt; sie können bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler in Rede steht. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind zulässig. Nack Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er
- 1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt, - 2.
Hindernisse bereitet oder - 3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.