Bundesfinanzhof Urteil, 20. Juni 2017 - VII R 24/15

ECLI: ECLI:DE:BFH:2017:U.200617.VIIR24.15.0
published on 20/06/2017 00:00
Bundesfinanzhof Urteil, 20. Juni 2017 - VII R 24/15
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Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 11. September 2015  4 K 165/14 und die Bescheide des Hauptzollamts aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Hauptzollamt zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich gegen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben infolge der Einreihung der von ihr zur Fertigung von Hundeleinen aus Taiwan eingeführten "Bolzenhaken" als "andere Waren aus Zink" in die Pos. 7907 der Kombinierten Nomenklatur (--KN--, Zollsatz 5 %) statt in die Pos. 8308 KN (Zollsatz 2,7 %).

2

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) dient die Ware, die --von einer Feder aus Karbonstahl abgesehen-- aus Zinkdruckguss mit einem Aluminiumanteil von 4 % besteht, der Befestigung einer Hundeleine an einem -halsband. Die Ware hat auf der einen Seite einen Haken und auf der anderen Seite eine Öse, mittels welcher die Ware fest mit der Leine verbunden werden kann. Mit dem Haken kann die Ware lösbar mit einem Hundehalsband verbunden werden. ("Befestigungs-")Öse und Haken sind untrennbar verbunden und über die Vertikalachse frei drehbar. Die Sicherung gegen ein versehentliches Aushaken erfolgt durch einen am Haken angebrachten Verschlussbolzen, auf den eine Feder, die sich in der Ware befindet, Druck ausübt. Zum Ein- und Aushaken kann der Bolzen (unter Zusammendrücken der Feder) zurückgeschoben werden.

3

Die Klägerin meldete die Ware als "Karabinerhaken" aus Stahl mit der Codenummer 7326 90 98 90 0 KN oder als "Bolzenhaken" aus Zink mit der Codenummer 8308 10 00 00 0 KN an. Nach einer Außenprüfung für den Zeitraum Januar 2011 bis September 2013 kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) zu der Auffassung, bei der Ware handele es sich um "Karabinerhaken" aus Zink, die nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) 08.0, 11.0 zu Pos. 8308 nicht in diese Position einzureihen und deshalb als "andere Waren aus Zink" der Pos. 7907 KN zu behandeln seien. Mit zwei Einfuhrabgabenbescheiden erhob das HZA Zoll nach. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und erhob später Untätigkeitsklage.

4

Das FG urteilte, das HZA habe zu Recht nach Art. 220 Abs. 1 des Zollkodex für die streitgegenständlichen Einfuhren Zoll nacherhoben, da die Ware in die Unterpos. 7907 00 00 KN ("Andere Waren aus Zink") einzureihen sei. Sie entspreche keiner der in Pos. 8308 KN beschriebenen Waren und sei diesen auch nicht ähnlich. Es handele sich insbesondere nicht um einen "Haken". Aus der Auflistung "Klammern, Haken und Ösen" folge, dass nur vergleichsweise einfache, jedenfalls nicht mit zusätzlichen Vorrichtungen ausgestattete Waren gemeint seien. Der Wortlaut der Unterpos. 8308 10 00 KN könne nicht in dem Sinne gelesen werden, dass "Haken und Ösen" gleichsam als eine Ware ("Haken mit Ösen") angesehen werden. Unter einem "Haken" sei nur ein "winkliges oder gebogenes Stück Metall (...) zum Anhaken, Festhalten von etwas", also eine Ware zu verstehen, die geeignet sei, Gegenstände zu verbinden oder zu halten, ohne über weitere Vorrichtungen zu verfügen. Die streitgegenständliche Ware biete zwar die Möglichkeit, etwas einzuhaken bzw. festzuhalten, sie verfüge aber noch über einen Drehring und damit über eine zusätzliche Vorrichtung, die neben der Befestigung die weitere Funktion biete, ein Verdrehen der verbundenen Gegenstände zu verhindern. Zwar verschließe der vorliegende Haken auch etwas. Da er jedoch mit dem Drehring über eine zusätzliche Funktion verfüge, sei er kein "Verschluss" i.S. der Pos. 8308 KN.

5

Diese Auslegung werde durch die ErlHS 08.0 und 11.0 zur Pos. 8308 bestätigt. Hiernach seien "Karabinerhaken" aus dieser Position ausdrücklich ausgenommen. Aus der Historie dieser Erläuterung ergebe sich, dass Waren ausgewiesen werden sollten, die neben dem Haken über einen Drehwirbel bzw. Drehkopf verfügten.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Nacherhebung der Einfuhrabgaben ist rechtswidrig, da die Ware in die Pos. 8308 KN einzureihen ist.

7

1. Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Daneben gibt es Erläuterungen und Einreihungsavise, die ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (vgl. etwa Senatsurteil vom 7. Juli 2015 VII R 65/13, BFH/NV 2015, 1605; Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- Vario Tek vom 5. März 2015 C-178/14, EU:C:2015:152; Metherma vom 27. November 2008 C-403/07, EU:C:2008:657, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2009, 15, 16). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (Senatsurteil vom 8. November 2016 VII R 9/15, BFHE 256, 286, ZfZ 2017, 103).

8

2. Entgegen der Auffassung des FG erfüllt die streitgegenständliche Ware die Tatbestandsvoraussetzungen der Pos. 8308 KN. Damit scheidet gemäß Anm. 2 Satz 3 zu Absch. XV KN --wonach Waren der Kap. 82 und 83 grundsätzlich nicht zu den Kap. 72 bis 76 und 78 bis 81 gehören-- eine Einreihung in die Pos. 7907 KN aus.

9

a) Anders als das FG geurteilt hat, erfasst Pos. 8308 KN, die in der Fassung der Streitjahre (bis 2016) für "Verschlüsse, Verschlussbügel, Schnallen, Spangen, Klammern, Haken, Ösen und ähnliche Waren, aus unedlen Metallen, für Kleidung, Schuhe, Planen, Täschnerwaren oder zum Fertigen oder Ausrüsten anderer Waren" gilt, nicht nur einfache Haken, Verschlüsse und ähnliche Waren ohne (Befestigungs-)Öse, Drehring oder Verschlussbolzen. (Taschen- und Koffer-)Verschlüsse sind vielmehr üblicherweise aus mehreren in sich beweglichen, teilweise auch unter Federspannung stehenden Teilen --eher komplex-- zusammengesetzt. Verschlüsse, Haken und ähnliche Waren, die an Kleidung, insbesondere Miederwaren, Schuhen, Täschnerwaren usw. angebracht werden, verfügen zudem nahezu immer über mindestens eine ("Befestigungs-")Öse, durch die zur Verbindung des Metallteils mit dem Leder oder Stoff z.B. Fäden, Nieten, Stoffstreifen oder Lederriemen geführt werden können. Die Verwendung einfacher Haken oder eine "ösenlose" Befestigung (durch Verkleben o.ä.) kommt bei der Herstellung einer auch bei Bewegung, Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und sonstiger Beanspruchung stabilen Verbindung zwischen Metallhaken/-verschluss und Stoff, Leder etc. regelmäßig nicht in Betracht. Das Vorhandensein einer (Befestigungs-)Öse ist somit ein objektives Merkmal, das --neben anderen-- die Bestimmung eines Hakens oder Verschlusses "für Kleidung, Schuhe, (...) Täschnerwaren oder zum Fertigen oder Ausrüsten anderer Waren" erkennen lassen kann und ihn von einfachen, gebogenen Drahtstücken oder multifunktional verwendbaren (Karabiner-)Haken ohne Öse unterscheidet.

10

Im Wortlaut der KN finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Ware die Eigenschaft eines Hakens, (Teil eines) Verschlusses oder einer "ähnlichen Ware" für Kleidung, Täschnerwaren oder zum Fertigen oder Ausrüsten anderer Waren i.S. der Pos. 8308 KN verliert, wenn die Ware zur Verbesserung des Nutzungskomforts in der Vertikalachse drehbar ist oder wenn ein Schutzmechanismus gegen versehentliches Aushaken existiert.

11

Der Wortlaut der Pos. 8308 KN umfasst ausdrücklich auch Waren, die "zum Fertigen oder Ausrüsten anderer Waren" als "Täschnerwaren" im engeren Sinn dienen. Auch handelt es sich bei der (Fein-)Täschnerei um einen Zweig des Sattlerhandwerks. Die ErlHS 05.0 zu Pos. 8308 (in Bezug auf Schnallen und Spangen) und die Neufassung des Wortlauts der Pos. 8308 KN ab 2017 bestätigen, dass es für die Einreihung in die Pos. 8308 KN auf eine Unterscheidung zwischen "Sattler-" und "Täschnerwaren" nicht ankommt.

12

Die ErlHS 08.0, 11.0 zu Pos. 8308, nach denen "Karabinerhaken" (engl. "snap hooks", franz. "porte-mousquetons") nicht in die Pos. 8308 KN einzureihen sind, sind ein Hilfsmittel für die Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Zolltarifs und liefern Hinweise für dessen Auslegung. Sie sind aber nicht verbindlich (EuGH-Urteile Sonos Europe vom 17. März 2016 C-84/15, EU:C:2016:184; Lemnis Lighting vom 8. Dezember 2016 C-600/15, EU:C:2016:937, ZfZ 2017, 13). Für die Einreihungsentscheidung maßgeblich sind der Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN, die Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und die Allgemeinen Vorschriften (AV) für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Der Inhalt der Erläuterungen muss mit diesen Bestimmungen in Einklang stehen und darf deren Bedeutung nicht verändern (vgl. EuGH-Urteile Dinter und Europol Frost-Food vom 29. Oktober 2009 C-522/07 und C-65/08, EU:C:2009:663, ZfZ 2009, 331, m.w.N.). Die ErlHS können somit eine Ware, die nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften in eine Position einzureihen ist, aus dieser nicht "ausweisen". Dies gilt unabhängig von der Entstehungsgeschichte der ErlHS, die im Übrigen in Bezug auf "Karabinerhaken" unklar ist.

13

b) Die streitgegenständliche Ware erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen der Pos. 8308 KN. Es handelt sich um eine Ware aus unedlen Metallen, da sie --gemäß Anm. 5 a zu Abschn. XV KN und hinsichtlich der Feder aus Karbonstahl unter Berücksichtigung der Anm. 7 zu Abschn. XV KN und AV 3 b-- als Ware aus Zink anzusprechen ist. Gemäß Anm. 3 zu Abschn. XV KN gehört Zink zu den unedlen Metallen.

14

Das FG hat weiter festgestellt, dass die Ware aus einem Haken und einer ("Befestigungs-")Öse besteht und dass sie auch ein Verschluss ist. Da die Kombination aus Haken, Drehring und Verschlussbolzen für die Einreihung in die Pos. 8308 KN unschädlich bzw. für Anschlussstücke zwischen Trageriemen und Täschnerwaren sogar typisch ist, kann die streitgegenständliche Ware in diese Position eingereiht werden. Das gilt unabhängig davon, ob man die Ware unmittelbar als Haken, Öse, Verschluss oder "ähnliche Ware" i.S. der Pos. 8308 KN ansieht oder ob man zur Einreihung der aus Haken, Öse, Verschlussbolzen und Feder zusammengesetzten Ware ergänzend die AV --vor allem die AV 3 b-- heranzieht. Da das FG die Ware als Haken, Öse und Verschluss angesprochen hat, die alle unter die Pos. 8308 KN fallen, und es keine Umstände festgestellt hat, wonach Verschlussbolzen oder Feder der Ware ihren wesentlichen Charakter verleihen, führen im Streitfall beide Vorgehensweisen zum selben Ergebnis.

15

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka
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published on 11/09/2015 00:00

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben. 2 Sie führte Vorrichtungen zur Befestigung von Hundeleinen an ein Hundehalsband ein, Verkäufer war die Firma A, B. Die Vorrichtungen werden mittels einer Art Öse auf
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Annotations

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.