Bundesfinanzhof Urteil, 15. Juli 2010 - III R 32/08

published on 15/07/2010 00:00
Bundesfinanzhof Urteil, 15. Juli 2010 - III R 32/08
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Gericht

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Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog Kindergeld für seinen Sohn (S), der im August 2001 eine Ausbildung zum Elektroinstallateur begann. Nach dem Inhalt einer Bescheinigung, die der Kläger im Oktober 2001 der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) vorlegte, sollte die Ausbildung bis Januar 2005 dauern.

2

Im Dezember 2004 und im Februar 2005 forderte die Familienkasse den Kläger auf, Unterlagen einzureichen, aus denen das Ausbildungsende zu ersehen sei. Der Kläger kam dem nicht nach. Die Familienkasse hob daher mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 die Festsetzung des Kindergelds ab Oktober 2001 auf und forderte für den Zeitraum Oktober 2001 bis Dezember 2004 einen Betrag von 5.958,15 € zurück. Der Kläger legte dagegen keinen Einspruch ein.

3

Im Juli 2006 übersandte er der Familienkasse eine am 4. Juli 2006 ausgestellte Ausbildungsbescheinigung, in welcher der 19. Januar 2005 als letzter Tag der Abschlussprüfung angegeben ist. Die Familienkasse teilte dem Kläger mit, dass die Erstattungspflicht weiterhin bestehe.

4

Unter dem Datum des 24. April 2007 legte der Kläger "Einspruch" gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2005 ein und verwies zur Begründung auf das Ausbildungsende im Januar 2005. Die Familienkasse behandelte das Schreiben des Klägers auf dessen Bitte hin als Antrag nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO), den es durch Verwaltungsakt vom 15. Mai 2007 ablehnte. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Urteil vom 13. März 2008  10 K 2342/07, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1179). Es führte im Wesentlichen aus, eine Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei nicht möglich. Den Kläger treffe ein grobes Verschulden daran, dass erst nachträglich bekannt geworden sei, dass das Ausbildungsverhältnis im Januar 2005 geendet habe.

6

Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor, das FG habe die Pflicht zur Sachaufklärung verletzt (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es hätte ermitteln müssen, welche Bemühungen er unternommen habe, um die gewünschte Bescheinigung beizubringen und welche Maßnahmen die Familienkasse getroffen habe, um Informationen über das Ausbildungsende zu erlangen. In der nicht rechtzeitigen Übersendung des Nachweises sei allenfalls leichte Fahrlässigkeit zu sehen, da die Firma, bei der S beschäftigt gewesen sei, die Bescheinigung erst im Juli 2006 ausgestellt habe. Einer etwaigen Verletzung der Mitwirkungspflicht sei die unterbliebene Sachaufklärung durch die Familienkasse gegenüberzustellen. Dieser wäre es leicht möglich gewesen, sich bei der Ausbildungsfirma über den Fortbestand des Ausbildungsverhältnisses zu informieren. Unabhängig hiervon hätte die Familienkasse den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid auch deshalb nicht erlassen dürfen, weil das Kindergeld dem Kläger für den streitigen Zeitraum materiell-rechtlich zugestanden habe. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Februar 1996 VII R 50/95 (BFHE 179, 556, BStBl II 1997, 112) ergebe sich, dass für die Frage des Behaltendürfens von Kindergeld allein die materielle Rechtslage entscheidend sei.

7

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 2007 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2007 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, den Bescheid vom 6. Oktober 2005 aufzuheben.

8

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2005 nicht zugunsten des Klägers geändert werden kann.

10

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Die Änderungsvorschrift ist auch im Verfahren über die Aufhebung oder Änderung von Bescheiden über die Festsetzung von Kindergeld anwendbar, da dieses nach § 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes als Steuervergütung gezahlt wird. Auf die Festsetzung einer Steuervergütung sind gemäß § 155 Abs. 4 AO die Vorschriften über die Steuerfestsetzung --somit auch § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO-- sinngemäß anzuwenden (BFH-Urteil vom 23. November 2001 VI R 125/00, BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296).

11

a) Im Streitfall wurde zwar nachträglich durch die Bescheinigung der Ausbildungsfirma bekannt, dass sich S bis Januar 2005 tatsächlich in Ausbildung befunden hatte. Zuvor war dies zweifelhaft gewesen, weil der Kläger auf die Aufforderungen, entsprechende Nachweise vorzulegen, nicht reagiert hatte und somit die Annahme nahe lag, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht (mehr) gegeben waren. Die erst nach Erlass des Aufhebungsbescheids vom 6. Oktober 2005 erstellte Ausbildungsbescheinigung vom 4. Juli 2006 ist kein nachträglich bekannt gewordenes Beweismittel.

12

b) Am nachträglichen Bekanntwerden des Fortbestands des Ausbildungsverhältnisses traf den Kläger jedoch grobes Verschulden. Grobes Verschulden bedeutet Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Vorsätzlich handelt, wer seine Erklärungs- und Mitwirkungspflichten kennt und ihre Verletzung will oder bewusst in Kauf nimmt; grobe Fahrlässigkeit ist demjenigen vorzuwerfen, der die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteil in BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296, m.w.N.; v. Wedelstädt in Beermann/ Gosch, AO § 173 Rz 85). Der Kläger handelte im Streitfall zumindest grob fahrlässig, da er auf die Aufforderungen zur Vorlage eines Ausbildungsnachweises nicht reagierte. Er hätte zumindest mitteilen müssen, dass die Bescheinigung des Arbeitgebers noch nicht vorliegt.

13

2. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht der Familienkasse, die nach Ansicht des Klägers der Annahme groben Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO entgegensteht, ist nicht erkennbar. Die Familienkasse hat gerade dadurch, dass sie den Kläger um einen Ausbildungsnachweis bat, ihre Ermittlungspflicht erfüllt. Sie war nicht gehalten, sich selbst an die Ausbildungsfirma zu wenden, da dies aufgrund der größeren Beweisnähe eine Obliegenheit des Klägers war (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 IX R 75/03, BFH/NV 2005, 1765). Der Senat hat die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung durch das FG (§ 76 FGO) geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Er sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

14

3. Nach zutreffender Entscheidung des FG wirkt sich der Umstand, dass der Kläger materiell-rechtlich kindergeldberechtigt war, auf die Rückzahlungsverpflichtung nicht aus. Mit der Aufhebung des Festsetzungsbescheids entfiel der Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Kindergelds, so dass dieses nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO zurückzuzahlen war.

15

Zu Unrecht ist der Kläger der Auffassung, aus dem BFH-Urteil in BFHE 179, 556, BStBl II 1997, 112 sei herzuleiten, dass eine Rückzahlungsverpflichtung trotz Aufhebung eines Festsetzungsbescheids nicht bestehe, wenn die Gewährung des Kindergelds der materiell-rechtlichen Rechtslage entsprochen habe. Ein Rechtssatz, der diese Ansicht stützt, findet sich nicht in dem zitierten Urteil, das die Tilgungswirkung von Zahlungen des Steuerschuldners auf den abstrakten, materiell-rechtlichen Steueranspruch betrifft. Vielmehr wird in der Entscheidung ausgeführt, dass die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur nach Maßgabe der ergangenen Steuerbescheide zu beurteilen ist. Entsprechendes gilt für das Behaltendürfen von Kindergeld; auch hierfür sind die jeweiligen Festsetzungs- oder Aufhebungsbescheide maßgeblich.

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published on 22/01/2013 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Tatbestand 1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein bestandskräftiger Aufhebungsbescheid zu Gunsten der Klägerin geändert werden kann. 2 Durc
published on 08/12/2011 00:00

Tatbestand 1 I. Zugunsten des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) setzte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) mit Bescheid vom 7. April 2003 ab August
published on 12/08/2011 00:00

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt für seinen Sohn (S) während des gesamten Jahres 2003 Kindergeld. Mit Bescheid vom 27. Juli 2004 setzte d
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Annotations

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

1Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung wird im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 oder durch Kindergeld nach Abschnitt X bewirkt.2Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie.3Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt.4Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die nach Satz 1 gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt.5Bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung nach Satz 4 bleibt der Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate unberücksichtigt, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen § 70 Absatz 1 Satz 2 nicht ausgezahlt wurde.6Satz 4 gilt entsprechend für mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen nach § 65.7Besteht nach ausländischem Recht Anspruch auf Leistungen für Kinder, wird dieser insoweit nicht berücksichtigt, als er das inländische Kindergeld übersteigt.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.