Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Aug. 2010 - II B 30/10

published on 17/08/2010 00:00
Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Aug. 2010 - II B 30/10
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Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) wies die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen die Festsetzung von Spielgerätesteuer nach dem Hamburgischen Spielgerätesteuergesetz (SpStG) für die Zeiträume Dezember 2000 bis Juli 2001, September 2001 bis Februar 2002, Mai bis Juli 2002, September 2002 bis Juni 2003 und August 2003 bis Dezember 2004 erhobene Klage unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05 (BVerfGE 123, 1) ab. Eine erneute Vorlage an das BVerfG sei nicht erforderlich. Der Landesgesetzgeber habe seine Gesetzgebungskompetenzen nicht deshalb überschritten, weil der Geltungsbereich des SpStG nicht ausdrücklich auf das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg beschränkt worden sei. Es liege auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mit der von der Spielgerätesteuer befreiten Hamburger Spielbank vor.

2

Die Klägerin stützt die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das SpStG sei verfassungswidrig, weil es seinen Geltungsbereich nicht auf Hamburg beschränke, sondern auf die gesamte Welt erstrecke. Die Ungleichbehandlung der Spielgerätebetreiber mit den durch das SpStG weltweit von der Spielgerätesteuer befreiten Spielbanken sei ebenfalls verfassungswidrig.

Entscheidungsgründe

3

II. Die Beschwerde ist, sofern sie überhaupt den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, unbegründet. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegt nicht vor.

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1. Das BVerfG hat mit dem Beschluss in BVerfGE 123, 1, zwar § 4 Abs. 1 SpStG für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erklärt, aber im Tenor der Entscheidung weiter ausgeführt, die Vorschrift bleibe für den Zeitraum bis zum Außerkrafttreten des SpStG am 1. Oktober 2005 weiter anwendbar. In Abschn. C. I. 1. des Beschlusses führte das BVerfG aus, die Gesetzgebungskompetenz der Freien und Hansestadt Hamburg für den Erlass des SpStG ergebe sich aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Die Spielgerätesteuer gehöre zu den herkömmlichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern. An diese Beurteilung ist der Bundesfinanzhof (BFH) nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) gebunden. Das BVerfG ist in dem Beschluss offensichtlich davon ausgegangen, dass sich der Geltungsbereich des SpStG auf das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg beschränkt, obwohl dies im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird. Die Ansicht der Klägerin, das SpStG sei so zu verstehen, dass sich sein Geltungsbereich unter Missachtung der der Gesetzgebung der Länder gezogenen räumlichen Grenzen nicht nur auf das Gebiet Hamburgs, sondern auf die gesamte Welt erstrecke, entspricht nicht den allgemein anerkannten Grundsätzen über die Auslegung von Gesetzen, zu denen insbesondere der Grundsatz der verfassungskonformen Gesetzesauslegung rechnet (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 22. September 2009  2 BvL 3/02, BFH/NV 2009, 2119, unter B. 2. a; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 238 f.; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 4 AO Rz 280 f.; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 4 Rz 104 f.). Lässt eine Norm mehrere Deutungen zu, von denen nur eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diejenige Auslegung geboten, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (BFH-Urteile vom 21. Oktober 1997 IX R 29/95, BFHE 184, 466, BStBl II 1998, 142, und vom 14. Dezember 2006 III R 27/03, BFHE 215, 442, BStBl II 2007, 332, unter II. 4. a, jeweils m.w.N.).

5

2. Da das BVerfG mit dem Beschluss in BVerfGE 123, 1, trotz des festgestellten Gleichheitsverstoßes die befristete weitere Anwendung des § 4 Abs. 1 SpStG zugelassen hat, kommt es aufgrund der nach § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Wirkung des Beschlusses auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Befreiung der Hamburger Spielbank von der Spielgerätesteuer mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, nicht mehr an. Im Übrigen hat der BFH bereits wiederholt entschieden, dass insoweit kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorliegt (Beschluss vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BFHE 160, 61, BStBl II 1990, 510, unter B. 2. a; Urteil vom 26. Juni 1996 II R 47/95, BFHE 180, 497, BStBl II 1996, 538, unter II. 3. c cc; ebenso zur Befreiung des Aufwands, der der Spielbankabgabe unterliegt, von der Hamburger Spielvergnügungsteuer BFH-Beschlüsse vom 1. Februar 2007 II B 51/06, BFH/NV 2007, 987, unter II. 5., und vom 27. November 2009 II B 75/09, BFH/NV 2010, 692, unter II. 2. b ee). Die Frage ist also bereits geklärt.

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni
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Tatbestand A. 1 Streitig ist die Rechtmäßigkeit des sich auf den Erbfall in 2013 beziehenden Erbschaftsteuerbescheids vom 19. Juli 2016, das heißt nach Ablauf der Weitergeltungsanordnung aus dem Urteil des BVerfG vom 17. Dezember 2014 1 BvL
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Gesetz ist jede Rechtsnorm.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.