Die Parteien streiten um die Auslegung von § 5 Abs. 6 Nr. 1 des Rundfunkbeitragstaatsvertrags (RBStV).
Die Klägerin ist eine von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) zugelassene, private Rundfunkanbieterin und hat sich mit mehreren anderen Anbietern zu einer Anbietergesellschaft zusammengeschlossen, an der sie 25% der Geschäftsanteile hält. Die Klägerin beschäftigt keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die aktiv an Rundfunkveranstaltungen mitwirken und nutzt keine eigenen Räumlichkeiten oder Fahrzeuge für den Sendebetrieb. Sie ist der Auffassung, als privater Rundfunkanbieterin komme ihr der Befreiungstatbestand des § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV zugute und sie habe deshalb keinen Rundfunkbeitrag zu entrichten.
Ihren Widerspruch gegen einen gleichwohl erstellten Beitragsbescheid vom 1. September 2013 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2013 zurückgewiesen. Ihre Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. November 2014 abgewiesen. Wortlaut, Sinn, Zweck und Entstehungsgeschichte des in § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV enthaltenen Befreiungstatbestandes sprächen für eine Beitragspflicht der Klägerin, da diese nicht als Rundfunkveranstalterin oder -anbieterin agiere.
Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie macht geltend, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV könne sie sich auf diese Ausnahmevorschrift berufen. Anders als etwa die Tatbestände in § 5 Abs. 3 RBStV oder § 5 Abs. 5 RBStV stelle § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV nicht auf die tatsächliche Nutzung bestimmter Betriebsstätten oder Fahrzeuge ab. Der bis zum 1. April 2005 geltende Befreiungstatbestand in § 5 Abs. 5 RGebStV sei zwar eng an die betriebliche Nutzung von Rundfunkempfangsgeräten geknüpft gewesen. Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sei diese Vorschrift, die zu Abgrenzungsschwierigkeiten geführt habe, aber aufgegeben worden. Darüber hinaus spreche auch der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck der Gleichstellung von privaten mit öffentlichrechtlichen Rundfunkveranstaltern gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts und schließlich werde das gewünschte Ziel, dass private Anbieter nicht zur Finanzierung ihrer öffentlichrechtlichen Konkurrenten beizutragen hätten, in Anwendung einer wortgetreuen Auslegung von § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV erreicht, selbst wenn die Vergünstigung dadurch unter Umständen etwas weiter gehe, als aus Billigkeitsgründen unbedingt erforderlich.
Die Klägerin hat beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 5. November 2014 abzuändern und den Beitragsbescheid des Beklagten vom 1. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2013 aufzuheben.
Der Beklagte tritt der Berufung unter Verweis auf sein Schreiben im Verwaltungsverfahren vom 10. Oktober 2013 entgegen. Da die Klägerin nach eigener Aussage keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftige, die bei der Durchführung von Rundfunkveranstaltungen aktiv mitwirken, liege auf der Hand, dass sie nicht jenem Leitbild entspreche, das der Gesetzgeber bei der Schaffung des eng auszulegenden Ausnahmetatbestands in § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV vor Augen gehabt habe. Ergänzend weist er darauf hin, dass es, folge man der Gesetzesauslegung der Klägerin, ein Leichtes wäre, die Rundfunkbeitragspflicht durch eine Zulassung als Rundfunkanbieter zu umgehen. Er hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt, aber keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2013, mit dem die Klägerin zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen wird, ist rechtswidrig. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 5. November 2014 war deshalb abzuändern, der Klage stattzugeben und die genannten Bescheide waren aufzuheben.
Die Klägerin, eine Zeitungsverlagsgesellschaft, ist eine aufgrund bestandskräftigen Bescheids nach Landesrecht zugelassene, private Rundfunkveranstalterin bzw.
-anbieterin. Als solche hat sie gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258; BayRS 2251 - 17 - S) keinen Rundfunkbeitrag zu entrichten, ohne dass es darauf ankommt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Veranstalten von Rundfunk tatsächlich zum Kern des von ihr als Zeitungsverlagsgesellschaft betriebenen Geschäfts gehört.
1. Gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV ist ein Rundfunkbeitrag nach Abs. 1 und 2 nicht zu entrichten von den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, den Landesmedienanstalten oder den nach Landesrecht zugelassenen privaten Rundfunkveranstaltern oder -anbietern. Der Klägerin wurde - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist -mit bestandskräftigem (Verlängerungs-)Bescheid der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) vom 28. August 2012 zum wiederholten Mal gemeinsam mit mehreren anderen Anbietern die Genehmigung erteilt, auf einer UKW-Hörfunkfrequenz mit einem festgelegten Versorgungsgebiet das Programm Radio C******** zu verbreiten. Mithin ist sie eine nach Landesrecht zugelassene private Rundfunkveranstalterin bzw. -anbieterin (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 14, § 20 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV)) i. S. v. § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV, die keinen Rundfunkbeitrag zu entrichten hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob die Klägerin einem - wie auch immer gearteten - „Leitbild eines Rundfunkanbieters im klassischen Sinn“ entspricht, ob sie als Rundfunkveranstalterin „agiert“, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die aktiv an der Durchführung von Rundfunkveranstaltungen mitwirken oder Räumlichkeiten und Fahrzeuge für den Sendebetrieb nutzt. Das folgt nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV, sondern auch aus dessen Sinn und Zweck, der - ebenfalls unstreitig -dazu dient, private Rundfunkveranstalter oder -anbieter nicht zur Finanzierung ihrer Konkurrenz, der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, heranzuziehen und damit das bestehende Wettbewerbsverhältnis zu verzerren.
Für eine derart wortgetreue Auslegung der Vorschrift spricht darüber hinaus auch der anhand ihrer Entstehungsgeschichte erkennbare Wille des Gesetzgebers. Denn die bis zum 31. März 2005 gültige Fassung des früheren Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) in der Fassung vom 24. August 1999, gültig ab 1. April 2000 bis 31. März 2005 (Fassung 2000 bis 2005) hatte in § 5 Abs. 7 RGebStV noch folgende Regelung getroffen:
„Private Rundfunkveranstalter oder -anbieter werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht für Rundfunkempfangsgeräte befreit, die sie für betriebliche, insbesondere studio- und überwachungstechnische Zwecke zum Empfang bereithalten.“
Das formale Kriterium einer Zulassung als privater Rundfunkveranstalter reichte also zum damaligen Zeitpunkt nicht aus, um von der Rundfunkgebührenpflicht befreit zu werden. Die ab dem 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2012 geltende Fassung des RGebStV (Fassung v. 18.10.2004, im Folgenden: Fassung 2005 bis 2012), die Vorgängerregelung des heute gültigen und hier streitigen § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV, enthielt indes keine derartige Einschränkung mehr. § 5 Abs. 5 RGebStV (Fassung 2005 bis 2012) lautete:
„Die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, die Landesmedienanstalten sowie die nach Landesrecht zugelassenen privaten Rundfunkveranstalter oder
-anbieter sind von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post ist von der Rundfunkgebührenpflicht für ihre Dienstgeräte befreit, soweit sie diese im Zusammenhang mit ihren hoheitlichen Aufgaben bei der Verbreitung von Rundfunk zum Empfang bereit hält.“
In der Begründung zum 8. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) heißt es zu dieser Änderung:
„In Abs. 5 werden die gesetzlichen Regelungen der bisherigen Abs. 4, 5 und 7 zusammengefasst. Während die bisherigen Regelungen für die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten und die Landesmedienanstalten sowie die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post unverändert fortgelten, wird die gesetzliche Gebührenfreiheit nunmehr auch auf private Rundfunkveranstalter und -anbieter ausgedehnt. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und des Regelungssystems des Rundfunkstaatsvertrags, der davon ausgeht, dass Rundfunkveranstalter oder -anbieter nur derjenige ist, der selbst als solcher nach § 20 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrags zugelassen ist, wird die Befreiung auf „nach Landesrecht zugelassene“ private Rundfunkveranstalter und -anbieter beschränkt. Damit entfallen bisheriges Antragsverfahren und dazu entstandener Verwaltungsaufwand. Die Beschränkung der Befreiung auf Rundfunkgeräte, die für betriebliche Zwecke bereit gehalten werden und die in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten geführt hat, entfällt.“ (LT-Drs. 15/1921 S. 20).
Gesetzgeberische Intention war somit im Hinblick auf die Gebührenbefreiung privater Rundfunkveranstalter oder -anbieter nicht nur, das bürokratisch offenbar aufwendige Antragsverfahren, dem sich diese bis dato zu unterziehen hatten, ersatzlos abzuschaffen, sondern gleichzeitig mit der Änderung auch die praktisch schwer zu treffende Unterscheidung zwischen einer Rundfunkzwecken dienenden, betrieblichen und einer anderweitigen Nutzung ihrer Rundfunkgeräte entfallen zu lassen.
Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des Beklagten, es sei gleichwohl stets an der von ihm vorgenommenen, einschränkenden Interpretation festzuhalten gewesen, nicht stichhaltig: Sein Verweis auf die Regelungen in § 5 Abs. 5 Satz 1 RGebStV (Fassung 2000 bis 2005) bzw. § 5 Abs. 5 Satz 2 RGebStV (Fassung 2005 bis 2012), wonach die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post von der Rundfunkgebührenpflicht für ihre Dienstgeräte befreit ist, soweit sie diese im Zusammenhang mit ihren hoheitlichen Aufgaben bei der Verbreitung von Rundfunk zum Empfang bereithält, überzeugt schon deshalb nicht, weil insoweit letztere Fassung mit ihrer Vorgängerregelung wörtlich übereinstimmt und damit - anders als im Fall der nach Landesrecht zugelassenen privaten Rundfunkveranstalter oder -anbieter - die Voraussetzung eines betrieblichen Bezugs der Tätigkeit dieser Behörde von Seiten des Gesetzgebers gerade nicht aufgegeben, sondern beibehalten wurde.
Für das geschilderte Normverständnis spricht schließlich auch die Gesetzessystematik der streitgegenständlichen Vorschrift: Im Gegensatz zu den Regelungen in Abs. 3 und 5 des § 5 RBStV, die ebenfalls Ermäßigungs- bzw. Befreiungstatbestände enthalten, stellt § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV nicht auf Betriebsstätten oder Fahrzeuge und deren tatsächliche Nutzung ab.
2. Dieser Befund verbietet auch die vom Beklagten für erforderlich gehaltene teleologische Reduktion von § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV. Zwar sind, wenn eine Vorschrift nach ihrem Wortsinn Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll, Gerichte befugt, den Wortlaut der Vorschrift zu korrigieren. Eine insoweit überschießende Regelung ist dann im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen. Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und kann dazu dienen, eine Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut einschränkend auszulegen, wenn ihr Sinn und Zweck, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (vgl. BVerwG U. v. 7.5.2014 - 4 CN 5/13; BayVGH B. v. 26.3.2015 - 3 BV 13.157 - juris, jeweils m. w. N.). Wie sich aus den Ausführungen unter 1. ergibt, liegen diese Voraussetzungen hier aber nicht vor. Der Beklagte möchte vielmehr aus einer früheren Gesetzesfassung des RGebStV und der hierzu ergangenen (insoweit veralteten) Rechtsprechung herleiten, dass der Priviligierungstatbestand des § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV entgegen seinem Wortlaut und seiner Entstehungsgeschichte nur dann erfüllt sei, wenn Betriebsstätten, sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und Kraftfahrzeuge im Zusammenhang mit Rundfunkveranstaltungen eingesetzt bzw. genutzt werden; der Rundfunkbetrieb mithin das Kerngeschäft des jeweiligen Veranstalters oder Anbieters ausmache. Dabei blendet der Beklagte indes aus, dass genau diese Einschränkung vom Gesetzgeber ausdrücklich und mit nachvollziehbarer Begründung aufgegeben worden ist.
3. Die im weiteren geäußerte Besorgnis des Beklagten, dass es bei dieser Gesetzesauslegung ein Leichtes wäre, die Rundfunkbeitragspflicht durch eine Zulassung als privater Rundfunkveranstalter oder -anbieter zum umgehen, erscheint schon angesichts des vorgeschriebenen, auf Landesrecht beschränkten und vergleichsweise aufwendigen Zulassungsverfahrens (vgl. § 20 Abs. 1 RBStV, Art. 25, 26 BayMG) und der mit ihm verbundenen Kosten (vgl. Verlängerungsbescheid v. 28.8.2012, Bl. 10 d. Akts d. VG) wenig begründet. Außerdem hat sein Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat selbst erklärt, dass es keine Anzeichen für eine diesbezügliche „Flucht aus dem Beitrag“ gebe. Im Übrigen wäre es, würde sich die Befürchtung des Beklagten tatsächlich bewahrheiten, Sache des Gesetzgebers, unter Umständen auf die insoweit unvorhergesehene Situation zu reagieren.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
5. Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.