Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 03. Dez. 2015 - 13a B 15.50173

published on 03/12/2015 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 03. Dez. 2015 - 13a B 15.50173
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Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. April 2015 wird der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. Juni 2014 aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger und tadschikischer Volkszugehöriger muslimisch-sunnitischen Glaubens, geboren am 16. August 1992 in der Provinz Maydan-Wardak. Er reiste am 24. April 2015 auf dem Landweg ins Bundesgebiet ein.

Bei dem persönlichen Gespräch vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 6. Mai 2014 gab der Kläger Folgendes an: Er habe Afghanistan vor vier Jahren verlassen und habe sich danach über drei Jahre lang in Iran und der Türkei aufgehalten. Von Ungarn aus sei er schließlich nach Deutschland gekommen. In Ungarn habe er einen Asylantrag gestellt. Außerdem seien ihm dort Fingerabdrücke abgenommen worden. Ausweispapiere könne er nicht vorlegen. Er habe zuhause in der Landwirtschaft gearbeitet. Am 5. Juni 2014 verzeichnete das Bundesamt EURODAC-Treffer bezüglich Bulgarien und Ungarn. Am 16. Juni 2014 richtete es ein Wiederaufnahmeersuchen an die Dublinstelle in Bulgarien. Mit Schreiben vom selben Tag teilte das Bundesamt dem Kläger mit, dass ein Dublinverfahren eingeleitet worden sei. Die Flüchtlingsbehörde der Republik Bulgarien stimmte dem Ersuchen am 17. Juni 2014 zu.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (1.) und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (2.). In der Begründung ist ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG (nunmehr AsylG) unzulässig sei, weil für dessen Behandlung gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO Bulgarien zuständig wäre. Der Bescheid wurde dem Bundesamt am 7. Juli 2014 von der Deutschen Post als unter der vom Landratsamt Neu-Ulm angegebenen Adresse nicht zustellbar zurückgesandt. Am 20. August 2014 zeigte der Prozessbevollmächtigte seine Vertretung gegenüber dem Bundesamt an und beantragte Akteneinsicht. Am 29. September 2014 erhielt er einen Ausdruck der Asylakte. Am 13. Oktober 2014 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 6 K 14.50260) und beantragte einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (Au 6 S 14.50261). Zusätzlich beantragte er, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Abschiebung nach Bulgarien wäre humanitär unzumutbar, weil er dort in einem Gefängnis zwei Monate lang inhaftiert gewesen und misshandelt worden sei. Ihm würde im Fall der Abschiebung eine Wiederholung der unmenschlichen Behandlung drohen. Das Asylverfahren in Bulgarien weise trotz anderslautender Berichte nach wie vor systemische Mängel auf.

Den Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 22. Oktober 2014 ab. Er sei unzulässig, weil die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG überschritten sei. Er wäre auch unbegründet, weil nach der Neubewertung der Situation durch den UNHCR im Frühjahr 2014 bei den Aufnahmebedingungen trotz weiterbestehender Unzulänglichkeiten bedeutende Verbesserungen eingetreten seien. Die Klage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 17. April 2014, dem Kläger zugestellt am 22. April 2015, ab. Sie sei nicht verfristet. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des fehlgeschlagenen Zustellungsversuchs unter der aktenkundigen Adresse aufgehalten. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sich der Postbedienstete nicht hinreichend um eine Zustellung an den Kläger bemüht habe. Die Klage sei aber unbegründet. Die Beklagte sei nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO nicht zur Prüfung des Asylantrags verpflichtet. Systemische Mängel seien bezüglich Bulgarien nicht mehr erkennbar. Die Begründetheit ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger bislang nicht nach Bulgarien überstellt worden ist. Zwar sei wegen Überschreitens der Sechsmonatsfrist die Zuständigkeit nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf die Bundesrepublik übergangen und der angefochtene Bescheid infolgedessen rechtswidrig geworden, hierdurch sei der Kläger aber nicht in seinen Rechten verletzt, weil die Dublin-Zuständigkeitsvorschriften nur dem Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, aber nicht dem Rechtsschutz der einzelnen Asylbewerber dienten.

Gemäß dem am 22. Mai 2015 gestellten Antrag hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 4. September 2015 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zugelassen (13a ZB 15.50122). Es sei zu klären, ob ein Kläger im Dublin-Verfahren allein durch die Überschreitung der Sechsmonatsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO in seinen Rechten verletzt ist.

Der Kläger macht in der Klagebegründung geltend, dass die Fristenregelungen der Dublin-Verordnung ihren Sinn verlieren würden, wenn ein Verstoß gegen sie nicht gerügt werden könnte.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. April 2015 und den Bescheid des Bundesamts vom 25. Juni 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist in der Klageerwiderung auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Fristenvorschriften nicht individualschützend seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist nach § 77 Abs. 1 AsylG das Asylgesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722).

Die Klage ist zulässig.

Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - InfAuslR 2016, 64 zu Art. 2 Buchst. e Dublin II-VO) richtigerweise als statthafte Klageart angesehen, wenn es - wie hier - um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin III-Verordnung geht (Verordnung -EU- Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - ABl. Nr. L 180 S. 31).

Die Klage wurde fristgerecht erhoben. Die Zweiwochenfrist nach § 74 Abs. 1 AsylG ist nicht überschritten, weil die Frist nicht mit dem Tag des fehlgeschlagenen Zustellungsversuchs (4.7.2014) zu laufen begann. Die Zustellung war nach § 3 VwZG i. V. m. §§ 177 ff. ZPO unwirksam, weil das betreffende Schriftstück dem Kläger nicht übergeben wurde und auch keine Ersatzzustellung stattfand. Die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG greift hier nicht ein, weil der Grund für das Fehlschlagen der Zustellung gemäß den plausiblen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in der Sphäre der Post liegt (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 10 AsylG Rn. 29).

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Die Klage ist auch begründet.

Die Entscheidung der Beklagten, den Asylantrag als unzulässig abzulehnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, auf die nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG abzustellen ist, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil der Asylantrag nicht unzulässig ist.

Die Voraussetzungen des vom Bundesamt zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen § 27a AsylG für eine Unzulässigkeit des Asylantrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit liegen nicht vor, weil Deutschland entgegen der Auffassung der Beklagten zur Entscheidung über die Asylanträge zuständig ist. Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit kann sich aus der Dublin III-Verordnung ergeben, auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Dieses Verfahren dient zuvörderst dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin III-Verordnung ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 2, 3, 4, 5 und 40). Im Verfahren nach der Dublin III-Verordnung steht deshalb insbesondere die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft. Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO). Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran wäre nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO eigentlich die Republik Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, weil der Kläger, aus einem Drittstaat kommend, die Grenze dieses Mitgliedstaats überschritten hatte. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamts hatte Bulgarien mit Schreiben vom 17. Juni 2014 zugestimmt (Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO). Entsprechend der Konzeption der Dublin III-Verordnung hat das Bundesamt den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet. Demzufolge wäre eigentlich Bulgarien nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger aufzunehmen.

Die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaats kommt hier aber nicht mehr zum Tragen, weil sie mittlerweile auf Deutschland übergegangen ist. Nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat. Wird sie nicht innerhalb von sechs Monaten durchgeführt, ist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die an die Antwort der bulgarischen Dublin Unit vom 17. Juni 2014 knüpfende Sechsmonatsfrist war (unstreitig) bereits im Dezember 2014 abgelaufen. In dem maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war die Zuständigkeit Bulgariens somit nicht (mehr) gegeben. Infolgedessen ist der angefochtene Verwaltungsakt, der auf der Annahme der Unzulässigkeit des Asylantrags fußt, rechtswidrig geworden. Es besteht ein Widerspruch zu dem nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar geltenden Unionsrecht (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 16).

Die Rechtswidrigkeit bewirkt dann eine Rechtsverletzung bei dem Adressaten des Verwaltungsakts, wenn die in der Dublin III-Verordnung festgelegten Vorschriften für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats nicht nur die organisatorischen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln, sondern auch dem Grundrechtsschutz dienen und folglich individualschützend sind (BVerwG, U. v. 16.11.2015 - 1 C 4.15 - juris Rn. 24). Eine Rechtsverletzung hinsichtlich des Verstoßes gegen Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erscheint zweifelhaft, weil die Fristbestimmungen des Dublin-Regimes für die Wiederaufnahme keine subjektiven Rechte für den betroffenen Asylbewerber begründen (BVerwG, U. v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - InfAuslR 2016, 64 Rn. 17 zu Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO). In der vorliegenden Fallkonstellation kommt es aber nicht auf die Überschreitung der Sechsmonatsfrist an, sondern auf den Übergang der Zuständigkeit nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO. Ob auch diese Vorschrift lediglich organisatorischen Charakter hat, kann dahinstehen.

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts - Ablehnung des Asylantrags als unzulässig - ergibt sich hier zum einen aus einem Verstoß gegen den Anspruch auf individuelle und eingehende Prüfung des Antrags nach Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl. Nr. L 337 S. 9). Zum anderen ergibt sie sich Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Gemäß der Erwägung Nr. 39 zur Dublin III-Verordnung zielt diese insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 GR-Charta verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten. Hieraus folgt ein Recht auf ein ausreichendes Verfahren zur Feststellung des Status (Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, Art. 18 Rn. 13). Hiergegen würde die Annahme verstoßen, dass die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland zwar kraft Verordnung feststeht, ein Antragsteller sich hierauf aber nicht berufen könnte, so dass die Ablehnung Bestandskraft erlangen würde. Infolge der unanfechtbaren Ablehnung könnte ein Antragsteller sein Asylbegehren nämlich nicht mehr im regulären Asylverfahren geltend machen, sondern nur noch im Rahmen eines Zweitantrags nach § 71 AsylG (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand November 2015, § 71 AsylG Rn. 3). Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG hängt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens davon ab, dass die (engen) Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen vorliegen. Deshalb wären die im ursprünglichen Asylantrag angegebenen Gründe nicht entscheidungserheblich. Außerdem muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Dublin-Verfahren der effektive Zugang zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft gewährleistet sein (EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208 = ZAR 2014, 199 Rn. 59). Somit erfordert der Schutz der Rechtsstellung des Einzelnen, dass jedenfalls ein zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet ist (Individualrechtsschutz nach Übergang der Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat ebenfalls bejahend: VGH BW, U. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - NVwZ 2015, 1155; OVG LSA, B. v. 5.10.2015 - 5 B 259/15.A - juris; OVG NW, U. v. 16.9.2015 - 13 A 800/15.A - juris und 13 A 2159/14.A - DVBl 2016, 59; OVG RhPf, U. v. 5.8.2015 - 1 A 11020/14 - InfAuslR 2016, 29/32; SächsOVG, U. v. 5.10.2015 - 5 B 259/15.A - InfAuslR 2016, 65/70; Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 27a AsylG Rn. 5; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 27a AsylG Rn. 72; Hailbronner a. a. O. § 27a AsylG Rn. 52, 62; Lübbe, Prinzipien der Zuordnung von Flüchtlingsverantwortung und Individualrechtsschutz im Dublin-System, ZAR 2015, 125/131; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a Rn. 15; Müller in Hofmann a. a. O. § 34a AsylG Rn. 15; zum Kriterium der Vermeidung negativer Folgen für den Antragsteller im Fall des Zuständigkeitsübergangs vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, 2014, Art. 29 K9). Im vorliegenden Fall gibt es im Übrigen keinen Anhaltspunkt dafür, dass der ersuchte Staat - Bulgarien - als nunmehr unzuständiger Mitgliedstaat einem nachträglich gestellten Ersuchen zustimmen und dadurch nach Art. 17 Dublin III-VO beschließen würde, den Selbsteintritt auszuüben.

Für einen Individualrechtsschutz spricht außerdem die Erwägung, dass nach Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung besteht (s. auch Erwägungsgrund Nr. 19 und Art. 46 Abs. 1 Buchst. a Nr. ii der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes). Als eine solche ist auch eine Unzuständigkeitsentscheidung nach nationalem Recht zu erachten (Filzwieser/Sprung a. a. O. Art. 27 K11).

Da das Bundesamt den Asylantrag zu Unrecht nach § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt hat, liegen auch die Voraussetzungen für die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids nach § 34a AsylG nicht vor (BVerwG, U. v. 16.11.2015 - 1 C 4.15 - juris Rn. 33).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zuzulassen, ob die Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO i. V. m. Art. 18 GR-Charta und Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU auch individualschützenden Charakter hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 16/09/2015 00:00

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. März 2015 geändert. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2014 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens,
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published on 28/04/2016 00:00

Tenor 1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18.11.2015 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
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Annotations

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Das Oberverwaltungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Es berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde.

(2) Für die Ausführung der Zustellung gelten die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Fall des § 181 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann das zuzustellende Dokument bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden oder bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, wenn sie ihren Sitz an einem der vorbezeichneten Orte hat. Für die Zustellungsurkunde, den Zustellungsauftrag, den verschlossenen Umschlag nach Absatz 1 und die schriftliche Mitteilung nach § 181 Abs. 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung sind die Vordrucke nach der Zustellungsvordruckverordnung zu verwenden.

(1) Der Ausländer hat während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen.

(2) Der Ausländer muss Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist. Der Ausländer muss Zustellungen und formlose Mitteilungen anderer als der in Absatz 1 bezeichneten öffentlichen Stellen unter der Anschrift gegen sich gelten lassen, unter der er nach den Sätzen 1 und 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen des Bundesamtes gegen sich gelten lassen muss. Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.

(3) Betreiben Familienangehörige im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 ein gemeinsames Asylverfahren und ist nach Absatz 2 für alle Familienangehörigen dieselbe Anschrift maßgebend, können für sie bestimmte Entscheidungen und Mitteilungen in einem Bescheid oder einer Mitteilung zusammengefasst und einem Familienangehörigen zugestellt werden, sofern er volljährig ist. In der Anschrift sind alle volljährigen Familienangehörigen zu nennen, für die die Entscheidung oder Mitteilung bestimmt ist. In der Entscheidung oder Mitteilung ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, gegenüber welchen Familienangehörigen sie gilt.

(4) In einer Aufnahmeeinrichtung hat diese Zustellungen und formlose Mitteilungen an die Ausländer, die nach Maßgabe des Absatzes 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der Anschrift der Aufnahmeeinrichtung gegen sich gelten lassen müssen, vorzunehmen. Postausgabe- und Postverteilungszeiten sind für jeden Werktag durch Aushang bekannt zu machen. Der Ausländer hat sicherzustellen, dass ihm Posteingänge während der Postausgabe- und Postverteilungszeiten in der Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt werden können. Zustellungen und formlose Mitteilungen sind mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt.

(5) Die Vorschriften über die Ersatzzustellung bleiben unberührt.

(6) Müsste eine Zustellung außerhalb des Bundesgebiets erfolgen, so ist durch öffentliche Bekanntmachung zuzustellen. Die Vorschriften des § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes finden Anwendung.

(7) Der Ausländer ist bei der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung auf diese Zustellungsvorschriften hinzuweisen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.