Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 05. Aug. 2014 - 10 BV 13.2020

published on 05/08/2014 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 05. Aug. 2014 - 10 BV 13.2020
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Verwaltungsgericht München, 23 K 10.1983, 09/02/2011

Gericht

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Tenor

I.

In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2011 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Klage der Klägerin, mit der sie die Feststellung begehrt, dass sie für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten darf.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat dieser am 28. April 2010 erhobenen Feststellungsklage der Klägerin mit Urteil vom 9. Februar 2011 stattgegeben. Die Klage sei gemäß § 43 Abs. 1 VwGO als vorbeugende Feststellungsklage zulässig. Der Klägerin, die bei einer verspäteten Landung am Flughafen München am 29./30. September 2009 ihren Anschlussflug nach Istanbul nicht mehr habe erreichen können und der durch die Beklagte das Verlassen des Transitbereichs des Flughafens und die Einreise zum Zwecke der Übernachtung in einem Hotel mangels Visum verweigert worden sei, sei es nicht möglich, die Rechtmäßigkeit der ihr verwehrten Einreise im Wege einer nachträglichen Feststellungsklage überprüfen zu lassen. Gegenstand einer vorbeugenden Feststellungsklage könne jedoch auch ein hinreichend konkreter zukünftiger Sachverhalt sein. Die Klägerin, die nach eigenem Vortrag einer türkischen Unternehmerfamilie angehöre und regelmäßig weltweit unterwegs sei und dabei überwiegend Dienstleistungen von Fluggesellschaften in Anspruch nehme, habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten gerichtlichen Feststellung, da es hinreichend wahrscheinlich sei, dass sie erneut - zum Beispiel aufgrund Annullierung oder Verspätung von Flügen - kurzfristig und ungeplant in das Bundesgebiet zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, einreisen möchte. Ohne Besitz des entsprechenden Visums riskiere sie sogar strafrechtliche Konsequenzen. Die Klage sei auch begründet, da die Klägerin als Inhaberin eines gültigen türkischen Nationalpasses für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, einreisen und sich hier aufhalten dürfe. Zwar gehöre die Türkei zu den Staaten, deren Staatsangehörige für Aufenthalte bis zu drei Monaten nach § 6 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit der maßgeblichen EG-Verordnung im Besitz eines entsprechenden Visums (Schengen-Visum) sein müssten. Jedoch könne sich die Klägerin auf Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (Zusatzprotokoll), dem nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbare Wirkung zukomme, berufen mit der Folge, dass die nachträglich eingeführte Visumpflicht (auch) für türkische Staatsangehörige als neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nicht anwendbar sei. Die im März 2001 durch Art. 1 Abs. 1 EG-VisaVO eingeführte Visumpflicht unterwerfe die Klägerin bei der Einreise strengeren Voraussetzungen, als sie in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Januar 1973 gegolten hätten. Sie stelle eine neue Beschränkung im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll dar. Maßgeblich für die Interpretation des Begriffs des freien Dienstleistungsverkehrs in dieser Bestimmung sei das Verständnis der Vertragsparteien von der Dienstleistungsfreiheit im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls. Der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne der Art. 56 ff. AEUV (früher: Art. 49 ff. EG), der heute unstreitig sowohl die aktive als auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse, habe die passive Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls als Rechtsposition mit eingeschlossen. Dies ergebe sich mit Blick sowohl auf die Erwägungsgründe und Art. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 als auch auf die Richtlinie Nr. 73/148/EWG vom 21. Mai 1973. Dem Assoziierungsabkommen und der Präambel des Zusatzprotokolls lasse sich nicht entnehmen, dass durch Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ausschließlich neue Beschränkungen der aktiven Dienstleistungsfreiheit verboten werden sollten. Zwar folge aus Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll keine (generelle) Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige, die zum Beispiel gelegentlich eines (Verwandten-)Besuchs im Bundesgebiet auch Dienstleistungen empfangen oder sogar dauerhaft in das Bundesrepublik einreisen wollten. Da sich die Klägerin aber kurzfristig zum zielgerichteten Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, in das Bundesgebiet begeben wolle, greife in ihrem Fall Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll.

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe bereits zu Unrecht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Denn der Klägerin sei tatsächlich nie die Einreise verweigert worden; sie sei nie bei der Bundespolizei am Flughafen vorstellig geworden. Zudem fehle es an der hinreichenden Konkretheit des festzustellenden Rechtsverhältnisses. Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll beziehe sich im Übrigen einzig und allein auf den aktiven Dienstleistungsverkehr, also die Dienstleistungserbringung und nicht die passive Dienstleistungsfreiheit, der das Erstgericht im angefochtenen Urteil die touristischen Zwecke zuordne. Gegen das vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte weite Verständnis des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll spreche schon die in Art. 1 Zusatzprotokoll dargelegte Zielsetzung der vorrangigen Annäherung der ökonomischen Verhältnisse zwischen den Vertragsparteien durch den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und die Ausweitung des Handelsverkehrs. Gegen eine Ausweitung der Dienstleistungsfreiheit auch auf Empfänger von Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten spreche zudem, dass damit die Unterscheidung zwischen Personen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben wollten, und Personen, die zu anderen Zwecken (zum Beispiel Studium, Besuch etc.) ins Bundesgebiet einreisen wollten, unmöglich gemacht würde. Türkische Staatsangehörige, die zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollten, hätten auch schon vor Inkrafttreten des Zusatzprotokolls nach dem damals gültigen Ausländerrecht der Visumpflicht unterlegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie, das Berufungsverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV erneut die Frage der Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll für den Fall der Inanspruchnahme touristischer Dienstleistungen als alleinigem Aufenthaltszweck vorzulegen.

Das Verwaltungsgericht gehe zu Recht von der Zulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage aus. Die Fluggesellschaft habe bei dem betreffenden Vorfall versucht, bei der Beklagten ein Einreisevisum für die Klägerin für eine Übernachtung im Hotel einzuholen. Die Beklagte habe dies jedoch verweigert. Da bei der Klägerin jederzeit wieder ein ähnlicher Fall eintreten könne und sie ein schutzwürdiges Interesse habe, nicht erneut mit den Unannehmlichkeiten einer verweigerten Einreise konfrontiert zu werden, sei die Klage zulässig. Nicht zutreffend sei auch die Auffassung der Beklagten, der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll beinhalte nur den aktiven Dienstleistungsverkehr. Dass nach europäischem Recht im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls die Dienstleistungsfreiheit auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasst habe, sei vom Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung festgestellt worden. Im Übrigen sei die allgemeine Visumpflicht für türkische Staatsbürger erst im Jahr 1980 eingeführt worden. Vorher habe eine Visumpflicht nur für Personen bestanden, die zum Zweck der Erwerbstätigkeit einreisen wollten.

Mit Beschluss vom 22. September 2011 hat der Verwaltungsgerichtshof das Berufungsverfahren im Hinblick auf ein beim Gerichtshof der Europäischen Union in einem gleich gelagerten Verfahren anhängiges Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV (Vorabentscheidungsersuchen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011) ausgesetzt.

Mit Urteil vom 24. September 2013 hat der Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Verfahren (Rechtssache Demirkan - C-221/11, Rn. 63) entschieden, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls dahin auszulegen sei, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasse, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

Nach der Fortsetzung des Berufungsverfahrens haben sich die Beklagte, der Vertreter des öffentlichen Interesses und die Klägerin zu dieser Entscheidung und zu einer möglichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nach § 130a VwGO geäußert. Die Klägerin macht geltend, mit der Entscheidung des EuGH seien nicht alle europarechtlichen Fragen beantwortet. Insbesondere habe der Gerichtshof noch nicht ausreichend differenziert zwischen der Frage der Visumfreiheit bei nur gelegentlichem Empfang von Dienstleistungen im Fall Demirkan und einem Fall wie dem der Klägerin, bei der die Einreise erkennbar ausschließlich zum Zweck des Dienstleistungsempfangs erfolgen solle. Im Übrigen sei es auch nicht richtig, dass der Gerichtshof erst mit seiner Rechtsprechung im Jahr 1984 (Urteil Luisi und Carbone) klargestellt habe, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit mit umfasse. Dies habe das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt. So sei die Dienstleistungsempfängerfreiheit bereits in der Richtlinie Nr. 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 sowie der Richtlinie Nr. 73/148/EWG vom 21. Mai 1973 ausdrücklich anerkannt. Schließlich sei die Argumentation des EuGH in der angeführten Entscheidung nur nachzuvollziehen, wenn sie so verstanden werde, dass (nur) die Fälle gemeint seien, in denen die Einreise nicht ausschließlich zum Dienstleistungsempfang erfolge. Es werde angeregt, das Verfahren erneut auszusetzen und dem Gerichtshof eine näher präzisierte Frage zum Begriff des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll vorzulegen. In Anbetracht dieser Gründe werde eine mündliche Verhandlung in der Streitsache für erforderlich gehalten.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich dahin geäußert, für ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof sei kein Raum, da dieser die auch im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Frage klar und eindeutig beantwortet habe. Weder im Tenor noch in den Gründen seiner Entscheidung differenziere der Gerichtshof danach, ob der Empfang von Dienstleistungen ausschließlicher Zweck, Hauptzweck oder nur Nebenzweck der Einreise sei oder ob er nur bei Gelegenheit erfolge.

Die Beklagte hat sich diesen Ausführungen angeschlossen und im Übrigen auf ihre bisherigen Schriftsätze verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung am 4. August 2014 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die (vorbeugende) Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) der Klägerin ist zwar zulässig (1.), weil sie auf ein hinreichend konkretes und streitiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten abstellt (1.1.), die Feststellungsklage nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber den dort genannten anderen Klagearten subsidiär ist (1.2.) und die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ihrer aufenthaltsrechtlichen Rechte im Zusammenhang mit einer künftigen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu touristischen Zwecken besitzt (1.3.). Die Klage ist jedoch unbegründet, weil das von der Klägerin beanspruchte Recht, auf dessen Feststellung sich ihr Klagebegehren bezieht, nämlich sich für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in das Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, nicht besteht (2.). Die Klägerin bedarf als türkische Staatsangehörige (Ausländerin), die in den Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (§ 1 Abs. 2 AufenthG) fällt, für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Erlaubnis in Form eines Aufenthaltstitels (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Anhang I. Gemeinsame Liste gemäß Art. 1 Abs.1 EG-VisaVO), der für kurzfristige Aufenthalte (zu touristischen Zwecken) - wie von der Klägerin begehrt - als Visum nach § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt wird (2.1.). Die die Visumpflicht (auch) für türkische Staatsangehörige normierenden ausländerrechtlichen Vorschriften sind auch nicht aufgrund der unmittelbaren Wirkung des Art. 41 Abs. 1 ZP unanwendbar, weil sie keine „neuen Beschränkungen“ der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne dieser Stillhalteklausel darstellen (2.2.).

1. Das Verwaltungsgericht hat die (vorbeugende) Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) der Klägerin zu Recht als zulässig angesehen.

1.1. Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich diese Klage auf ein hinreichend konkretes und streitiges (zu diesem Erfordernis vgl. Möstl in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Hrsg: Posser/Wolff, Stand: 1.10.2013, § 43 Rn. 5 m. w. N.) und damit feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Denn das auf die gerichtliche Feststellung gerichtete Klagebegehren, (künftig) für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, beinhaltet keine abstrakte Rechtsfrage ohne hinreichenden Fallbezug zur Klägerin. Vielmehr liegt aufgrund des Vorkommnisses am 29./30. September 2009, bei dem es ausweislich des im Klageverfahren vorgelegten Schreibens der Deutschen Lufthansa AG Kundendialog vom 14. Dezember 2009 offensichtlich nicht gelungen ist, aufgrund des verspäteten Flugs von Los Angeles nach München und des verpassten Anschlussflugs nach Istanbul bei der Bundespolizei (u. a.) für die Klägerin das Verlassen des Transitbereichs des Münchner Flughafens und die Einreise in das Bundesgebiet für eine Übernachtung im Hotel zu erreichen, ein hinreichend konkretisiertes streitiges Rechtsverhältnis vor, bei dem sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien über eine bloße abstrakte Rechtsfrage hinaus entsprechend verdichtet haben (vgl. Möstl, a. a. O., Rn. 5). Das von der Klägerin geltend gemachte Recht umfasst gerade (auch) die Möglichkeit eines solchen visumfreien Kurzaufenthalts zu touristischen Zwecken. Nicht Streitgegenstand dieser Klage ist dagegen die Frage, ob der Klägerin durch die Bundespolizei am 29./30. September 2009 tatsächlich zu Unrecht die Einreise zur Übernachtung in einem Hotel verweigert worden ist.

1.2. Die (vorbeugende) Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig, weil die Klägerin das von ihr geltend gemachte Recht vorrangig im Wege der Gestaltung- oder Leistungsklage verfolgen könnte bzw. müsste. Denn die Subsidiaritätsklausel greift hier nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts schon deshalb nicht, weil der Klägerin ein Abwarten nachträglichen, d. h. repressiven Rechtsschutzes (ausnahmsweise) nicht zumutbar ist. Als Mitglied einer türkischen Unternehmerfamilie nimmt die Klägerin - zwischen den Parteien unstreitig - häufig Dienstleistungen von Fluggesellschaften weltweit in Anspruch, so dass sich ein ähnlicher Vorfall wie am 29./30. September 2009 grundsätzlich jederzeit wieder ereignen kann. Bei Rechtsverhältnissen, die wiederholt auftreten, deren Bestehen oder Nichtbestehen also nicht nur einmalig von Interesse ist, ist nachträglicher Rechtsschutz durch die in Betracht kommende Gestaltungs- oder Leistungsklage der Feststellungsklage in Reichweite und Effektivität nicht gleichwertig (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 43 Rn. 41; Möstl, a. a. O., Rn. 27 jeweils m. w. N.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich Ausländer, die sich ohne die erforderliche Erlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, grundsätzlich gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar machen. Die Klägerin kann daher nicht auf die nachträgliche Klärung des von ihr geltend gemachten Rechts auf visumfreien Kurzaufenthalt zu touristischen Zwecken verwiesen werden.

1.3. Aus den dargelegten Gründen besteht auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses. Denn der dafür erforderliche hinreichende Klärungsbedarf dieses konkreten und zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnisses im Wege der Feststellungsklage liegt im vorliegenden Fall auf der Hand.

2. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet, weil das von der Klägerin beanspruchte Recht, auf dessen Feststellung sich ihr Klagebegehren bezieht, nämlich für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, nicht besteht.

2.1. Die Klägerin bedarf als türkische Staatsangehörige (Ausländerin), die in den Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (s. § 1 Abs. 2 AufenthG) fällt, gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder aufgrund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl 1964 II S. 509) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern für Kurzaufenthalte richtet sich gemäß § 15 AufenthV nach dem Recht der Europäischen Union, insbesondere dem Schengener Durchführungsübereinkommen und der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 i. V. m. den §§ 16 ff. AufenthV. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex; ABl. Nr. L 105 S. 1) muss ein Drittstaatsangehöriger für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen als Einreisevoraussetzung unter anderem im Besitz eines gültigen Visums sein, falls dies nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. Nr. L 81 S. 1 - EGVisaVO), vorgeschrieben ist, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines gültigen Visums für den längerfristigen Aufenthalt ist. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 in Verbindung mit Anhang I. Gemeinsame Liste gemäß Art. 1 Abs. 1 EG-VisaVO müssen Staatsangehörige der Türkei beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein. Der Aufenthaltstitel für wie von der Klägerin begehrte (kurzfristige) Aufenthalte im Gebiet der Schengen-Staaten von bis zu drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an (zu touristischen Zwecken) wird als (Schengen-)Visum nach § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt. Eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht (hier: Visumpflicht) für Einreise und Aufenthalt besteht nach alledem im streitgegenständlichen Fall nicht.

2.2. Der somit nach geltendem nationalen Recht (sowie Unionsrecht) bestehenden Visumpflicht für kurzfristige Aufenthalte der Klägerin zu touristischen Zwecken steht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht die in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll enthaltene Stillhalteklausel entgegen. Denn in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist inzwischen geklärt, dass sich türkische Staatsangehörige wie die Klägerin auf die unmittelbare Wirkung dieser Regelung (2.2.1.) grundsätzlich nur im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit berufen können und der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls dahin auszulegen ist, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen (EuGH, U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Leitsatz und Rn. 55; vgl. auch EuGH, U. v. 10.7.2014 - Rs. C-138/13, N. Dogan /Bundesrepublik Deutschland - Rn. 28; 2.2.2.). Ungeachtet einer Bindungswirkung erga omnes des Urteils des Gerichtshofs vom 24. September 2013 (Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland) ergeben sich für den Senat weder Zweifel hinsichtlich der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll noch insbesondere der Übertragbarkeit der Auslegung (auch) auf die Konstellation der Klägerin (2.2.3.).

2.2.1. Gemäß Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll unmittelbare Wirkung, da er eine klare, präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte, eindeutige Stillhalteklausel enthält, die eine Verpflichtung der Vertragsparteien begründet, die rechtlich eine reine Unterlassungspflicht ist. Folglich können sich türkische Staatsangehörige, auf die die Bestimmung anwendbar ist, vor den nationalen Gerichten auf die Rechte, die sie ihnen verleiht, berufen (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal u. Savatli /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 45 m. w. N.; EuGH, U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 38). Zwar ist die in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll enthaltene Stillhalteklausel nicht aus sich heraus geeignet, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts (materiell) ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen, und kann ihnen auch weder ein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr noch ein Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verschaffen. Die Stillhalteklausel verbietet jedoch allgemein die Einführung neuer Maßnahmen, die den Zweck oder die Wirkung haben, die Ausübung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch türkische Staatsangehörige im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats restriktiveren Bedingungen als denen zu unterwerfen, die galten, als das Zusatzprotokoll in diesem Mitgliedstaat in Kraft trat. Aus dem Urteil Soysal u. Savatli ergibt sich, dass die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls verbietet, ein Visum für die Einreise türkischer Staatsangehöriger zu verlangen, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen erbringen wollen, wenn ein solches Visum zuvor nicht verlangt wurde (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal u. Savatli /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 47 ff.; U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 39 ff.).

2.2.2. Die (Auslegungs-)Frage, ob die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll auch für türkische Staatsangehörige gilt, die - anders als in dem dem Urteil Soysal u. Savatli zugrunde liegenden Fall - keine grenzüberschreitenden Dienstleistungen erbringen, sondern sich in einen Mitgliedstaat begeben wollen, um dort Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, hat der Gerichtshof mit dem Urteil vom 24. September 2013 in der Rechtssache Demirkan dahingehend entschieden, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in dieser Bestimmung diese (passive Dienstleistungs-)Freiheit nicht umfasst. Die den unionsrechtlichen Vorschriften über den Binnenmarkt (hier insbesondere: Art. 56 ff. AEUV - früher: Art. 49 ff. EG) gegebene Auslegung könne nicht automatisch auf die Auslegung eines von der Union mit einem Drittstaat geschlossenen Abkommens übertragen werden, sofern dies nicht im Abkommen selbst ausdrücklich vorgesehen sei. Insoweit verpflichte die Verwendung des Verbs „sich leiten lassen“ in Art. 14 des Assoziierungsabkommens (s. 64/733/EWG; ABl. 1964, Nr. 217, S. 3687) die Vertragsparteien nicht, die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr oder die zu ihrer Durchführung erlassenen Bestimmungen als solche anzuwenden, sondern nur, sie als Inspirationsquelle für die Maßnahmen zu betrachten, die zur Erreichung der in diesem Abkommen festgelegten Ziele zu erlassen sind. Überdies hänge die Übertragung der Auslegung einer Vertragsbestimmung auf eine vergleichbar, ähnlich oder sogar übereinstimmend gefasste Bestimmung eines Abkommens zwischen der Union und einem Drittstaat insbesondere davon ab, welchen Zweck jede dieser Bestimmungen in ihrem jeweiligen Rahmen verfolge. Insoweit komme dem Vergleich der Ziele und des Kontexts des Abkommens einerseits und des Vertrags (EG bzw. AEUV) andererseits erhebliche Bedeutung zu (EuGH, U. v. 24.9.2013 a. a. O. Rn. 42 ff.).

Bei dem hinsichtlich Zweck und Kontext des Assoziierungsabkommens einerseits und des betreffenden Unionsrechtsakts (insbesondere Art. 56 AEUV) andererseits angestellten Vergleich (EuGH a. a. O. Rn. 48 ff.) kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass insoweit grundlegende Unterschiede bestünden, weil das Assoziierungsabkommen (wie sein Zusatzprotokoll) einen ausschließlich wirtschaftlichen Zweck verfolge, während mit den wirtschaftlichen (Grund-)Freiheiten im Rahmen des Unionsrechts ein als Raum ohne Binnengrenzen konzipierter Binnenmarkt (s. Art. 3 Abs. 3 EUV) mit der Ermöglichung einer generellen Freizügigkeit für Unionsbürger (s. Art. 21 AEUV) geschaffen werden solle (EuGH a. a. O. Rn. 53 und 56). Aus dieser unterschiedlichen Zielsetzung leitet der Gerichtshof ab, dass die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll, sei es unter Anknüpfung an die Niederlassungsfreiheit oder den freien Dienstleistungsverkehr, nur im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit die Voraussetzungen für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihren dortigen Aufenthalt betreffen könne (EuGH a. a. O. Rn. 53).

Als zweites Argument für dieses Auslegungsergebnis zieht der Gerichtshof auch den zeitlichen Kontext dieser Bestimmungen heran. Da der Gerichtshof erst 1984 im Urteil Luisi und Carbone klargestellt habe, dass der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne des Vertrags (EWG bzw. jetzt AEUV) auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse, gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls bei deren Unterzeichnung davon ausgegangen seien, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse (EuGH a. a. O. Rn. 57 ff.). Auch die Übung der Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens biete im Übrigen keine Anhaltspunkte für das Gegenteil, da auf beiden Seiten nach dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls teilweise eine Visumpflicht für touristische Aufenthalte eingeführt worden sei (EuGH a. a. O. Rn. 61).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Gerichtshof auf die erste Vorlagefrage geantwortet, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls dahin auszulegen ist, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

2.2.3. Unabhängig davon, inwieweit das Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2013 in der Rechtssache Demirkan (Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV) über die Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll Bindungswirkung erga omnes und damit auch im vorliegenden Verfahren entfaltet mit der Folge, dass der Verwaltungsgerichtshof Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll in dieser vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung anwenden muss (vgl. dazu Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012, AEUV Art. 267 Rn. 69 ff.; Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: 52. Ergänzungslieferung 2014, AEUV Art. 267 Rn. 104 ff. jeweils m.w.N ), ergeben sich für den Senat weder Zweifel hinsichtlich der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll noch insbesondere der Übertragbarkeit der Auslegung (auch) auf die Konstellation der Klägerin. Die von Klägerseite im Berufungsverfahren insoweit geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Für die durch die Klägerin hilfsweise beantragte Aussetzung des Verfahrens und ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV besteht daher keine Veranlassung.

Der Einwand, der Gerichtshof habe in der Vorabentscheidung vom 24. September 2013 noch nicht ausreichend differenziert zwischen der Frage der Visumfreiheit bei nur gelegentlichem Empfang von Dienstleistungen im Fall Demirkan und einem Fall wie dem der Klägerin, bei der die Einreise erkennbar ausschließlich zum Zweck des Dienstleistungsempfangs erfolgen solle, vermag solche Zweifel nicht zu begründen. Denn die dem Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vorgelegte Frage über die Auslegung des Begriffs „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ist ebenso klar und eindeutig wie die Beantwortung dieser Vorlagefrage durch den Gerichtshof, der festgestellt hat, dass dieser Begriff nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Der Gerichtshof differenziert in seiner Entscheidung gerade nicht danach, ob die Inanspruchnahme einer Dienstleistung - wie im Ausgangsfall Demirkan - bei Gelegenheit eines Familienbesuchs erfolgen soll oder - wie die Klägerin für sich geltend macht - die Inanspruchnahme der Dienstleistung das alleinige Ziel der (Ein-)Reise in den Mitgliedstaat bildet. Als Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, wie sie der Gerichtshof für die Anwendung der Stillhalteklausel auf die Voraussetzungen für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihren dortigen Aufenthalt als erforderlich ansieht (EuGH a. a. O. Rn. 55), ist danach gerade nicht der bloße Empfang von Dienstleistungen im Mitgliedstaat im Sinne der passiven Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV zu bewerten. Demgemäß bestand für den Gerichtshof auch keine Notwendigkeit mehr, auf die zweite Vorlagefrage in der Rechtssache Demirkan einzugehen, bei der es um die Frage eines Finalitätskriteriums bei einer unterstellten zulässigen Berufung auf den Schutz der passiven Dienstleistungsfreiheit auch im Rahmen von Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ging. Dass dem Gerichtshof die Bandbreite möglicher Fallgestaltungen im Vorabentscheidungsverfahren Demirkan durchaus bewusst war, ergibt sich - worauf der Vertreter des öffentlichen Interesses in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat - schon aus den diesbezüglichen umfangreichen Ausführungen und Erläuterungen des Generalanwalts V. (auch) zur zweiten Vorlagefrage in dessen Schlussanträgen vom 11. April 2013 in der Rechtssache Demirkan (dort Rn. 73 ff.).

Nicht durchgreifend ist auch der weitere Hinweis der Klägerin, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens sei die passive Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich bereits anerkannt gewesen, was insbesondere in der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. Nr. 56 S. 845), sowie der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs (ABl. Nr. L 172 S.14) zum Ausdruck komme; dort sei jeweils auch der Aufenthaltszweck der Entgegennahme von Dienstleistungen ausdrücklich aufgeführt. Denn zum einen hat der Gerichtshof bei seiner Entscheidung in der Rechtssache Demirkan und der Auslegung des Begriffs des „freien Dienstleistungsverkehrs“ in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ganz entscheidend auf die unterschiedliche Zielsetzung des Assoziierungsabkommens und des Vertrags (EG bzw. AEUV) und erst in zweiter Linie auf den zeitlichen Kontext dieser Bestimmungen und seine Klarstellung der Gewährleistung der passiven Dienstleistungsfreiheit im Urteil Luisi und Carbone im Jahr 1984 abgestellt. Im Übrigen hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 11. April 2013 in der Rechtssache Demirkan ausführlich dargelegt, dass der Inhalt der Dienstleistungsfreiheit und der Begriff des freien Dienstleistungsverkehrs und insbesondere die Erstreckung der Dienstleistungsfreiheit auf die passive Dienstleistungsfreiheit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens „alles andere als unumstritten“ und unklar war (dort Rn. 55 ff.). Die Folgerung der Klägerin, die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls seien damals davon ausgegangen, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit mit umfasst, ist daher lediglich eine vom Gerichtshof mit guten Gründen verworfene Mutmaßung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 01/12/2015 00:00

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg Aktenzeichen: Au 3 K 15.527 Im Namen des Volkes Urteil 1. Dezember 2015 3. Kammer Sachgebiets - Nr. 411 Hauptpunkte: vorbeugende Feststellungsklage; Status ei
published on 02/07/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Grü
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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern. Die Regelungen in anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Ausländer,

1.
deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist,
2.
die nach Maßgabe der §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen,
3.
soweit sie nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen von Einwanderungsbeschränkungen, von der Verpflichtung, ihren Aufenthalt der Ausländerbehörde anzuzeigen und dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und wenn Gegenseitigkeit besteht, sofern die Befreiungen davon abhängig gemacht werden können.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern. Die Regelungen in anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Ausländer,

1.
deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist,
2.
die nach Maßgabe der §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen,
3.
soweit sie nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen von Einwanderungsbeschränkungen, von der Verpflichtung, ihren Aufenthalt der Ausländerbehörde anzuzeigen und dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und wenn Gegenseitigkeit besteht, sofern die Befreiungen davon abhängig gemacht werden können.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern für Kurzaufenthalte richtet sich nach dem Recht der Europäischen Union, insbesondere dem Schengener Durchführungsübereinkommen und der Verordnung (EU) 2018/1806 in Verbindung mit den nachfolgenden Bestimmungen.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.