Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582

published on 17/03/2015 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2015 - 19 ZB 13.1582
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Gericht

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Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin, Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 12, Gemarkung S., begehrt die Berufungszulassung, um die Aufhebung des Abmarkungsbescheides des Vermessungsamtes S. vom 21. November 2011 (Entfernung des Grenznagels im Punkt 522, der bislang als gemeinsamer Grenzpunkt der Grundstücke Fl.Nrn. 12, 16 und 17 der Gemarkung S. abgemarkt war) zu erreichen.

Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Der Abmarkungsbescheid vom 21. November 2011, durch den die Entfernung des Grenznagels im Punkt 522 am 16. November 2011 einschließlich der vorangegangenen Vermessung bekannt gegeben worden ist, sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der vorangegangenen Abmarkung vom 23. November 2000 (Fortführungsriss 474, Abmarkungsprotokoll 359, Anbringung des Grenznagels in Grenzpunkt 522) hätten vorgelegen. Für den Grenzpunkt 522 habe kein einwandfreier Katasternachweis bestanden. Der einzige Nachweis, der (zur Feststellung des Grenzpunktes 522) konkrete Grenzabstände erkennen lasse - wenn auch diese mit gewissen Unsicherheiten behaftet seien -, sei der Riss 4a der Steuergemeinde S. vom 17. Juni 1890 über eine Grenzbestimmung bei Fl.Nr. 12. Der Grenzpunkt sei hier dezimetergenau eingemessen worden. Die Beklagtenvertreter hätten zu dem dort erkennbaren Maß von 5,3 m (Abstand eines Grenzgebäudes auf Fl.Nr. 19 zu dem Grenzpunkt, der vermutlich in der Nähe des nunmehr entfernten Grenzpunkts 522 liege) erklärt, es handele sich um einen gerundeten Wert; der Riss 4a wäre ein Anhaltspunkt für eine Grenzermittlung und eine Einigung der Beteiligten gewesen, eine solche sei aber nicht zustande gekommen. Die Angaben der Beklagtenvertreter seien nachvollziehbar. Der Riss 4a stimme nicht mit der Abmarkung vom 23. November 2000 (Fortführungsriss 474, Abmarkungsprotokoll 359, Anbringung des Grenznagels 522) überein. Die Abmarkung vom 16. November 2011 (Fortführungsriss 505, Abmarkungsprotokoll 372/1) weiche von der Grenzbestimmung auf Riss 4a (Grenzermittlung vom 17. Juni 1890) ab. Aus dem Riss 505 lasse sich ermitteln, dass der nördliche gemeinsame Grenzpunkt zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. 12, 16 und 17 5,71 m bzw. 5,73 m von der Wand des Gebäudes auf Grundstück Fl.Nr. 19 entfernt sei. Damit bestehe ein gravierender Unterschied zu dem sich möglicherweise aus dem Riss 4a ergebenden Abstand von 5,3 m, welcher die Toleranzgrenzen eindeutig überschreite. Mithin bestünden große Unsicherheiten bezüglich dieses Grenzpunktes, so dass in jedem Fall eine Einigung der beteiligten Grundstückseigentümer im Rahmen einer Grenzermittlung hätte erfolgen müssen. Ein wirksamer Grenzfeststellungsvertrag sei zwischen den beteiligten Grundstückseigentümern nicht geschlossen worden. Ebenso wenig sei eine Anerkennung des im Jahr 2000 abgemarkten Grenzpunktes erfolgt. Die fehlende unterschriftliche Anerkennung des Grenzpunktes 522 habe nicht durch die bestandskräftigen Abmarkungsbescheide jeweils vom 29. Januar 2001 an die betroffenen Beigeladenen ersetzt werden können. Die Abmarkung im Grenzpunkt 522 sei deshalb rechtswidrig gewesen. Der Beklagte habe die Abmarkung zu Recht gemäß Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen. Zwar habe der Beklagte Ermessenserwägungen nicht angestellt. Aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls sei hier jedoch der Ermessensspielraum der Behörde auf „Null“ geschrumpft. Es bestehe grundsätzlich ein öffentliches Interesse daran, dass eine Behörde, die Recht und Gesetz verpflichtet sei, keine rechtswidrigen Verwaltungsakte erlasse und diese gegebenenfalls korrigiert würden. Die Klägerin könne sich nicht auf durchgreifende Umstände des Vertrauensschutzes berufen Der Tatsache, dass die Abmarkung des Grenzpunktes 522 bereits nahezu 10 Jahre Bestand gehabt habe und die Klägerin am Grenzpunkt einen Pfosten errichtet habe, welcher nunmehr wieder entfernt worden sei, könne unter dem Aspekt des Rechtsfriedens kein maßgebliches Gewicht zugemessen werden. Zwar habe die Klägerin seit der Abmarkung im Jahr 2000 für sich wohl eine gewisse Rechtssicherheit bezüglich des Grenzverlaufs gesehen, andererseits sei aus dem Vortrag der Beteiligten bekannt, dass derzeit beim Amtsgericht G. ein Rechtsstreit anhängig sei, bei dem es zwar primär um die Lage von unterirdischen Kellern im Grenzbereich zwischen den Flurstücken 12 und 16 gehe, daneben aber u. a. auch um den von der Klägerin errichteten Pfosten im vormaligen Grenzpunkt 522, der die Durchfahrt für die dahinter liegenden Flurstücke 16 und 14 behindere bzw. behindert habe. Angesichts des schwelenden Rechtsstreites könne der Aspekt des Rechtsfriedens nicht zum Tragen kommen. Andererseits bestehe an der Korrektur rechtswidriger Grenzfeststellungen ein überindividuelles Interesse und rechtswidrige Grenzfeststellungen seien deshalb regelmäßig zurückzunehmen. Sonstige Gründe, die im Rahmen einer Ermessensabwägung für die Klägerin noch hätten Gewicht erlangen können, seien nicht ersichtlich. Auch habe der Beklagte die Jahresfrist gemäß Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG, nach herrschender Meinung eine Entscheidungsfrist, eingehalten. Die Jahresfrist habe erst im Mai 2011 zu laufen begonnen, nachdem festgestanden habe, dass eine nachträgliche Anerkennung des Grenzpunktes 522 nicht zu erreichen sei.

Dagegen macht die Klägerin zur Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung zunächst ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Der Rücknahmebescheid vom 21. November 2011 sei formell rechtswidrig. Entgegen Art. 28 BayVwVfG sei sie vor dem Erlass des Bescheides nicht angehört worden. Der Bescheid genüge auch nicht dem Begründungserfordernis des Art. 39 BayVwVfG. Fehlerhaft sei darüber hinaus die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es sei kein einwandfreier Nachweis aus den Katasterunterlagen möglich und deshalb seien die ursprünglichen Abmarkungsbescheide vom 29. Januar 2001 (Abmarkung vom 23. November 2000) rechtswidrig. Für die Grenzfeststellung im Grenzpunkt 522 sei ein einwandfreier Nachweis möglich. Das Verwaltungsgericht stütze sich auf den Riss 4a vom 17. Juni 1890 sowie den Fortführungsriss 505, bei denen sich Unterschiede von jeweils etwa 0,40 m ergäben. Das Gericht gehe nicht darauf ein, welche Toleranzgrenzen es zugrunde gelegt habe. Letztlich handele es sich um dezimetergenaue Abmessungen aus dem Jahr 1890, insoweit seien 40 cm Abweichung nicht erheblich. Auf zentimetergenaue Abmessungen komme es nicht an. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass für den fraglichen Grenzpunkt die älteren Messergebnisse einen eindeutigen Grenzverlauf möglich machten, so dass der abgemarkte Grenzpunkt nicht rechtswidrig gesetzt worden sei. Die Unterschiede (zu den im November 2011 gewonnenen Erkenntnissen) seien nicht gravierend. Es sei von einem „eindeutigen“, nämlich dezimetergenauen Nachweis auszugehen, der sich noch innerhalb der Abweichungen im Dezimeterbereich halte. Deshalb lägen die Voraussetzungen des Art. 48 BayVwVfG nicht vor. Selbst wenn man aber von einer Rechtswidrigkeit des Grenzpunktes 522 ausgehen wollte, sei das Urteil des Verwaltungsgerichts dennoch fehlerhaft, weil es die durch den Beklagten unterlassene Ermessensentscheidung falsch beurteilt habe. Es sei nicht erkennbar, dass vorliegend besondere Umstände eine Ermessensreduzierung auf Null gerechtfertigt hätten. Eine Ermessensreduzierung sei ein Ausnahmefall, der nur eine richtige Entscheidung der Behörde möglich mache. Wollte man der Ansicht des Verwaltungsgerichts folgen, so impliziere eine Rechtswidrigkeit eines Bescheides eine Rücknahmepflicht. Warum gerade bei Grenzfeststellungen ein überindividuelles Interesse an der Aufhebung bestehen solle, erschließe sich nicht. Zu berücksichtigen sei vielmehr, dass seit der angeblich rechtswidrigen Abmarkung bereits ein Zeitraum von über 10 Jahren vergangen sei. Auch habe der Beklagte im Jahr 2001 den Rechtsschein gesetzt, dass das Eigentum der Klägerin bis zum Grenzpunkt 522 reiche. Dieser Feststellung hätten sich die benachbarten Eigentümer offensichtlich gefügt, die angeblich rechtswidrige Situation habe sich durch einen gewissen Zeitraum verfestigt. Zudem seien erhebliche Privatinteressen der Klägerin betroffen. Diese habe einen Begrenzungsposten am ehemaligen Grenzpunkt angebracht, um auf der anschließenden Fläche ihren Pkw abzustellen und um auf ihr Eigentum hinzuweisen. Letztlich fehlerhaft sei aber auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte habe die Jahresfrist eingehalten. Der Beklagte habe in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände und insbesondere der vermeintlichen Rechtswidrigkeit die Abmarkungsbescheide (im Jahr 2001) erlassen, um durch diese hinsichtlich der Grenzen des Eigentums den Rechtsfrieden herzustellen. Weder an den ermittelten Werten noch an sonstigen Tatsachen habe sich bis zur Aufhebung etwas geändert. Folglich habe der Beklagte in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände rechtswidrige Bescheide erlassen. Es sei von Anfang an bekannt gewesen, dass die vermeintlich nicht eindeutig feststellbare Grenze nur durch einen Feststellungsvertrag verbindlich habe festgestellt werden können. Die Frist sei folglich mit Erlass der fraglichen Bescheide (im Jahr 2001) angelaufen und folglich abgelaufen. Selbst wenn man den Zeitpunkt aber später ansetzen würde, so habe der Beklagte jedenfalls spätestens im Oktober 2010 Kenntnis von den Ungereimtheiten gehabt. Denn zu der Zeit hätten die ersten Vermessungstermine in diesem Bereich stattgefunden. Auch darauf bezogen sei die Jahresfrist bereits abgelaufen gewesen. Auf der Basis dieses Vorbringens macht die Klägerin weitere Zulassungsgründe geltend. Die Angelegenheit weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf. Allein aufgrund des Umfangs des Verfahrens und der Tatsache, dass zur Feststellung des Grenzverlaufs erhebliche technische Kenntnisse und die Auswertung einer Reihe von teils sehr alten Unterlagen nötig seien, übersteige das vorliegende Verfahren in tatsächlicher Hinsicht den Schwierigkeitsgrad eines durchschnittlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erheblich. Hinzu kämen bislang kaum entschiedene Rechtsfragen aus dem Abmarkungsgesetz. Zuzulassen sei die Berufung schließlich, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung besitze. Die vorliegende Angelegenheit werfe vor allem die Frage auf, wann ein einwandfreier Grenzverlauf feststellbar sei und welche Abweichungen hierbei gegebenenfalls noch toleriert werden könnten. Nicht jede Abweichung mache eine Grenzfeststellung rechtswidrig. Ebenfalls von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage (falls es darauf ankommen sollte), ob bei rechtswidrigen Grenzfeststellungen das Rücknahmeermessen regelmäßig auf Null reduziert sei, so dass ein Abmarkungsbescheid zurückgenommen werden müsse. Diese Ansicht widerspreche jedenfalls der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wie sich aus dessen Urteil vom 24. Februar 2011 (2 C 50/09) ergebe.

Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin habe Gelegenheit gehabt, sich vor der Entfernung des Grenzzeichens zu äußern. Der Vermessungs- und Abmarkungstermin vom 16. November 2011 sei ihr angekündigt worden, sie sei beim Termin persönlich anwesend gewesen. Ausweislich des Abmarkungsprotokolls 372/1 sei ihr dessen Inhalt vorgelesen worden. Zudem habe sich ihr damaliger Vertreter am 17. November 2011 gegenüber dem Vermessungsamt geäußert. Sie sei deshalb angehört worden. Bei dem Vermessungsakt Abmarkung handele es sich um einen Vorgang, der regelmäßig einen Realakt mit einem Rechtsakt (Verwaltungsakt) vereine. Eine Begründung nach Art. 39 BayVwVfG erübrige sich und werde davon abgesehen in der Regel - so auch hier - im Abmarkungsprotokoll gegeben. Ein einwandfreier Katasternachweis sei für den Grenzpunkt 522 nicht möglich, die Entfernung des dort befindlichen Grenznagels sei also veranlasst gewesen. Die Abweichung um ca. 40 cm zwischen dem Riss 4a vom 17. Juni 1890 und dem am 16. November 2011 angefertigten Fortführungsriss 505 hinsichtlich der Entfernung dieses Grenzpunkts vom östlich davon gelegenen Grenzpunkt an der Wand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurnummer 19 liege nicht innerhalb der Toleranzgrenzen. Der hier streitgegenständliche Grenzpunkt 522 sei wenige Meter sowohl von Gebäuden als auch von anderen Grenzpunkten entfernt. Er liege zwischen zwei Gebäuden in einem Bereich, der in einem dicht bebauten Gebiet eine Zufahrt bilde. Eine Genauigkeit auf Dezimeter sei hier nicht hinreichend, um einen einwandfreien Katasternachweis im Sinne des Art. 2 Abs. 3 AbmG zu ermöglichen. Auch habe das Vermessungsamt bei der Abmarkung kein Ermessen ausüben müssen. Der Richtigkeit von Grundstücksgrenzen komme erhebliche Bedeutung zu, nachdem das deutsche Liegenschaftsrecht vom Bestimmtheitsgrundsatz getragen werde, wonach jedes Grundstück klar und eindeutig definiert werden müsse. Die Vermessungsbehörde sei gesetzlich nur zur Abmarkung einwandfrei nachgewiesener bzw. durch Grenzfeststellungsvertrag festgelegter Grenzen ermächtigt. Eine Abmarkung, die diese Voraussetzung nicht erfülle, könne nur rückgängig gemacht werden. Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG (wenn sie für die Rücknahme einer rechtswidrigen Abmarkung überhaupt gelte) sei hier eingehalten worden. Die Vermessungsbehörde habe von der Rechtswidrigkeit der Abmarkung vom 23. November 2000 nicht von Anfang an und auch nicht bei Erlass der Abmarkungsbescheide vom 29. Januar 2001 gewusst. Sie habe sich erst im Rahmen der Katasterneuvermessungen ergeben. Mit einer Einigung der beteiligten Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. 12, 16 und 17 im Sinne eines Grenzfeststellungsvertrages, zu der Gelegenheit geboten worden sei, wäre die Abmarkung vom 23. November 2000 rechtmäßig geworden. Das Vermessungsamt habe im Mai und im November 2011 versucht, diese Einigung nachzuholen. Frühestens im Mai 2011, vielleicht auch erst im November 2011 habe festgestanden, dass es zu einer solchen Einigung definitiv nicht kommen würde. Die Rechtssache weise keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. Die Vermessungsverwaltung sei auch mit älteren Dokumenten vertraut. Der Rechtsstreit konzentriere sich auf die Anwendung einiger weniger Normen aus dem Abmarkungsgesetz und dem Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz. Die Frage, wann ein Grenzverlauf einwandfrei feststellbar sei bzw. welche Abweichungen gegebenenfalls tolerierbar seien, sei eine Frage des Einzelfalls. Die Beschreibung des streitgegenständlichen Grenzpunkts im Handriss 4a könne katasterrechtlich nicht als einwandfrei und hinreichend genau nachgewiesen gelten. Auch sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass bei rechtswidrigen Grenzfeststellungen das Rücknahmeermessen regelmäßig auf Null reduziert sei, da das Vermessungsrecht als einschlägiges Fachrecht die Ermessensreduzierung auf Null nahe lege.

II.

Der auf Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (z.B. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/547 - juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2010 - 7 AV 4/03 - DVBl. 2004, 838/839 - juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

a) Das Vorbringen der Klägerin, die am 16. November 2011 vorgenommene Abmarkung, bei welcher der streitgegenständliche Grenzpunkt entfernt worden ist, sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten, weil sie entgegen Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG nicht angehört worden sei, greift nicht durch. Gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Unabhängig von der Frage, ob die Entfernung des am 23. November 2000 gesetzten Grenznagels im Grenzpunkt 522 beim Abmarkungstermin am 16. November 2011 in Rechte der Klägerin eingegriffen hat, konnte sie sich jedenfalls bei diesem Termin (16. November 2011) zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen äußern. Wie sich aus dem Abmarkungsprotokoll 372/1 ergibt und auch unstreitig ist, wurde der Abmarkungstermin der Klägerin angekündigt (vgl. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 Abmarkungsgesetz - AbmG). Dem Abmarkungsprotokoll ist zu entnehmen, dass die Klägerin bei dem Termin anwesend war und ihr die Beschreibung und Beurkundung der Abmarkung vorgelesen wurde. Dort heißt es u. a.: „Im Zuge der Katasterneuvermessung S. sollte das Flurstück Nr. 17 vollständig abgemarkt werden. Die vorhandenen Grenzpunkte wurden im Jahr 2000 ermittelt und abgemarkt. Die Abmarkung wurde nachträglich den Grundstückseigentümern von Flurstück Nr. 16 in Form eines Abmarkungsbescheides mitgeteilt. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde diese Situation dem Landesamt für Vermessung und Geoinformation - Regionalabteilung N. - in S. mitgeteilt. Nach Schreiben der vorgesetzten Dienststelle ist die im Jahr 2000 vorgenommene Abmarkung bei den damals nicht anwesenden Grundstückseigentümern nachzuholen. Bei Verweigerung der unterschriftlichen Anerkennung ist die betroffene Abmarkung zu entfernen. Die Richtigkeit des Grenzpunktes Nr. 522 wird nicht anerkannt, deshalb wurde dieser entfernt …“. Mithin hatte die Klägerin die Gelegenheit, nach der Ankündigung des Termins, spätestens im Termin selbst, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Damit ist den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG genügt (vgl. Simmerding/Püschel, Bayerisches Abmarkungsrecht, 3. Aufl. 2010, Art. 15 AbmG Anm. 2). Hinzu kommt, dass das Vermessungsamt W. (unstreitig) am 12. Mai 2011 und am 9. November 2011 Besprechungen mit den Beteiligten durchführte, um eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der am 23. November 2000 vorgenommenen Abmarkung zu erreichen. Auch dabei hatte die Klägerin bereits die Möglichkeit zur Stellungnahme. Zudem hat der ehemalige Vertreter der Klägerin in einem Schriftsatz vom 27. Januar 2012 an das Verwaltungsgericht ausgeführt, auch sein Hinweis auf die Bestandskraft der von anderen Beteiligten nicht angefochtenen Abmarkungsbescheide vom 29. Januar 2001, über die das Vermessungsamt nicht hinweggehen dürfe, habe das Amt nicht davon abgehalten, den bestandskräftig für alle festgesetzten Grenzpunkt im Termin vom 16. November 2011 für ungültig zu erklären und den gesetzten Grenznagel zu entfernen (S. 5 des Schriftsatzes). Auch daraus ergibt sich, dass die Klägerin vor dem Abmarkungstermin Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und auch Stellung genommen hat.

b) Auch der Vortrag der Klägerin, die Abmarkung sei nicht mit einer den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG genügenden Begründung versehen worden, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass der Abmarkungsbescheid nach Art. 17 Abs. 2 AbmG keinen schriftlichen oder schriftlich bestätigten Verwaltungsakt im Sinne von Art. 39 BayVwVfG darstellt, der nach dieser Vorschrift zu begründen ist, sondern die Bekanntgabe des Verwaltungsakts Abmarkung, welcher nicht schriftlich, sondern im Sinne des Art. 37 Abs. 2 BayVwVfG „in anderer Weise“ ergeht (vgl. BayVGH, B. v. 7.6.2000 - 19 ZB 99.476, U. v. 26.11.2001 - 19 B 97.964 - jeweils juris; Simmerding/Püschel, a. a. O., Art. 1 AbmG Anm. 7a, Art. 8 AbmG Anm. 8, Art. 17 AbmG Anm. 1 und 12, Art. 21 AbmG Anm. 7 und 12). Zudem weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Gründe für die Entfernung des Grenznagels dem Abmarkungsprotokoll 372/1 vom 16. November 2011 entnommen werden können. Auch wies das Vermessungsamt S. die Klägerin mit der Bekanntmachung der Abmarkung unter dem 21. November 2011 darauf hin, dass sie sich über Einzelheiten der Abmarkung durch Einsichtnahme in die Unterlagen des Vermessungsamtes informieren könne.

c) Auch der Vortrag der Klägerin, es sei für den Grenzpunkt 522 ein einwandfreier Nachweis aus den Katasterunterlagen möglich und der sich aus dem Riss 4a vom 17. Juni 1890 und dem Fortführungsriss 505 insoweit ergebende Unterschied von etwa 0,4 m sei hinnehmbar, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht, zutreffend davon ausgehend, dass die damaligen Beigeladenen zu 3 bis 5, (nunmehr die Beigeladenen zu 3, 4, 6 bis 8) die Abmarkung des Grenzpunktes 522 und dessen Kenntlichmachung mit einem Grenzzeichen (Grenznagel) bestritten haben, ausgeführt, für diesen Grenzpunkt lasse der Nachweis im Liegenschaftskataster eine einwandfreie Feststellung des Grenzverlaufs im Sinne des Art. 2 Abs. 2 AbmG nicht zu. Nach dieser Vorschrift kann für den Fall, dass eine abzumarkende Grundstücksgrenze bestritten wird, die Abmarkung von der staatlichen Vermessungsbehörde gleichwohl vollzogen werden, wenn der Nachweis im Liegenschaftskataster eine einwandfreie Feststellung des Grenzverlaufs zulässt. Vorliegend fehlt es, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist, schon an einem „einwandfreien Katasternachweis“ (zu diesem Terminus vgl. Nr. 2.3 der Abmarkungsbekanntmachung - ABek - zu Art. 2 AbmG). Für den entfernten Grenzpunkt (Grenznagel) 522 ergibt sich aus dem auf der Basis der Uraufnahme angelegten Liegenschaftskataster, das seither durch Katastervermessungen (Fortführungsvermessungen, welche in Fortführungsrissen erfasst werden), auf dem Laufenden gehalten wird (vgl. Art. 7 Vermessungs- und Katastergesetz), kein eindeutiger Nachweis. Anders als die Klägerin meint, kann dieser Nachweis nicht mit Hilfe des Risses 4a aus dem Jahr 1890 geführt werden. In diesem Riss ist eine Entfernung von 5,3 m zwischen dem streitgegenständlichen nördlichen Grenzpunkt der Grundstücke Fl.Nrn. 12, 16 und 17 sowie der Wand des Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. 19 angegeben. Zu Recht haben der Beklagte - und ihm folgend das Verwaltungsgericht - darauf hingewiesen, dass diese Entfernungsangabe (5,3 m) allenfalls einen Hinweis über den ungefähren Verlauf der Grundstücksgrenze darstellt. Aber auch bei Heranziehung der Abstandsangabe von 5,3 m im Riss 4a und bei Unterstellung, dass ein Grenzverlauf von 5,3 m eindeutig in die Örtlichkeit übertragen werden könnte, fehlt es für den umstrittenen Grenzpunkt 522 an einem einwandfreien Katasternachweis im Sinne des Art. 2 Abs. 2 AbmG. Zu Recht führt das Verwaltungsgericht aus, dass die im Jahr 2010 gemessene Entfernung zwischen dem Grenzpunkt 522 (Grenznagel) und der Gebäudewand von ca. 5,7 m im Riss 505 einen einwandfreien Katasternachweis im Sinne des Art. 2 Abs. 2 AbmG nicht zulässt, da gegenüber der Maßangabe im Riss 4a „mögliche Toleranzgrenzen“ überschritten werden. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei dem relativ kurzen Abstand zwischen der Gebäudemauer auf dem Grundstück Fl.Nr. 19 und dem möglichen Grenzpunkt der Grundstücke Fl.Nrn. 12, 16 und 17 eine Abweichung von 40 cm außerhalb der nach dem jeweiligen Einzelfall zu bestimmenden Toleranzgrenze liegt. Die im Jahr 2010 gemessene Entfernung von ca. 5,7 m liegt mehr als 7% über der Abstandsangabe von 5,3 m im Riss 4a aus dem Jahr 1890. Diese Differenz lässt einen einwandfreien, insbesondere eindeutigen Katasternachweis im Sinne des Art. 2 Abs. 2 AbmG nicht mehr zu. Der Senat hat mit Beschluss vom 25. November 2002 (19 ZB 98.39 - juris) die Berufung gegen ein Urteil, welches eine Abweichung von unter 1% als hinnehmbar erachtet hat (VG München v. 21.10.1997 - 1 K 95.1836), nicht zugelassen. Die hiesige Abweichung erreicht ein Vielfaches. Soweit die Klägerin demgegenüber auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. Oktober 2010 (2 L 139/09 - juris) verweist, der zufolge der dortige Beklagte auf eine zulässige Fehlergrenze von bis zu 0,8 m hingewiesen habe, ist festzuhalten, dass es in dem dortigen Fall darum gegangen ist, ob die Grenzlänge 134,00 m oder 134,20 m (bzw. 57,51 m oder 57,71 m) beträgt. Diese Abweichungen (welche nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nicht von entscheidender Bedeutung waren) liegen in einem Bereich von weniger als 0,2% (bzw. 0,4%) der Gesamtstrecke und sind mit der hiesigen Abweichung nicht vergleichbar. Selbst die nach der (entscheidungsunerheblichen) Auffassung des dortigen Beklagten hinnehmbare Fehlergrenze von bis zu 0,8 m läge bei Zugrundlegung einer Gesamtstrecke von ca. 134 m bei unter 1%. Wie ausgeführt beträgt der Unterschied im vorliegenden Fall hingegen ca. 7%. Hinzu kommt, dass aufgrund der Verhältnisse vor Ort (Möglichkeit der Zufahrt zu dem Teilbereich des Grundstücks Fl.Nr. 12, teilweise Grenzbebauung) die konkrete Grenzlänge besondere Bedeutung hat.

d) Es begegnet keinen ernstlichen Zweifeln, dass das Verwaltungsgericht für die Entfernung des Grenzpunktes (Grenznagels) 522 die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 bis 3 BayVwVfG bejaht und insbesondere eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen hat. Die beteiligten Grundstückseigentümer haben einen Grenzfeststellungsvertrag, für den der Riss 4a einen Anhalt hätte geben können, nicht geschlossen (vgl. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 AbmG). Die Rücknahme der rechtswidrigen (vgl. Nr. II. 1. lit. c) Abmarkung aus dem Jahr 2000 hinsichtlich des Grenzpunktes 522 steht zwar grundsätzlich im Ermessen des Beklagten (Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG). Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, im vorliegenden Falle erweise sich die fehlende Ermessensbetätigung des Beklagten als rechtmäßig, da von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen sei, ist aber nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass in bestimmten Fällen das einschlägige Fachrecht (hier das Abmarkungsrecht) dem Rücknahmeermessen eine Richtung vorgebe, so dass das Ermessen in diesem Rahmen fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, namentlich die für die Rücknahme des Verwaltungsaktes, ausgeübt werden könne (vgl. BVerwG, U. v. 17.1.2007 - 6 C 32/06, U. v. 24.2.2011 - 2 C 50/09 - jeweils juris, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 86, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 40 Rn. 65 f., 78 c, d). Dies ist nicht zu beanstanden und lässt sich aus dem Abmarkungsgesetz ableiten. Gemäß Art. 1 Abs. 4 Satz 1 AbmG wird vermutet, dass eine abgemarkte Grenze die richtige ist, wenn sie mit dem Nachweis des Liegenschaftskatasters übereinstimmt. In der amtlichen Begründung zu Art. 1 Abs. 4 AbmG (zitiert nach Simmerding/Püschel, a. a. O., Art. 1 AbmG Anm. 10) heißt es, der in der Abmarkung zum Ausdruck kommenden amtlichen Erklärung über den richtigen Verlauf der Grundstücksgrenzen müsse besonderes Gewicht beigemessen werden. Dies drücke die hier aufgestellte Vermutung aus, dass die abgemarkte, mit den Katasterunterlagen übereinstimmende Grundstücksgrenze bis zum Beweis des Gegenteils als richtig anzusehen sei. Damit sei im Streitfall eine den Verhältnissen angemessene Beweislastverteilung erzielt. Wer sich nämlich auf eine solchermaßen abgemarkte Grenze berufe, brauche seine Behauptung, dass diese die richtige sei, nicht besonders zu beweisen. Wer diese Behauptung mit Erfolg bestreiten wolle, müsse beweisen, dass die Vermutung unrichtig ist ...“. Da Art. 1 Abs. 4 Satz 1 AbmG der vorschriftsmäßig abgemarkten Grundstücksgrenze eine rechtliche Beweiskraft zumisst, ist ihr auch die Regel zu entnehmen, dass eine rechtswidrige Abmarkung zurückgenommen werden muss (im gleichen Sinn OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 14.10.2010 - 2 L 139/09 - juris - zum dortigen Vermessungsrecht) Diese gesetzlich intendierte Richtung der Ausübung des Rücknahmeermessens kommt zudem in Art. 2 Abs. 3 Satz 2 AbmG zum Ausdruck. Danach „unterbleibt“ die Abmarkung, wenn eine einwandfreie Feststellung des Verlaufs der Grundstücksgrenze auf der Grundlage des Katasternachweises nicht möglich ist und eine Einigung (in Form eines Grenzfeststellungsvertrages) über die Grundstücksgrenze zwischen den beteiligten Grundstückseigentümern nicht zustande kommt. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine Abmarkung zu unterbleiben hat. Diesem Ergebnis stehen auch nicht durchgreifende Gesichtspunkte des Einzelfalls entgegen. Soweit die Klägerin auf die bestandskräftigen Abmarkungsbescheide im Anschluss an die Abmarkung vom 23. November 2000 und die daran sich anschließende Verfestigung der Situation für einen gewissen Zeitraum hinweist, ist dem entgegen zu halten, dass die damaligen Beigeladenen zu 3 bis 5 (nunmehr Beigeladene zu 3, 4, 6, 7 und 8) das Abmarkungsprotokoll 359 nicht unterzeichnet haben. Auch konnte eine rechtswidrige Abmarkung keine Rechtssicherheit schaffen. Vielmehr stellte die fehlerhafte Kennzeichnung der Grundstücksgrenze eine Beeinträchtigung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums dar. Soweit das Verwaltungsgericht zudem der Errichtung eines Pfostens auf dem Grenzpunkt 522 durch die Klägerin unter dem Aspekt des Rechtsfriedens kein maßgebliches Gewicht zugemessen hat, da aus dem Vortrag der Beteiligten bekannt sei, dass auch hinsichtlich des Pfostens beim Amtsgericht G. ein Rechtsstreit anhängig sei, hat die Klägerin dem nichts entgegen gesetzt.

e) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, bei der Rücknahme der Abmarkung vom 23. November 2000 sei die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nicht eingehalten worden. Dahin stehen kann, ob für die Rücknahme der Abmarkung Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG überhaupt zur Anwendung kommen kann (ablehnend Simmerding/Püschel, a. a. O., Art. 8 AbmG Anm. 8, Art. 21 AbmG Anm. 15). Jedenfalls handelt es sich bei der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Rücknahme maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. Erst wenn die Behörde auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Tatsachen den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Rücknahmebefugnis zusteht, muss sie innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht (BVerwG - Großer Senat - B. v. 19.12.1984 - 1.84, 2.84 - BVerwGE 70, 356 - juris). Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass die Abmarkung aus dem Jahr 2000 bezüglich des Grenzpunktes 522 im Rahmen einer erforderlichen Grenzermittlung auch dann Bestand gehabt hätte, wenn die betroffenen Beteiligten sich auf diesen Grenzpunkt nachträglich geeinigt hätten, denn der Beklagte ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AbmG verpflichtet, diejenige Grundstücksgrenze abzumarken, auf die sich die beteiligten Grundstückseigentümer einigen. Das Verwaltungsgericht verweist zutreffend darauf, dass sich das Vermessungsamt in zwei Terminen im Vorfeld der Abmarkung um eine Einigung bemüht hat, nämlich im Dezember 2010 und im Mai 2011. Davon ausgehend wurde die Jahresfrist eingehalten. Die Frage, ob es zu einem weiteren Einigungsversuch im November 2011 gekommen ist, kann daher offen bleiben. Erst nach dem Scheitern einer Einigung, also frühestens im Mai 2011, konnte mithin die Jahresfrist zu laufen beginnen. Nicht ersichtlich ist demgegenüber, dass, wie die Klägerin meint, das Vermessungsamt die Abmarkungsbescheide im Jahr 2001 (Abmarkung des Grenzpunktes 522) in Kenntnis ihrer Unrichtigkeit erlassen hat. Dazu ist den vorgelegten behördlichen Unterlagen, insbesondere dem Abmarkungsprotokoll 359, nichts zu entnehmen. Vielmehr erkannte das Vermessungsamt S. erst zu einem späteren Zeitpunkt die bisherige Nichtberücksichtigung des Risses 4a und damit die Fehlerhaftigkeit der Abmarkung vom 23. November 2000. Die Behörde wandte sich mit E-Mail vom 9. Dezember 2010 an das Landesamt für Vermessung und Geoinformation und bat um Mitteilung, wie wegen des festgestellten Fehlers verfahren werden solle. Das Landesamt antwortete unter dem 16. Februar 2011, es sei die Anerkennung der Abmarkung nachzuholen, bei Verweigerung sei die Abmarkung zu entfernen (vgl. die Anlagen zum Beklagtenschriftsatz vom 6.6.2013). Auch dies belegt, dass zum damaligen Zeitpunkt eine vollständige Kenntnis der für die Rücknahme maßgeblichen Sach- und Rechtslage schon deshalb noch nicht vorgelegen hat, weil im Falle eines Grenzfeststellungsvertrags der streitgegenständliche Abmarkungsbescheid unterblieben wäre.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf.

Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Ob besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen, ist unter Würdigung der aufklärenden Tätigkeit des Verwaltungsgerichts zu beurteilen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 33). Hier hat das Verwaltungsgericht in Ansehung des im Zulassungsantrag Dargelegten alles Erforderliche getan, um die Schwierigkeiten zu lösen. Deswegen scheidet eine Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten aus. Auch hat der Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats zu Recht darauf hingewiesen, dass die Heranziehung und die Würdigung auch älterer Dokumente, insbesondere älteren Kartenmaterials regelmäßig den Vorgang der Abmarkung charakterisieren und deshalb noch keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen.

Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische, aber sorgfältige, die Sache überblickende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Die Offenheit des Ergebnisses charakterisiert die besondere rechtliche Schwierigkeit und rechtfertigt - insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts - die Durchführung des Berufungsverfahrens (Happ, a. a. O., § 124 Rn. 16, 25, 27).

Die erforderliche Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung erlaubt hier die Prognose, dass diese zurückzuweisen wäre. Dabei ist der unmittelbare sachliche Zusammenhang des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Blick zu nehmen (Happ, a. a. O., Rn. 25). Da hier die von der Klägerin vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht bestehen (vgl. Nr. 1 des Beschlusses), ist die Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht besonders schwierig. Die Frage, ob die streitgegenständliche Rücknahme der Abmarkung (Setzung des Grenzpunktes 522) formalrechtlich und materiellrechtlich rechtmäßig ist, lässt sich unter Heranziehung insbesondere des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Abmarkungsgesetzes und der jeweils dazu ergangenen Rechtsprechung zweifelsfrei beantworten.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten (Klärungsfähigkeit) und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit, vgl. insgesamt Happ, a. a. O., § 124 Rn. 36).

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, wann ein einwandfreier Grenzverlauf feststellbar ist und welche Abweichungen hierbei gegebenenfalls noch tolerierbar sind, ist keine grundsätzliche Frage, sondern eine Frage des Einzelfalls, die im Rahmen des hiesigen Zulassungsantragsverfahrens anhand der konkreten Umstände zu klären ist. Die im vorliegenden Einzelfall insbesondere auch aufgrund des vorliegenden Katastermaterials gefundene Antwort des Verwaltungsgerichts auf diese Frage ist nicht zu beanstanden (vgl. Nr. 1 des Beschlusses).

Die Frage, ob bei rechtswidrigen Grenzfeststellungen das Rücknahmeermessen regelmäßig auf Null reduziert ist, so dass ein Abmarkungsbescheid zurückgenommen werden muss, ist nicht klärungsbedürftig. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt (auch) dann, wenn eine Frage zwar nicht ausdrücklich entschieden ist, bereits ergangene Entscheidungen aber ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der Frage geben (Happ, a. a. O., § 124 Rn. 38 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den von der Klägerin zitierten Urteilen vom 17. Januar 2007 (6 C 32/06 - juris) und vom 24. Februar 2011 (2 C 50/09 - juris) ausgeführt, in dem einschlägigen Fachrecht könne eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden könne. Dem Abmarkungsrecht ist aus den unter Nr. 1 des Beschlusses dargelegten Gründen zu entnehmen, dass das Ermessen in Fällen wie dem vorliegenden regelmäßig auf Null reduziert ist. Das Verwaltungsgericht hat diese Ermessensreduzierung zutreffend auch mit den Umständen des Einzelfalls begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Entscheidung über die Erstattung eventueller außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen (§ 162 Abs. 3 VwGO) bedurfte es nicht, da diese keine Anträge gestellt haben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn
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published on 24/02/2011 00:00

Tatbestand 1 Die Klägerin wurde mit Bescheid vom 22. Januar 1999 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe als Lehrerin z. A. mit Wirkung vom 1. Februar 1999 in
published on 20/12/2010 00:00

Tenor 1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgese
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.