Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2015 - 13a ZB 14.30080

bei uns veröffentlicht am12.02.2015
vorgehend
Verwaltungsgericht Würzburg, W 2 K 12.30014, 18.12.2013

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Dezember 2013 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht vorliegen.

Der Kläger macht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Er rügt, das Verwaltungsgericht habe seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen und noch weniger angemessen gewürdigt. Er habe ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage nach Abzug der internationalen Schutztruppe Ende 2014 erheblich verschlechtern werde und daher eine Zukunftsprognose geboten sei. Des Weiteren habe er darauf hingewiesen, dass er einer Altersgruppe angehöre, auf welche die Taliban ein besonderes Augenmerk richten würden, und er deshalb bei einer Rückkehr besonders gefährdet wäre. Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen fehle.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B. v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Es soll sichergestellt sein, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten würdigt (BayVerfGH, E. v. 13.3.1981 - Vf. 93-VI-78 - BayVBl 1981, 529). Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass die Gerichte von ihnen entgegengenommenes Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen; ausreichend ist die Verarbeitung des wesentlichen Vorbringens (B. v. 30.9.2013 - 1 BvR 3196/11 -juris; B. v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133/146; B. v. 1.2.1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182/188). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG, U. v. 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Schilderung des Klägers zur Bedrohungssituation durch die Taliban ausführlich befasst, dabei auch seine Altersgruppe gesehen (UA S. 4), aber sein Vorbringen als widersprüchlich und oberflächlich eingestuft; eine konkrete Gefährdung liege daher nicht vor (UA S. 7). Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 1.2.2013 - 13a B 12.30045 - juris; vgl. auch U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) und Auswertung aktueller Erkenntnismittel hat es zudem eine extreme allgemeine Gefahrenlage und damit eine analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verneint (UA S. 17). Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht ebenfalls unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 1.2.2013 a. a. O.) angenommen, dass trotz einer verschlechternden Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Klägers keine kritische Gefahrendichte vorliege. Dieser sei keiner einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ausgesetzt (UA S. 10 ff.). Die Rüge des Klägers, er sei mit seinen Ausführungen nicht gehört worden, ist damit nicht durchgreifend. Im Rahmen der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Gefahrenprognose ist es nicht erforderlich, jeden Gesichtspunkt ausdrücklich zu erwähnen. Ausreichende Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der Sicherheitslage nach Abzug der ausländischen Streitkräfte Ende 2014 waren zudem weder vorgetragen noch ersichtlich.

Letztlich wendet der Kläger sich gegen die Annahme der angegriffenen Entscheidung, ein Anspruch auf subsidiären Schutz bestehe nicht und die Voraussetzungen für Abschiebungsschutz, insbesondere nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in unmittelbarer und auch analoger Anwendung, lägen nicht vor. Damit greift er in Wahrheit die Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht an. Die von der klägerischen Auffassung abweichende Bewertung stellt jedoch keine Frage des rechtlichen Gehörs dar, sondern der - im Rahmen von § 78 Abs. 3 AsylVfG nicht einschlägigen - Beweiswürdigung.

Auch unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Sachverhaltsaufklärung ergäbe sich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Nach § 78 AsylVfG ist die Berufung nicht bei jedem Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruht, sondern nur dann zuzulassen, wenn ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG). Eine ungenügende Sachverhaltsaufklärung (Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 86 Abs. 1 VwGO) würde nicht zu den in § 138 VwGO genannten Verfahrensmängeln gehören (siehe auch BayVerfGH, E. v. 29.1.2014 - Vf. 18-VI-12 - BayVBl 2014, 448).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2015 - 13a ZB 14.30080

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2015 - 13a ZB 14.30080

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2015 - 13a ZB 14.30080 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 138


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn1.das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2.bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes aus

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2014 - 13a B 13.30279

bei uns veröffentlicht am 30.01.2014

Tenor I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 24. Oktober 2012 wird die Klage insgesamt abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. III. Das

Referenzen

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die auf das Gebiet des Freistaats Bayern bezogene Untersagung des Veranstaltens von und der Werbung für öffentliches Glücksspiel über das Internet.

2

1. Der von den Bundesländern am 30. Januar 2007 geschlossene und vom Freistaat Bayern zum 1. Januar 2008 in Kraft gesetzte Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV a.F.) regelte unter anderem ein staatliches Monopol für das Veranstalten von Sportwetten. Daneben enthielt § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. ein für alle Arten von Glücksspiel geltendes Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet. Nach § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. war Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet, im Fernsehen und über Telekommunikationsanlagen verboten. In dem am 15. Dezember 2011 von den Bundesländern geschlossenen und von Bayern am 1. Juli 2012 in Kraft gesetzten Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag wurden § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV im Wesentlichen unverändert übernommen.

3

2. Der Beschwerdeführer veranstaltete über das Internet Sportwetten und machte dafür auch im Internet Werbung. Er verfügt über eine Gewerbeerlaubnis des Kreises L. vom 11. April 1990 zur Eröffnung eines Wettbüros für Sportwetten nach dem Gewerbegesetz der ehemaligen DDR, die er im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde nicht vorgelegt hat.

4

Mit Bescheid vom 27. März 2009 untersagte die Regierung von Mittelfranken dem Beschwerdeführer, öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV a.F. über das Internet in Bayern zu veranstalten oder zu vermitteln. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld festgesetzt, außerdem wurden dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens sowie eine Gebühr für den Bescheid auferlegt. Als Rechtsgrundlage für die Untersagung wurden die Vorschriften über die Glücksspielaufsicht in § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV a.F. herangezogen, das Verbot der Glücksspielveranstaltung über das Internet wurde auf § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. gestützt. Mit weiterem Bescheid vom 6. April 2009 untersagte die Regierung von Mittelfranken dem Beschwerdeführer außerdem, im Internet für öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV a.F. zu werben, soweit die Werbung vom Gebiet des Freistaats Bayern aus abrufbar ist. Das Verbot könne inhaltlich auf § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. gestützt werden.

5

Die hiergegen erhobenen Anfechtungsklagen wies das Verwaltungsgericht zurück. Die von der Regierung herangezogenen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags seien für die ausgesprochenen Verbote einschlägig und ihrerseits mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar. Ihrer Anwendung stehe auch nicht die Gewerbeerlaubnis nach dem Recht der DDR entgegen, da mit dieser nur der Zugang zur Tätigkeit als Sportwettveranstalter auf dem Gebiet der damaligen DDR geregelt worden sei. Die Bescheide hielten sich in der Verbandskompetenz der Regierung von Mittelfranken und seien hinreichend bestimmt. Ihre Erfüllung sei dem Beschwerdeführer weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich.

6

Das Bundesverwaltungsgericht wies die hiergegen erhobene Revision zurück. Die Internetverbote in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. richteten sich gegen alle vom Glücksspielstaatsvertrag erfassten öffentlichen Glücksspiele, nicht nur gegen die Träger des staatlichen Glücksspielmonopols. Die Bescheide seien nicht wegen einer objektiven Unmöglichkeit der dem Beschwerdeführer auferlegten Pflichten nichtig. Sofern die Bescheide nur bundesweit erfüllbar seien, sei dies dem Beschwerdeführer auch nicht unzumutbar, da die Verbote der § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. ohnehin bundesweit gälten. Die Behörde habe auch die Grenzen des Ermessens eingehalten. Schließlich seien die Internetverbote auch mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar. Sie verstießen nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, da sie zur Bekämpfung der Wettsucht und zu einem effektiven Jugendschutz geeignet, erforderlich und verhältnismäßig seien. Die Verbote stünden außerdem mit europäischem Unionsrecht in Einklang. Sie verfolgten unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele in systematischer und kohärenter Weise. Die Verbote seien widerspruchsfrei und es stehe außer Zweifel, dass sie auf die Verwirklichung der verfolgten Ziele ausgerichtet seien und nicht in Wahrheit fiskalischen Interessen der Länder dienten. Die Erreichbarkeit der Ziele werde auch nicht durch Regelungen und deren tatsächliche Handhabung in anderen Bereichen des Glücksspiels konterkariert. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sei insofern nicht geboten. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht auf die ihm erteilte Gewerbeerlaubnis nach dem Gewerberecht der ehemaligen DDR berufen. Diese sei räumlich nach Wirksamwerden des Beitritts zur Bundesrepublik auf das Beitrittsgebiet beschränkt. Art. 19 des Einigungsvertrags (EV) führe nicht zu einer Erstreckung ihres Geltungsbereichs auf das gesamte Bundesgebiet. Darin liege der Unterschied zu statusbegründenden Verwaltungsakten, die schon ihrer Natur nach bundesweite Geltung beanspruchten. Im Übrigen regle die Gewerbeerlaubnis nur die Zulassung des Gewerbes, nicht aber die Art und Weise seiner Ausübung.

7

Die gegen das Urteil erhobene Anhörungsrüge wies das Bundesverwaltungsgericht zurück.

8

3. Der Beschwerdeführer macht Verstöße gegen seine Grundrechte aus Art. 3, 12, 14 und 19 Abs. 4 GG, teilweise in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG, sowie gegen seine grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend.

9

a) Die Anwendung der Internetverbote gemäß § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. auf privat veranstaltete Sportwetten verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Bestimmtheitsgebot, als Gebot des Vertrauensschutzes und als Verbot unzulässiger Rechtsfortbildung. Das Bestimmtheitsgebot sei verletzt, weil private Sportwettanbieter nicht davon hätten ausgehen können, dass die Internetverbote im Glücksspielstaatsvertrag auch auf sie Anwendung finden sollten. Der Glücksspielstaatsvertrag sei von den Ländern in Reaktion auf das Sportwetturteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 115, 276) geschlossen worden, um das staatliche Sportwettmonopol in einer Weise auszugestalten, die den darin liegenden Eingriff in die Berufswahlfreiheit der privaten Wettanbieter rechtfertigen könne. Die Vorschriften beträfen deshalb nur die im Rahmen des Monopols tätigen Wettanbieter und -vermittler. Sie könnten jedoch nicht zu Lasten privater Anbieter interpretiert werden.

10

Ein Verstoß gegen das Vertrauensschutzprinzip liege darin, dass der Glücksspielstaatsvertrag keine Übergangsregelung für die Betätigung der privaten Wettanbieter enthalte. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die insofern grundrechtlich notwendige Abwägung mit dem Vertrauensschutz des Beschwerdeführers und anderer Betroffener vorgenommen habe.

11

Die Auslegung überschreite auch die Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung. Das klar erkennbare Regelungsziel schließe eine Anwendung der gesetzlichen Vorgaben auf private Wettanbieter aus. Das Bundesverwaltungsgericht begebe sich so aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz. Daran ändere der vermeintlich klare Wortlaut der Regelungen nichts, da auch klare Wortlaute immer auslegungsfähig und auslegungsbedürftig seien.

12

Gleichzeitig liege insofern eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, da das Gericht die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu drei Urteilen des gleichen Senats vom 24. November 2010 (BVerwGE 138, 201; Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 -, NVwZ 2011, S. 549; Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 15.09 -, juris), in denen die Unanwendbarkeit der Internetverbote auf private Wettanbieter bestätigt worden sei, nicht berücksichtigt habe, sowie eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz, da dem Beschwerdeführer der Zugang zu einem fachgerichtlichen Rechtsbehelf versperrt worden sei.

13

b) Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Bestimmtheitsgebot liege in der Anwendung der Internetverbote auf Inhaber gewerberechtlicher Sportwetterlaubnisse. Die Anordnung der bundesweiten Fortgeltung von Verwaltungsakten der Behörden der DDR in Art. 19 EV mache eine Prüfung der gerichtlichen Auslegung am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 GG erforderlich, der dem Beschwerdeführer insofern Bestandsschutz vermittle. Für den Beschwerdeführer sei nicht erkennbar gewesen, dass der Glücksspielstaatsvertrag Regelungen treffe, die ihm seine geschützte Rechtsstellung entzögen oder diese modifizierten.

14

Ein verfassungswidriger Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG liege auch deshalb vor, weil keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Gesetzgeber die erforderliche Abwägung unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes vorgenommen habe, und da keine Übergangsregelung für private Wettanbieter vorgesehen sei.

15

Ebenso verstoße die Anwendung der Internetverbote auf Inhaber von Sportwetterlaubnissen der ehemaligen DDR gegen Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 31 und 70 ff. GG. Die konkrete Auslegung der Internetverbote betreffe denselben Regelungsgegenstand wie die bundesgesetzliche Regelung in Art. 19 EV, was wegen des Vorrangs des Bundesrechts verfassungswidrig sei. Auch insofern macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG geltend, da das Bundesverwaltungsgericht seinen diesbezüglichen Revisionsvortrag nicht zur Kenntnis genommen und erwogen habe.

16

c) In der Verkürzung des räumlichen Geltungsbereichs der Gewerbeerlaubnis auf das Beitrittsgebiet sieht der Beschwerdeführer zunächst eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter. Der Senat hätte den Fall gemäß § 11 Abs. 2 VwGO dem Großen Senat vorlegen müssen, da er in dieser Rechtsfrage von dem Grundsatzurteil des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 1997 (BVerwGE 105, 255) abgewichen sei. Dies habe er willkürlich unterlassen. Insofern liege auch eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vor, da sich das Gericht über die gesetzgeberische Entscheidung der Fortgeltung von Verwaltungsakten der DDR im gesamten Bundesgebiet hinwegsetze. Gleichzeitig sei ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot gegeben, da die Auslegung des Gerichts in unvertretbarer Weise sportwettrechtlich die Teilung Deutschlands fortschreibe und damit die Ziele des Einigungsvertrags konterkariere. Hierin liege darüber hinaus ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

17

d) Die territorial auf Bayern beschränkte Verpflichtung zur Unterlassung von Internetvertrieb und -werbung verstoße ebenfalls gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, da von einem Bürger etwas verlangt werde, wozu er nicht in der Lage sei, und dieser dann den Beweis antreten müsse, dass es keine Umsetzungsmöglichkeit gebe. Dies verstoße auch gegen das bundesstaatliche Gebietskonzept. Zudem sei es willkürlich gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, ein territorial auf Bayern begrenztes Internetverbot, das mangels Erfüllbarkeit rechtswidrig sei, mit der Begründung aufrechtzuerhalten, dass der Adressat ein territorial unbeschränktes Internetverbot erfüllen könne.

18

e) Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer weitere Verletzungen seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.

19

f) Zuletzt macht der Beschwerdeführer geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe in mehrfacher Hinsicht sein Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, indem es bei unionsrechtlichen Fragen von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe durch die Anwendung der Internetverbote auf private Wettanbieter willkürlich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Rechtsklarheit mitgliedstaatlicher Regelungen missachtet, obwohl der Beschwerdeführer eine entsprechende Vorlagefrage formuliert habe.

II.

20

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, da die im vorliegenden Fall maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sind. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist zum größten Teil unzulässig; im Übrigen verletzen die angegriffenen Entscheidungen und Bescheide den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten.

21

1. Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffenen Bescheide und gerichtlichen Entscheidungen nicht in seiner Berufsfreiheit verletzt.

22

a) Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG unmittelbar durch die gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. wird vom Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht geltend gemacht. Insofern wurde vom Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt, dass die Verbote der Veranstaltung von und der Werbung für Glücksspiel im Internet mit der Berufsfreiheit vereinbar sind (BVerfGK 14, 328). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah darin keinen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EGMR, Urteil vom 27. November 2012 - 21252/09 -, EuGRZ 2013, 274).

23

b) Die Auslegung und Anwendung von § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. in den angegriffenen Entscheidungen ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

24

Der Beschwerdeführer kann keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in seiner Ausprägung als Bestimmtheitsgebot, als Vertrauensschutzgebot und als Verbot unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung durch die Anwendung der genannten Vorschriften auf private Sportwettanbieter geltend machen. Auch die Rüge einer Verletzung in Art. 12 Abs. 1 GG durch die Anordnung und Durchsetzung der territorial auf Bayern beschränkten Verpflichtung zur Unterlassung von Internetvertrieb und Internetwerbung bleibt ohne Erfolg.

25

aa) Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Bestimmtheitsgebot ist unzulässig, da das Vorbringen des Beschwerdeführers einen solchen Verstoß unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen kann. Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich anhand des Gesetzes auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können (vgl. BVerfGE 110, 33 <52 ff.>; 113, 348 <375 ff.>). Der Beschwerdeführer trägt jedoch nicht vor, dass die betreffenden Normen der § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. für sich genommen diesen Anforderungen nicht genügten, sondern rügt, dass die Auslegung der Normen durch das Bundesverwaltungsgericht als Internetverbote auch für private Wettanbieter für ihn und andere Normadressaten nicht vorhersehbar gewesen sei. Damit macht er bei verständiger Würdigung seines Vorbringens nicht einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot geltend, sondern vielmehr einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger Rechtsfortbildung.

26

bb) Die Rüge einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes wegen des Fehlens einer Übergangsregelung für private Wettanbieter ist ebenso unzulässig, da sie nicht den Begründungserfordernissen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in eigenen Rechten kommt nur in Betracht, wenn die angegriffenen Bescheide auf dem Fehlen einer Übergangsregelung beruhen. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, inwieweit er im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Bescheide überhaupt noch Vertrauensschutz genoss (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 -, juris, Rn. 59).

27

cc) Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts überschreitet auch nicht die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger Rechtsfortbildung. Ein Gericht greift dann unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein, wenn eine Interpretation den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt wird (vgl. BVerfGE 128, 193 <209 ff.> m.w.N.). Eine Rechtsfortbildung liegt hier bereits deshalb nicht vor, weil die Auslegung von § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. als Verbote des Veranstaltens von und der Werbung für Glücksspiele im Internet vom Wortlaut der Vorschriften eindeutig erfasst ist.

28

Die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts überschreitet aber auch ansonsten nicht die Grenzen vertretbarer Auslegung. Eine Beschränkung der Geltung dieser Verbote auf Wettanbieter im Bereich des staatlichen Glücksspielmonopols ergibt sich weder aus der Systematik des Glücksspielstaatsvertrags noch aus Sinn und Zweck der Regelung. § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. befinden sich im Ersten Abschnitt des Glücksspielstaatsvertrags, der allgemeine, für alle Formen des Glücksspiels geltende Vorschriften enthält, und nicht im Zweiten Abschnitt über die staatlichen Aufgaben im Glücksspielbereich. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften steht der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen.

29

Eine effektive Verfolgung der in § 1 GlüStV a.F. formulierten Ziele erfordert, dass auch private Anbieter den für die Ausübung des Glücksspielgewerbes gesetzten Grenzen unterworfen sind. Im Gegenteil würden sich die Länder mit der Herausnahme der privaten Glücksspielveranstalter aus den Anforderungen an Vertrieb von und Werbung für Glücksspiel der Gefahr des unions- und verfassungsrechtlichen Vorwurfs einer inkohärenten Verfolgung der in § 1 GlüStV a.F. formulierten Ziele aussetzen.

30

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaatsvertrags. Soweit die Länder sich entschlossen, die Aufhebung der Gewerbeerlaubnisse nach dem Recht der ehemaligen DDR aus dem Staatsvertrag herauszunehmen, diente dies dem Zweck, das Risiko einer darauf begründeten Anfechtung des Staatsvertrags durch die Erlaubnisinhaber zu vermeiden.

31

dd) Die Rüge einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot durch die gerichtliche Anordnung der territorial auf Bayern beschränkten Unterlassungsverpflichtung ist unsubstantiiert und damit nicht zulässig erhoben. Der Beschwerdeführer setzt sich insofern nicht mit den hierfür relevanten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Möglichkeit und Zumutbarkeit der Befolgung der territorial beschränkten Unterlassungspflichten auseinander.

32

ee) Auch die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem bundesstaatlichen Gebietskonzept durch die gerichtliche Erwägung, dass die nominell auf Bayern beschränkten Unterlassungsanordnungen jedenfalls bundesweit befolgt werden könnten, genügt nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwieweit ihn der behauptete Eingriff in die Zuständigkeiten anderer Bundesländer durch eine faktisch bundesweite Unterlassungsanordnung in seinen Rechten verletzt.

33

2. Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung in seiner Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen berufen. Die Rüge, die Anwendung von § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. auf den Beschwerdeführer als Inhaber einer gewerberechtlichen Sportwetterlaubnis der ehemaligen DDR verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Bestimmtheitsgebot und mit den Regeln über die Gesetzgebungszuständigkeiten in Art. 70 ff. und 31 GG, ist mangels einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Begründung unzulässig. Wird geltend gemacht, dass durch die Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift in das geschützte Eigentum in Form einer bestandskräftigen Gewerbeerlaubnis eingegriffen wird, muss im Rahmen einer substantiierten Begründung auch eine Kopie der betreffenden Erlaubnis vorgelegt werden. Denn nur so wird dem Bundesverfassungsgericht ermöglicht zu prüfen, wie weit die bestehende Rechtsposition des Beschwerdeführers aufgrund der Erlaubnis reicht. Der Beschwerdeführer hat jedoch weder eine Kopie der Erlaubnis vorgelegt noch deren Inhalt vollständig dargestellt. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass ihm lediglich eine örtlich gebundene Erlaubnis zur Eröffnung eines Wettbüros erteilt worden war.

34

3. Keine der auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützten Rügen des Beschwerdeführers hat Aussicht auf Erfolg. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 60, 175 <210, 211 f.>; 64, 135 <143>; 65, 227 <234>; 86, 133 <144>). Die Gerichte sind jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen auseinanderzusetzen. Um einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festzustellen, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde (BVerfGE 65, 293<295>; 70, 288 <293>; 86, 133 <146>). Die Gerichte sind insbesondere nicht verpflichtet, der Rechtsansicht einer Partei beziehungsweise eines Beteiligten zu folgen (BVerfGE 64, 1 <12>; 87, 1 <33>). Bei Anwendung dieser Maßstäbe sind die Rügen einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG zum überwiegenden Teil mangels einer substantiierten Begründung bereits unzulässig. Im Übrigen liegt jedenfalls keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG vor.

35

a) Die Handhabung des Hinweises des Beschwerdeführers auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwGE 138, 201; Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 -, NVwZ 2011, S. 549; Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 15.09 -, juris) begründet keinen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in dem angegriffenen Urteil in der Sache mit der der Rüge zugrunde liegenden Rechtsfrage ausführlich auseinandergesetzt. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt dem Beschwerdeführer keinen darüber hinausgehenden Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit von ihm zitierten Entscheidungen ausdrücklich befasst und sich zu einer von ihm behaupteten Inkonsistenz seiner Rechtsprechung verhält. Die Zurückweisung dieser Rüge durch das Bundesverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss über die Anhörungsrüge verletzt den Beschwerdeführer auch nicht wie von ihm behauptet in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, da ihm nicht der Zugang zu einem fachgerichtlichen Rechtsbehelf versperrt wurde.

36

b) Auch die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, mit den Internetverboten würden keine fiskalischen Zwecke verfolgt, und die vom Beschwerdeführer behauptete fehlende Berücksichtigung seines entgegenstehenden Vortrags verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Schutz dagegen, dass ein Gericht Parteivorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lässt (vgl. BVerfGE 70, 288 <294>; 82, 209 <235>; 84, 34 <58>).

37

Der Beschwerdeführer greift mit dieser Rüge - wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss über die Anhörungsrüge zutreffend ausführt - letztlich einen aus seiner Sicht bestehenden Aufklärungsmangel an, weil das Gericht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage entschieden habe. Gemäß § 137 Abs. 2 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht sind. Das angegriffene Revisionsurteil kann nur dann auf dem gerügten Gehörsverstoß beruhen, wenn neuer Tatsachenvortrag berücksichtigt werden durfte, wenn also zulässige Revisionsrügen vorgebracht wurden. Eine entsprechende Revisionsrüge ist in der Revisionsbegründung jedoch nicht enthalten. Soweit sie dem späteren Schriftsatz vom 5. Mai 2011 zu entnehmen wäre, wäre sie aber jedenfalls nach Ablauf der zweimonatigen Frist zur Revisionsbegründung (§ 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO) eingelegt und damit unzulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5/99 -, juris, Rn. 42). Das Bundesverwaltungsgericht hat den entsprechenden Vortrag deshalb zu Recht unberücksichtigt gelassen.

38

c) Die weiteren Rügen eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG genügen bereits nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG, da der Beschwerdeführer sich insofern nicht mit den entsprechenden Ausführungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auseinandersetzt.

39

4. Die vom Beschwerdeführer gerügte unterlassene Vorlage der Rechtsfrage betreffend die Auslegung von Art. 19 EV an den Großen Senat des Bundesverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter. Das Bundesverwaltungsgericht handelte insofern nicht willkürlich (vgl. BVerfGE 13, 132 <143>; 19, 38 <42 f.>; 101, 331 <359 f.>). Vielmehr setzte es sich in dem angegriffenen Urteil ausdrücklich mit dem Urteil des 7. Senats vom 15. Oktober 1997 (BVerwGE 105, 255) auseinander und führte in vertretbarer Weise aus, dass dieses einen statusbegründenden Verwaltungsakt betraf und die dortigen Ausführungen zur Geltungserstreckung auf das gesamte Bundesgebiet nicht auf den ihm vorliegenden Fall einer Gewerbeerlaubnis übertragen werden konnten. Insofern konnte sich der Senat auch auf die Begründung im Urteil des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2006 (BVerwGE 126, 149 <162 ff.>) berufen.

40

5. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen wegen Verstößen gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter durch Nichtvorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV sind unsubstantiiert und genügen damit nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Eine mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbare unhaltbare Auslegung und Anwendung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist in den Fallgruppen der grundsätzlichen Verkennung der Vorlagepflicht, des bewussten Abweichens von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft und der unvertretbaren Überschreitung des Beurteilungsrahmens in Fällen der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs gegeben (vgl. BVerfGE 126, 286 <316 f.>; 129, 78 <106 f.>).

41

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist hinsichtlich keiner seiner Rügen geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen einer dieser Fallgruppen zu belegen. Insbesondere trägt der Beschwerdeführer bei keiner der Rügen eine Unvollständigkeit der Rechtsprechung vor, hinsichtlich derer das Bundesverwaltungsgericht sich hätte kundig machen müssen. Vielmehr behauptet er nur, das Urteil sei mit der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht vereinbar.

42

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

43

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 24. Oktober 2012 wird die Klage insgesamt abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der nach seinen Angaben am 1. Januar 1991 in Malestan, Provinz Ghazni, geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und hazarischer Volkszugehöriger muslimisch-schiitischen Glaubens. Er reiste am 15. Juni 2009 auf dem Luftweg ins Bundesgebiet ein und stellte am 19. Juni 2009 Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) übermittelte dem Kläger mit Schreiben vom 19. Juni 2009 die Benachrichtigung zur Anhörung für den 17. August 2009 in München. Der Kläger nahm diesen Termin nicht wahr und reiste weiter nach Norwegen. Am 2. Februar 2010 wurde er von Oslo nach Hamburg zurück überstellt. Mit Schreiben vom 30. März 2010 teilte das Bundesamt dem Kläger gemäß § 25 Abs. 4 Satz 5 AsylVfG mit, dass er den Anhörungstermin vom 17. August 2009 unentschuldigt nicht wahrgenommen habe und nunmehr die Möglichkeit bestünde, innerhalb eines Monats den Asylantrag und die übrigen Umstände schriftlich zu begründen. Am 3. Mai 2010 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Bundesamt mit, dass ein Großteil der Verwandtschaft des Klägers aufgrund der Bürgerkriegswirren kurz vor dem Sturz der Taliban gestorben sei. Lediglich sein älterer Bruder habe überlebt. Nachdem aber auch dieser verschollen war, sei er aus Afghanistan geflohen und in den Iran gegangen. Nach ca. acht Monaten habe er sich auf den Weg nach Europa gemacht. Der Kläger stamme aus einer Provinz, wo Krieg herrsche. Ein aufnahmebereiter Familienverband bestehe in Afghanistan nicht.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2011 lehnte das Bundesamt (1.) den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass (2.) die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen und (3.) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte (4.) dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.

Durch Beschluss vom 8. Juli 2011 nach § 80 Abs. 5 VwGO ordnete das Verwaltungsgericht München (M 23 S 11.30195) die aufschiebende Wirkung der Klage (M 23 K 11.30194) gegen die Ziffer 4 des Bundesamtsbescheids vom „20. Februar 2007“ [?] insoweit an, als die Abschiebung nach Afghanistan angedroht wurde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 7. Oktober 2012 gab der Kläger Folgendes an: Er sei drei bis vier Jahre zur Schule gegangen und habe dort Lesen und Schreiben gelernt. Sein Vater sei zur Zeit der Taliban-Herrschaft in Afghanistan umgebracht worden, seine Mutter sei verstorben und sein Bruder verschwunden. Seine Familie habe in Ghazni in einer Mietwohnung gelebt. Die landwirtschaftlichen Grundstücke der Familie in Malestan bearbeite sein Onkel. Er könne aber wegen der Probleme mit seinem Onkel nicht in seinen Heimatort zurückkehren. Dieser behaupte, dass ihm die Grundstücke allein gehörten, wohingegen er selbst meine, dass sie seinem Onkel und seinem Vater gemeinschaftlich gehört hätten.

Durch Urteil vom 24. Oktober 2012 hob das Verwaltungsgericht den Bundesamtsbescheid vom 17. Februar 2011 in Nr. 3 insoweit auf, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt. Zudem wurde dieser im Nr. 4 insoweit aufgehoben, als die Abschiebung nach Afghanistan angedroht wurde. Die Beklagte wurde verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass für den Kläger im Fall der Abschiebung nach Afghanistan eine extreme Gefahr für Leib oder Leben bestünde. Er wäre angesichts der schlechten Versorgungslage in Afghanistan der Gefahr des baldigen Todes durch Verhungern oder Erfrieren ausgeliefert. Der Kläger habe in Afghanistan keine Familie als soziales Netz und hätte auch keine Möglichkeit, allein Fuß zu fassen und als Tagelöhner das Existenzminimum zu erlangen. Als Rückkehrer aus dem westlich geprägten Ausland täte sich der Kläger besonders schwer. In Kabul könnte er sich mangels Ortskenntnissen nicht zurechtfinden. Außerdem seien ihm die Lebensumstände in Afghanistan ohnehin fremd geworden, weil er sich mehrere Jahre in Deutschland aufgehalten habe. Hinzu komme, dass er nur die Grundschule besucht und keine Berufsausbildung erhalten habe. Aus diesen Gründen wären seine Chancen, irgendeinen Job zu finden, als aussichtslos einzuschätzen. Außerdem gehöre er als Hazara einer geächteten Volksgruppe an.

Durch Beschluss vom 13. September 2013 (13a ZB 13.30037) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsschutzes wegen Divergenz von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bezüglich der Annahme einer extremen Gefahr zugelassen.

Am 27. September 2013 hat die Beklagte die Berufung unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Zulassungsantrag begründet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München

vom 24. Oktober 2012 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er habe vier Jahre lang die Schule besucht und dann seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Nach dessen Tod sei er seinem Bruder zur Hand gegangen. Er habe zwar von seinem Vater Land bekommen, sei deswegen aber von seinem Onkel bedroht worden, so dass er Afghanistan verlassen habe. Ihm drohten nunmehr Gefahren durch die Taliban und insbesondere durch seinen Onkel. Dieser arbeite im Innenministerium in Kabul und habe ihn sogar bedroht, als er sich im Zuge der Ausreise kurzzeitig in Herat aufgehalten habe. Es gehe bei dem Streit auch um Baugrundstücke in Kabul. Das Land in seinem Heimatdorf Balagsan (bei Malestan) werde von Söhnen des Onkels bearbeitet. Im Übrigen habe er keinen Kontakt mehr zu seinem Onkel. Es sei hier von einer extremen Gefahrenlage auszugehen, welche ein Abschiebungsverbot in analoger Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründe. Er habe seit 2008 im Ausland gelebt. Es bestünde die Gefahr, dass er im Fall der Abschiebung in eine hilflose Lage geraten und den nächsten Winter nicht überleben würde. Er habe keine Chance auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt in Afghanistan. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass gemäß den Erkenntnissen von amnesty international im Winter 2011/2012 und 2012/2013 mehr als 100 Personen in Flüchtlingslagern durch Erfrieren gestorben seien (Bericht vom 19.10.2012 und vom 21.1.2013). Der Kläger weist außerdem auf einen Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) aus der Sitzung vom 4. bis 6. Dezember 2013 (TOP 39) hin, demgemäß die IMK die Entwicklung der rückführungsrelevanten Situation in Afghanistan mit großer Aufmerksamkeit beobachte und der Auffassung sei, dass die bestehende Beschlusslage aus dem Jahr 2005 unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung - insbesondere infolge des Abzugs der ausländischen Streitkräfte - einer Überprüfung und Neubewertung bedürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) nicht verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Beim national begründeten Abschiebungsverbot handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, weshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen sind (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Allerdings sind weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 noch diejenigen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig (EMRK) ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (U. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen („zielstaatsbezogene“ Abschiebungshindernisse). Dabei sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 unter Verweis auf EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952).

Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht dem Kläger nicht.

Es ist nicht anzunehmen, dass dem Kläger bei Rückkehr in seine Heimatprovinz Ghazni eine Gefahr von Seiten seines Onkels drohen würde. Der Senat hält den Vortrag des Klägers nicht für glaubwürdig. Die diesbezüglichen Angaben vor dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof weisen eine auffällige und nicht plausible Steigerung auf. In erster Instanz sprach der Kläger von Problemen mit seinem Onkel, die daher rührten, dass dieser die landwirtschaftlichen Grundstücke im Heimatdorf (für sich allein) bewirtschafte und ihm seine Ansprüche aus dem väterlichen Miteigentum streitig gemacht habe. Von (nicht näher beschriebenen) Drohungen war erst in der Berufungsverhandlung die Rede. Neu ist auch die Behauptung, der Onkel sei im Innenministerium beschäftigt, er habe den Kläger während eines einmonatigen Zwischenaufenthalts in Herat bedroht und es gebe außer den landwirtschaftlichen Flächen in der Provinz Ghazni auch noch Baugrundstücke in Kabul. Würden die geschilderten Ereignisse und Umstände den Tatsachen entsprechen, so wäre es unerklärlich, warum sie der Kläger nicht schon früher geltend gemacht hätte. Der Vortrag bezüglich des Zwischenaufenthalts in Herat entbehrt jeglicher Realitätsnähe. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Onkel dem Kläger nach dessen Weggang aus dem Heimatdorf noch nachgestellt haben sollte und wie es ihm gelungen sein könnte, ihn in Herat aufzuspüren. Bei kritischer Würdigung des gesteigerten Vortrags ist nach der Überzeugung des Senats allenfalls der Streit wegen der geltend gemachten Erbansprüche, aber nicht die fortgesetzte Bedrohung glaubwürdig.

Die erstmals in der Berufungsverhandlung geltend gemachte Bedrohung durch Taliban begründet die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr ebenfalls nicht. Sollte sich dieser Hinweis auf ein persönliches Bedrohungsszenario beziehen, so wäre er unbeachtlich, da gänzlich unsubstantiiert.

Soweit sich der Kläger auf die allgemeine Gefährdung durch die Taliban und die unzureichende Versorgungslage in Afghanistan bezieht, handelt es sich um allgemeine Gefahren im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden können, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage sind (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 16. April 2013 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor vorrangig zurückzuführen sind alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, B. v. 23.8.2006 - 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).

Hinsichtlich der vom Kläger befürchteten allgemeinen Gefährdung durch Taliban (z. B. Sprengfallen) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 60 Abs. 7 Satz 2 (a. F.) AufenthG schon nicht von einer erheblichen individuellen Gefahr auszugehen. Gemäß den Erkenntnissen des Senats lag das Risiko für Angehörige der Zivilbevölkerung, in der nach UNAMA zur Südostregion zählenden Provinz Ghazni durch (jegliche) militante Gewalt Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, im Jahr 2012 unter 1:1.000 (weniger als 0,1%). Diese Risikohöhe ist weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (BayVGH, U. v. 15.3.2013 - 13a B 12.30294 - juris Rn. 22 f.). Gemäß dem UNAMA-Bericht vom Juli 2013 (United Nations Assistance Mission in Afghanistan, Mid-Year Report 2013, Protection of Civilians in Armed Conflict) ist derzeit in der Südostregion nicht mit einer signifikanten Verschlechterung der Gefährdungslage oder einer wesentlichen Erhöhung des Risikos, Opfer militanter Gewalt zu werden, zu rechnen. Somit ist erst recht nicht von einer extremen Gefahr im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auszugehen.

Im Hinblick auf die unzureichende Versorgungslage hat sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger ebenfalls nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist (vgl. ständige Rspr. des Senats, z. B. U. v. 8.12.2011 - 13a B 11.30276 - EzAR-NF 69 Nr. 11 = AuAS 2012, 35 -LS-; U. v. 20.1.2012 - 13a B 11.30425 - juris; U. v. 22.3.2013 - 13a B 12.30044 - juris; U. v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 - juris; U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris; so auch VGH BW, U. v. 6.3.2012 - A 11 S 3177/11 - EzAR-NF 69 Nr. 13 - juris; VGH BW, U. v. 27.4.2012 - A 11 S 3079/11 - juris = DÖV 2012, 651 -LS-; OVG RhPf, U. v. 21.3.2012 - 8 A 11050/10.OVG - juris; SächsOVG, U. v. 10.10.2013 - A 1 A 474/09 - juris; HessVGH, U. v. 30.1.2014 - 8 A 119/12.A - juris). Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

Nach der Rechtsprechung des Senats ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Senat hat sich dabei zunächst u. a. auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (S. 26 ff.) gestützt, wonach sich nahezu alle volkswirtschaftlichen Indikatoren Afghanistans positiv entwickelt hätten. Von den verbesserten Rahmenbedingungen profitierten dem Lagebericht zufolge grundsätzlich auch Rückkehrer. Die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten sei allerdings nach wie vor schwierig. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Auch sei der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich.

Ähnliche Erkenntnisse haben sich für den Senat aus den weiter zugrunde gelegten Berichten ergeben. So geht der Sachverständige Dr. Danesch in seinem Gutachten vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In diesen Sektor, meist im Baugewerbe, ströme massiv die große Zahl junger Analphabeten. Ein älterer Mann, der vorher schon lange im Westen gelebt habe, hätte keine Chance auf einen solchen Arbeitsplatz. Hieraus konnte der Senat im Umkehrschluss die Folgerung ziehen, dass bei anderen Voraussetzungen eine Beschäftigung möglich ist. Nach der Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren 6 A 11048/10.OVG) von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i. L.) gebe es für qualifiziertes Personal ein umfangreiches Angebot an offenen Stellen. Für einen nicht oder gering qualifizierten Rückkehrer bestünden nur geringe Chancen für eine dauerhafte Beschäftigung mit geregeltem Einkommen. Das Existenzminimum für eine Person könne durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Fälle, in denen Rückkehrer aufgrund von Hunger oder Unterernährung verstorben seien, seien nicht bekannt. Schließlich hat der Senat auch die Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 herangezogen, in der ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen wird. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Aufgrund dieser Auskünfte sah der Senat deshalb die Annahme als gerechtfertigt an, dass grundsätzlich Arbeitsmöglichkeiten bestehen.

Der aktuelle Lagebericht vom 4. Juni 2013 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: März 2013) formuliert die maßgeblichen Passagen zwar anders (S. 17 ff: „IV. Rückkehrerfragen“). Danach ist der Entwicklungsbedarf in Afghanistan weiterhin beträchtlich. Die Möglichkeiten des afghanischen Staats, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen, etwa im Bildungsbereich, zur Verfügung zu stellen, würden aufgrund des rapiden Bevölkerungswachstums zusätzlich unter Druck geraten. Die Situation am Arbeitsmarkt stelle das Land vor besondere wirtschaftliche und soziale Herausforderungen. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Andererseits wird im Lagebericht dargestellt, dass zunehmend Arbeiter aus Bangladesch, Iran und Pakistan nach Afghanistan kommen, da hier höhere Gehälter bezahlt würden, wenngleich es an einer politischen Strategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen fehle (S. 17). Auch sei die afghanische Wirtschaft in den vergangenen Jahren aufgrund der internationalen Präsenz ständig gewachsen, unterliege allerdings derzeit besonderen Herausforderungen. Die medizinische Versorgung sei zwar immer noch unzureichend, Verbesserungen seien aber erkennbar (S. 18). Zusammenfassend lassen sich dem Lagebericht vom 4. Juni 2013 damit keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen (BayVGH, U. v. 24.10.2013 a. a. O.).

Aufgrund der in den Auskünften geschilderten Rahmenbedingungen geht der Senat weiterhin davon aus, dass trotz großer Schwierigkeiten grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bestehen und jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten sind. Insbesondere Rückkehrer aus dem Westen sind in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher (Lagebericht 2012, S. 27). Hinzu kommt, dass eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Auskunft vom 2.7.2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zum Verfahren 8 A 2344/11.A) dürfte es unwahrscheinlich sein, dass besonders in der Hauptstadt Kabul Personen verhungern oder verdursten.

Das vom Kläger unter Hinweis auf aktuelle Erkenntnisse von amnesty international geltend gemachte Risiko des Erfrierens begründet die Annahme einer extremen Gefahr ebenfalls nicht. Wie aus dem vom Kläger zitierten offenen Brief von amnesty international vom 19. Oktober 2012 (www.amnesty.org/en/news/afghanistan-urgent-assistance-needed-avoid-deaths) hervorgeht, gab es in den Flüchtlingslagern Afghanistans infolge des außerordentlich strengen Winters 2011/2012 über 100 Menschen, meistens Kinder, die an Kälte oder Krankheiten starben. Gemäß den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 - HCR/EG/AFG/13/01 - besteht hinsichtlich der provisorischen und notdürftigen Unterkünfte für Binnenvertriebene sowie zurückkehrende Flüchtlinge folgende Situation: Die Betroffenen - in Kabul ca. 35.000 Personen -, die angesichts begrenzter Unterkunftsmöglichkeiten in informellen Siedlungen (Slums) leben müssten, seien dem strengen Winter schutzlos ausgeliefert. Infolge dessen seien in Kabul Anfang 2012 zehn Personen und Anfang 2013 17 Personen an der Kälte gestorben. Die meisten von ihnen seien Kinder (UNHCR a. a. O. Fn. 154, 157, 162). Nach der Auskunft des Auswärtigen Amts vom 2. Juli 2013 (a. a. O.) kommt es in Kabul im Winter gelegentlich vor, dass Personen, die keine winterfeste Bleibe haben, erfrieren. Hierbei handle es sich zumeist um Säuglinge. Das für die Kinder als besonders gefährdete Gruppe bestehende Risiko lässt sich jedoch nicht auf den Kläger als erwachsenen Mann übertragen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger der Minderheit der Hazara keine Chance hätte, sich als Tagelöhner oder Gelegenheitsarbeiter zu verdingen. Die vorliegenden Gutachten und Berichte enthalten keine entsprechenden Hinweise. Der Umstand, dass der Kläger noch nicht in Kabul gelebt und sich seit 2008 im Ausland aufgehalten hat, steht der Annahme, er könne sich in Kabul auf sich allein gestellt notfalls „durchschlagen“, ebenfalls nicht entgegen (BayVGH, U. v. 24.10.2013 a. a. O.).

Bei dieser Ausgangslage ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr in sein Heimatland in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. UNHCR ist ebenfalls der Auffassung, dass bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht komme (Richtlinien vom 6.8.2013 a. a. O. S. 9).

Der Hinweis auf den Beschluss der IMK zu TOP 39 (Rückführung nach Afghanistan) aus der Sitzung vom 4. bis 6. September 2013, demgemäß die abschiebungsrelevante Situation in Afghanistan der Überprüfung und Neubewertung bedürfe, vermag die Einschätzung des Senats nicht in Frage zu stellen. Die von der IMK zu klärende Frage, ob die Abschiebung afghanischer Staatsangehöriger ausgesetzt werden soll, richtet sich nach § 60a Abs. 1 AufenthG. Danach kann die Anordnung eines sog. Abschiebestopps aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland ergehen. Für die IMK besteht somit ein weites Entscheidungsspektrum (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt a. a. O., § 60a AufenthG Rn. 6). Die Frage hingegen, ob eine Extremgefahr für einen bestimmten Ausländer gegeben wäre, betrifft nur einen kleinen Ausschnitt dieses Spektrums und hängt somit nicht von der humanitären Bewertung der Sicherheits- und Gefährdungslage im Ganzen ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.