Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2015 - 11 ZB 15.50161

published on 20/08/2015 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2015 - 11 ZB 15.50161
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Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der am 4. Juli 1995 geborene Kläger ist ukrainischer Staatsangehöriger. Am 25. August 2014 erteilte ihm die Botschaft der Republik Lettland in Kiew ein vom 27. August 2014 bis 18. September 2014 gültiges Schengen-Visum.

Am 7. September 2014 reiste der Kläger gemeinsam mit seinen Eltern und seiner erwachsenen Schwester sowie deren Sohn von Lettland in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldete sich am 8. September 2014 in Berlin als Asylsuchender. Am 20. Oktober 2014 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf einen Asylantrag.

Am 16. Januar 2015 richtet das Bundesamt ein Aufnahmegesuch nach Art. 20 Abs. 4 Dublin III-VO an die Republik Lettland. Die lettischen Behörden stimmten mit Schreiben vom 5. Februar 2015 der Aufnahme des Klägers nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zu.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Lettland an (Nr. 2). Lettland sei aufgrund des erteilten Visums für die Behandlung des Asylantrags zuständig und habe der Aufnahme des Klägers zugestimmt. Der Asylantrag sei daher nach § 27a AsylVfG unzulässig und werde nicht materiell geprüft.

Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2015 abgewiesen. Der Bescheid vom 12. Mai 2015 sei rechtmäßig, da Lettland für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig sei. Systemische Mängel im lettischen Asylsystem seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht geltend, es liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Mit Verfügung vom 23. Juni 2015 habe das Verwaltungsgericht die Frist zur Angabe weiterer Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Asylverfahren sich die Klagepartei beschwert fühle und zur Angabe von Beweismitteln zur politischen Verfolgung der Klagepartei bzw. zu Abschiebungshindernissen bis 3. Juli 2015 verlängert. Schon vor Fristablauf sei durch Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2015 über die Klage entschieden worden. Wäre die Frist abgewartet worden, so hätte der Kläger noch dargelegt und unter Beweis gestellt, dass das Asylsystem in Lettland an systemischen Mängeln leide, die Voraussetzungen der Art. 9 bis 11 Dublin III-VO bei ihm vorliegen würden und eine Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO gegeben sei. Zudem hätte er dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Trennung von seinen Eltern und seiner erwachsenen Schwester einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK darstelle. Das Verwaltungsgericht sei diesbezüglich auch rechtsirrig davon ausgegangen, dass es nur eine summarische Prüfung vornehmen müsse.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil ein Verfahrensmangel nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht in ausreichender Weise dargelegt ist (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG).

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO kommt nur in Betracht, wenn der Beteiligte alle ihm eröffneten prozessualen und faktischen Möglichkeiten genutzt hat, um sich rechtzeitig Gehör zu verschaffen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 35). Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kläger hat es versäumt, gegen den Gerichtsbescheid einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu stellen. Ein solcher Antrag, auf dessen Möglichkeit die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheids ausdrücklich hinweist, wäre aber erforderlich gewesen, denn mit einer Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs können die Beteiligten im Berufungszulassungsverfahren nicht durchdringen, wenn das Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat (Happ a. a. O. § 124 Rn. 48; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 124 Rn. 13).

Andere Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 AsylVfG werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Soweit er rügt, das Verwaltungsgericht habe seiner Urteilsfindung hinsichtlich der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK rechtsirrig nur eine summarische Prüfung zugrunde gelegt, ist damit kein in § 78 Abs. 3 AsylVfG genannter Berufungszulassungsgrund dargelegt.

Die vom Kläger geschilderten Vorkommnisse in seinem Heimatland haben für die getroffene Entscheidung über die Zuständigkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO, ABl L 180 S. 31), keine Relevanz, sondern können erst im Rahmen der Durchführung eines Asylverfahrens durch den zuständigen Mitgliedstaat überprüft werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Annotations

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.